I. Sachlicher Anwendungsbereich.
1. Vollstreckung wegen Geldforderungen in bewegliche Sachen.
Rn 3
Der Pfändungsschutz nach § 811 gilt ausschließlich für die Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen in bewegliche Sachen, also bei Pfändung nach §§ 808 ff, 826. Auf die Art der beizutreibenden Forderung kommt es nicht an. Auch Ansprüche aus einem Arrest oder einstweiligen Verfügung fallen in den Anwendungsbereich (MüKoZPO/Gruber Rz 11; Musielak/Voit/Flockenhaus Rz 2). Einer analogen Anwendung ist § 811 als Ausnahmevorschrift grds nicht zugänglich (BGH NJW-RR 2007, 1219, 1221 [BGH 20.12.2006 - VII ZB 92/05]). Daher ist sie nicht anwendbar bei der Vollstreckung wegen eines Herausgabeanspruchs nach §§ 883 ff, der Pfändung eines Herausgabeanspruchs nach § 847 oder von sonstigen Vermögensrechten nach § 857 oder der Vollstreckung in das unbewegliche Vermögen (Musielak/Voit/Flockenhaus Rz 3; Schuschke/Walker/Walker/Loyal Rz 3). Gleiches gilt, wenn nach § 11 AnfG die Zwangsvollstreckung in einen bestimmten Gegenstand zu dulden ist; der Anfechtungsgegner kann sich nicht auf den Schutz des § 811 berufen, da nicht wegen einer gegen ihn gerichteten Geldforderung vollstreckt wird; war der anfechtbar erworbene Gegenstand beim ursprünglichen Schuldner unpfändbar, hätte dies schon im Anfechtungsprozess unter dem Gesichtspunkt der fehlenden Gläubigerbenachteiligung geltend gemacht werden müssen (Hamm NJW 62, 1827 [OLG Hamm 04.06.1962 - 15 W 178/62]; Schuschke/Walker/Walker/Loyal Rz 3; Musielak/Voit/Flockenhaus Rz 4; MüKoZPO/Gruber Rz 12).
2. Eigentumsverhältnisse an den Sachen.
Rn 4
Für die Geltung des Pfändungsverbots spielt es keine Rolle, in wessen Eigentum die Sache steht. Selbst wenn unstr oder offenkundig ist, dass der Schuldner nicht Eigentümer ist, unterliegt die Sache dem Pfändungsschutz (Hamm DGVZ 84, 138, 141; Musielak/Voit/Flockenhaus Rz 5; MüKoZPO/Gruber Rz 17); dem Eigentümer steht es frei, einen Herausgabetitel zu erwirken und nach §§ 883 ff zu vollstrecken. Dies gilt auch, wenn der Gläubiger wegen einer Forderung vollstreckt, zu deren Sicherung ihm die Sache übereignet ist (BTDrs 13/341, 25). Besonderheiten gelten nur, wenn die Sache unter dem Eigentumsvorbehalt des Gläubigers steht, Abs 2 (s.u. Rn 50 ff).
II. Persönlicher Anwendungsbereich.
Rn 5
Die Pfändungsverbote gelten für jeden Schuldner, also nicht nur für natürliche, sondern auch für juristische Personen, soweit das Gesetz nicht auf den persönlichen Bedarf einer natürlichen Person abstellt (Zö/Seibel Rz 4). Bei Erben sind deren Verhältnisse maßgeblich, nicht die des Erblassers (Musielak/Voit/Flockenhaus Rz 6).
III. Maßgeblicher Zeitpunkt.
Rn 6
Der GV hat bei der Vornahme der Pfändung zu prüfen, ob ein Pfändungsverbot vorliegt (vgl Rn 12). Ob nachträgliche Veränderungen, die die Pfändbarkeit beeinflussen, zu berücksichtigen sind, wird unterschiedlich beurteilt:
1. Nachträgliche Pfändbarkeit.
Rn 7
War eine Sache im Zeitpunkt der Pfändung nach § 811 unpfändbar, ist die Unpfändbarkeit aber später entfallen, wird der Mangel ex nunc geheilt. Dies ist bei der Entscheidung über die Erinnerung bzw Beschwerde zu berücksichtigen (LG Bad Kreuznach DGVZ 00, 140; MüKoZPO/Gruber Rz 18; Zö/Seibel Rz 9; Schuschke/Walker/Walker/Loyal Rz 11). Hierfür spricht schon die Zulässigkeit der Vorwegpfändung nach § 811c.
2. Nachträgliche Unpfändbarkeit.
Rn 8
Für den Fall, dass nach der Pfändung Umstände eintreten, die die gepfändete Sache unpfändbar machen, wird vielfach vertreten, entscheidend sei allein, ob die Pfändbarkeit im Zeitpunkt der Pfändung gegeben war (LG Berlin RPfleger 77, 262; LG Bochum DGVZ 80, 37, 38; AG Sinzig DGVZ 90, 95; Zö/Seibel Rz 9; ThoPu/Seiler Rz 3a). Nach anderer Auffassung kommt es auch hier auf den Zeitpunkt der Entscheidung an (MüKoZPO/Gruber Rz 19; Schuschke/Walker/Walker/Loyal Rz 11; Musielak/Voit/Flockenhaus Rz 7; St/J/Würdinger Rz 17; Brock DGVZ 97, 65 f). Diese Ansicht ist zutr. Es besteht kein Anlass, von dem allgemeinen Grundsatz abzugehen, dass auf den Zeitpunkt der letzten Sachentscheidung abzustellen ist. Der Schutzzweck der Norm, die die Befriedigung des Gläubigers zu Lasten öffentlicher Mittel verhindern soll, ist auch dann berührt, wenn die Voraussetzungen der Unpfändbarkeit erst nach der Pfändung eingetreten sind. Der Gefahr, dass der Schuldner nach der Pfändung rechtsmissbräuchlich die Unpfändbarkeit herbeiführt, kann durch eine sekundäre Darlegungslast des Schuldners dafür, dass ihm kein treuwidriges Verhalten zur Last fällt, begegnet werden (vgl MüKoZPO/Gruber Rz 19; für volle Beweislast des Schuldners: Musielak/Voit/Flockenhaus Rz 7; St/J/Würdinger Rz 17).