a) Schutzzweck.
Rn 15d
Dem Schuldner und seinen Haushaltsangehörigen soll die Möglichkeit erhalten werden, durch die eigene Erwerbstätigkeit seine Verbindlichkeiten in Zukunft bedienen zu können und den Unterhalt für sich und die Familie zu erwirtschaften, um nicht auf öffentliche Hilfen zurückgreifen zu müssen. Geschützt wird jede Art der legalen Erwerbstätigkeit. Aus- und Fortbildung, die auch schulische Bildung umfassen, müssen darauf gerichtet sein, eine (andere) Erwerbstätigkeit zu erlangen oder zu erhalten oder iR einer Erwerbstätigkeit aufzusteigen (BTDrs 19/27636, S 29).
Rn 15e
Geschützt ist die gegenwärtig ausgeübte Tätigkeit. Diese muss dazu bestimmt sein, dass der Schuldner seinen Erwerb aus ihr zieht. Die nebenberufliche Ausübung genügt (OVG Magdeburg 29.4.09 – 3 M 175/09; AG Karlsruhe DGVZ 89, 141, 142). Das Pfändungsverbot gilt auch schon in der Phase der Betriebsgründung (LG Hannover NJW 53, 1717 [LG Hannover 23.04.1953 - 11 T 508/52]; AG Ibbenbüren DGVZ 01, 30, 31). Eine vorübergehende Unterbrechung der Tätigkeit beendet nicht den Pfändungsschutz (OVG Magdeburg 29.4.09 – 3 M 175/09; Hamm JurBüro 53, 209; LG Wiesbaden DGVZ 97, 59). Die bloße Möglichkeit, dass die Tätigkeit wieder aufgenommen wird, genügt jedoch nicht (AG Bad Kreuznach DGVZ 00, 140). Nicht vom Schutzzweck erfasst ist die Nutzung von Sachwerten und Kapital zur Gewinnerzielung.
b) Geschützter Personenkreis.
Rn 15f
Der Pfändungsschutz gilt wegen des Schutzzwecks (Rn 15d) nur für natürliche, nicht auch für juristische Personen (BGH NJW 18, 1083, 1084 [BGH 06.12.2017 - XII ZR 95/16]; aA Musielak/Voit/Flockenhaus Rz 14). Bei Einmanngesellschaften, Personenhandelsgesellschaften und GbR ist Buchst b anwendbar, wenn die Gesellschafter durch ihren persönlichen Arbeitseinsatz ihr Einkommen innerhalb der Gesellschaft erzielen und die Kapitalausnutzung dagegen im Hintergrund bleibt (Oldbg NJW 64, 505; AG Bersenbrück DGVZ 92, 78; AG Düsseldorf DGVZ 91, 175; MüKoZPO/Gruber Rz 38).
c) Benötigte Gegenstände.
Rn 15g
Pfändungsfrei sind Gegenstände, die unmittelbar oder mittelbar der Erwerbstätigkeit dienen und für deren Fortführung notwendig sind; unentbehrlich müssen sie nicht sein. Bei Landwirten ist nach dem jeweiligen Zuschnitt des Betriebs zu beurteilen, welche Sachen im Einzelfall pfändungsfrei sind; dazu soll nach § 813 III Nr 2 (bei nach Nr 8 geschützten Tieren § 813 III Nr 3) ein landwirtschaftlicher Sachverständiger zugezogen werden, wenn der Wert der zu pfändenden Gegenstände voraussichtlich den Betrag von 2.000 EUR übersteigt (s § 813 Rn 6). Dienstkleidung ist vor Pfändung geschützt, wenn der Schuldner durch Gesetz oder Vorschrift des Arbeitgebers im öffentlichen Dienst verpflichtet ist, sie zu tragen; freiwillig genutzte Dienstkleidung (zB Uniform eines privaten Chauffeurs) ist pfändbar (Schuschke/Walker/Walker/Loyal Rz 49). Zu den für die Aus- und Fortbildung benötigten Sachen gehören insb Bücher und digitale Lernmittel.
Rn 15h
Bei der nachfolgenden Darstellung von Beispielen ist zu beachten, dass die Unpfändbarkeit stets nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen ist und deshalb Gerichtsentscheidungen zu konkreten Gegenständen nicht ohne Weiteres auf andere Fälle übertragbar sind. Zudem sind die Entscheidungen zu § 811 in der bis zum 31.12.21 geltenden Fassung ergangen, der teilweise engere Voraussetzungen für die Unpfändbarkeit vorsah.
Rn 15i
Als unpfändbar wurden angesehen: Anrufbeantworter eines Immobilienmaklers (LG Düsseldorf DGVZ 86, 44); Ausstellungsstücke eines Küchenstudios (LG Saarbrücken DGVZ 88, 158); Backofen einer Bäckerei (Frankf OLGR Frankf 01, 27, 28); Baustellenzubehör eines Bauunternehmers (AG Schönau DGVZ 74, 61); Bücher als Hilfsmittel für persönliche Arbeit, nicht für Leihbücherei (Ddorf MDR 64, 63); Computer für persönlichen Beruf (LG Heilbronn Rpfleger 94, 370 [LG Heilbronn 17.02.1994 - 1b T 379/93 Be]; AG Bersenbrück DGVZ 90, 78), Gewerbe (LG Hildesheim DGVZ 90, 30, 31) oder Examen (AG Essen DGVZ 98, 94; aA AG Heidelberg DGVZ 89, 15); Diktiergerät eines Rechtsanwalts (LG Mannheim MDR 66, 516); Einrichtungsgegenstände einer Arztpraxis (AG Köln ZInsO 03, 667, 669 und NJW-RR 03, 987, 988) oder Boutique (Frankf NJW-RR 96, 585); Fahrrad für beruflich veranlasste Fahrten (München OLG Rspr 29, 213); Falzmaschine eines Druckers (LG Hamburg DGVZ 84, 26, 27); Fotokopiergerät eines Architekten (LG Frankfurt DGVZ 90, 58) oder Steuerberaters (FG Köln KKZ 91, 198); Kamera eines Berufsfotografen oder Sachverständigen (München OLG Rspr 20, 352; AG Düsseldorf DGVZ 88, 125); Kfz-Werkzeuge, wie Hebebühne und Hochdruckreiniger (LG Augsburg DGVZ 97, 27, 28; LG Bochum DGVZ 82, 43, 44); Ladeneinrichtung eines Kleingewerbetreibenden (LG Lübeck DGVZ 02, 185; OLG Darmstadt JW 34, 1740; KG OLG Rspr 39, 77); Lkw, wenn erwerbsnotwendig (LG Oldenburg DGVZ 91, 119; AG Gießen DGVZ 97, 189, 190; AG Köln JurBüro 65, 932, 933); Musikinstrument und Noten bei Musiklehrer (Hambg OLG Rspr 33, 105, 106; KG DGVZ 39, 277); medizinisches Gerät eines Arztes, wie eine Röntgenanlage (Hamm JMBlNRW 53, 40, 41); Nähmaschine einer...