Gesetzestext

 

(1) Eine Beschränkung des gesetzlichen Umfanges der Vollmacht hat dem Gegner gegenüber nur insoweit rechtliche Wirkung, als diese Beschränkung die Beseitigung des Rechtsstreits durch Vergleich, Verzichtleistung auf den Streitgegenstand oder Anerkennung des von dem Gegner geltend gemachten Anspruchs betrifft.

(2) Insoweit eine Vertretung durch Anwälte nicht geboten ist, kann eine Vollmacht für einzelne Prozesshandlungen erteilt werden.

A. Anwaltsprozess.

I. Grundsatz.

 

Rn 1

Im Geltungsbereich des Anwaltszwangs (§ 78 Rn 14 f) ist die Vollmacht umfassend und nicht beschränkbar, die im Innenverhältnis zwischen Partei und Anwalt möglichen Einschränkungen wirken grds nur in dem gesetzlich zugelassenen Umfang ggü Gericht und Gegner (BGH NJW 87, 130; NZM 00, 382). Da die Norm der Klarheit und Rechtssicherheit bezogen auf die Handlungsbefugnisse der Bevollmächtigten im Prozess dient, ist sie eng auszulegen (Anders/Gehle/Weber ZPO § 83 Rz 2). Damit kann dem Prozessbevollmächtigten nur die Befugnis zum Abschluss eines Vergleichs, zum Verzicht (§ 306) oder zum Anerkenntnis (§ 307) entzogen werden. Die Vollmacht kann hingegen nicht auf einen Termin (Kobl Beschl v 7.6.16 – 11 UF 263/16 Rz 9), auf die 1. Instanz (BGH NJW 01, 1356), einzelne Anträge (BGH NJW 87, 130, 131 [BGH 19.07.1984 - X ZB 20/83]) oder das Hauptsachverfahren (§ 82) oder die Widerklage (BGH NJW 91, 1176, 1177) beschränkt werden. Auch das Kostenfestsetzungsverfahren kann nicht ausgenommen werden (Hamm OLGR 05, 385, 386). Dies gilt selbst dann, wenn dem Gericht und dem Gegner die Beschränkung bekannt gemacht oder diese in die Vollmachtsurkunde aufgenommen wurde (BGH NJW 91, 1176 [BGH 23.10.1990 - VI ZR 105/90]; 01, 1356 [BGH 31.01.2001 - VIII ZR 142/00]). Eine danach unzulässig beschränkte Vollmacht gilt als unbeschränkte, der Verstoß führt nicht zur Nichtigkeit. Soweit danach eine Beschränkung zulässig ist, entfaltet sie aus Gründen der Rechtssicherheit nur dann Wirkung, wenn sie dem Prozessgegner und dem Gericht in eindeutiger Weise offengelegt wird (BGHZ 16, 167, 170; LAG SchlH Beschl v 30.9.19 – 5 Sa 157/19 Rz 41). Eine Beschränkung ist auch im Anwaltsprozess insoweit zulässig, als die Prozesshandlung nicht dem Anwaltszwang unterliegt (Brandbg NJW 07, 1740, 1741 [BVerfG 28.02.2007 - 1 BvL 9/04]; Zö/Althammer § 83 Rz 5). Dies gilt grds auch für den Terminsvertreter (LAG SchlH Beschl v 30.9.19 – 5 Sa 157/19 Rz 43). Nach §§ 112, 113 I FamFG findet die Vorschrift auch in Ehesachen und Familienstreitsachen Anwendung. Für die übrigen Verfahren nach dem FamFG verweist § 11 5 FamFG auf § 83 (Kobl Beschl v 7.6.16 – 11 UF 263/16 Rz 9).

 

Rn 2

Da die Prozessvollmacht für den Prozess gilt, handelt es sich nicht um eine Beschränkung, wenn sie nur für einen von mehreren in einem Rechtsstreit gemeinsam verhandelten Prozessen erteilt wird, denn die verschiedenen Prozesse (Prozessrechtsverhältnisse) verlieren dadurch nicht ihre Selbstständigkeit (§ 61). Dies ändert sich nicht dadurch, dass eine Person an mehreren dieser verbundenen Prozesse beteiligt ist.

II. Ausnahmen.

 

Rn 3

Über den Wortlaut hinaus wird eine Beschränkung der Vollmacht in den Fällen des Vollmachtsmissbrauchs und der Interessenkollision befürwortet. Danach ist die Vollmacht auch im Außenverhältnis nach Maßgabe des Innenverhältnisses beschränkt, wenn sonst der Bevollmächtigte in eine Interessenkollision gedrängt und dem Vollmachtgeber nach Treu und Glauben eine Zurechnung des Handelns nicht zumutbar ist und zu einem rechtlich nicht haltbaren Ergebnis führen würde (BGH NJW 91, 1176; 01, 1356 [BGH 31.01.2001 - VIII ZR 142/00]; BFH NJW 97, 1029, 1030 [BFH 13.06.1996 - III B 23/95]). Deshalb soll in einem Haftpflichtprozess, in dem für beide Parteien der selbe Haftpflichtversicherer einzustehen hat, eine Beschränkung der Vollmacht des vom Versicherer bestellten Anwalts auf die Abwehr der Widerklage möglich sein (BGH NJW 91, 1176, 1177 [BGH 23.10.1990 - VI ZR 105/90]). Die Außenwirkung ist auch bei einer offenbar missbräuchlichen Verwendung zum Nachteil der Partei beschränkt (BFH NJW 97, 1029, 1030).

B. Parteiprozess.

 

Rn 4

Im Parteiprozess findet Abs 1 keine Anwendung, weshalb die Vollmacht beliebig beschränkt und nur für einzelne Prozesshandlungen erteilt werden kann. Eine solche Vollmacht erlischt mit der Vornahme der Handlung (Zö/Althammer § 83 Rz 4). So ist eine Terminsvollmacht möglich, die zu allen im Termin nach seinem Zweck vorzunehmenden Prozesshandlungen (auch Vergleich, Anerkenntnis und Verzicht) ermächtigt (Zö/Althammer § 83 Rz 4; Anders/Gehle/Weber ZPO § 83 Rz 4), aber nicht über den Termin hinaus wirkt (BVerwG NZA-RR 04, 389, 392 [BVerwG 01.12.2003 - BVerwG 6 P 11.03]; Anders/Gehle/Weber ZPO § 83 Rz 4), weshalb an Unterbevollmächtigte, die einen Termin wahrgenommen haben und damit lediglich Terminsvertreter waren, nicht zugestellt werden kann (BGH NJW-RR 06, 356). Verbreitet sind auch die reine Zustellungsvollmacht (Zustellungsermächtigung), die aber eine Zustellung an den Vollmachtgeber selbst nicht hindert, denn § 172 gilt nur für die unbeschränkte Vollmacht (Musielak...

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