Rn 26
Der Schuldner muss auch die über die Forderung vorhandenen Urkunden (BGH NJW-RR 09, 997 [BGH 26.02.2009 - VII ZB 30/08] Rz 21) herausgeben. Die Pflicht zur Herausgabe der Urkunden über die gepfändete Forderung (AG Hünfeld DGVZ 05, 110) besteht selbständig neben der Auskunftspflicht. Funktional soll die Verpflichtung den Gläubiger in die Lage versetzen, die Aussichten einer Drittschuldnerklage überprüfen und diese ggf exakt beziffern zu können (BGH NJW 07, 606 Rz 8). Der Gläubiger soll nachprüfen können, welche Ansprüche ihm aus der Pfändung erwachsen sind und ob der Drittschuldner die gepfändete und zur Einziehung überwiesene Forderung vollständig erfüllt hat (BGH NJW-RR 06, 1576 Rz 11). Dieser Zweck begründet und begrenzt die Verpflichtung. Herauszugeben sind Urkunden, die den Gläubiger als zur Empfangnahme der Leistung berechtigt legitimieren sowie solche, die den Bestand der Forderung beweisen oder sonst der Ermittlung oder dem Nachweis ihrer Höhe, Fälligkeit und Einredefreiheit dienen (BGHZ 192, 314 Rz 7). Die vom Schuldner herauszugebenden Urkunden sind im Pfändungs- und Überweisungsbeschluss im Einzelnen zu bezeichnen. Eine besondere Herausgabeanordnung ist dagegen grds nicht erforderlich (BGH NJW-RR 06, 1576 [BGH 28.06.2006 - VII ZB 142/05] Rz 9). Davon zu unterscheiden sind die Ansprüche des Gläubigers gegen den Drittschuldner auf Auskunft und Herausgabe, wenn sich die Unterlagen nicht beim Schuldner befinden, die als unselbständiges Nebenrecht mit der Hauptforderung gepfändet sind (BGH NJW 13, 539 Rz 8 f; § 829 Rz 76 ff). Der Gläubiger hat somit die Möglichkeit, den Anspruch des Schuldners auf Herausgabe, zB der Lohnabrechnung, des Leistungsbescheids als Nebenrecht, mit in den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss aufzunehmen. So kann der Gläubiger direkt gegen den Drittschuldner vorgehen. Eine Herausgabeanordnung nach § 836 III entfällt in diesem Fall (LG Hagen JurBüro 16, 546). Der Anspruch auf Herausgabe gegen einen Dritten muss selbständig gepfändet werden (aA LG Bochum JurBüro 09, 270). Soweit der Gläubiger nicht auf das Original angewiesen ist, genügt die Herausgabe einer Kopie (BGH NJW-RR 13, 766 [BGH 21.02.2013 - VII ZB 59/10] Rz 9).
Rn 27
Herauszugeben sind Legitimationspapiere, wie im Falle des § 808 II 1 oder nach erfolgter Abtretung, und Beweisurkunden über den Bestand der Forderung bzw zur Ermittlung oder dem Nachweis ihrer Höhe, Fälligkeit und Einredefreiheit (BGH NJW 03, 1256 [BGH 14.02.2003 - IXa ZB 53/03]; 07, 606 [BGH 20.12.2006 - VII ZB 58/06] Rz 5). Je schwächer ihr Beweiswert ist, desto stärker müssen entgegenstehende Interessen des Schuldners berücksichtigt werden. Dies betrifft etwa Urkunden, die nur eine Überprüfung oder Berechnung der Forderung ermöglichen sollen. Legitimationspapiere sind im Original herauszugeben. Bei Beweisurkunden genügt regelmäßig eine – ggf beglaubigte – Kopie. Nach dem Ende der Vollstreckung sind die Urkunden zurückzugeben. Dies gilt nicht nur bei einer Teilpfändung. Die Herausgabeverpflichtung besteht nicht für Urkunden, die lediglich die Werthaltigkeit der Forderung betreffen (LG Hof DGVZ 91, 138, 139; St/J/Würdinger § 836 Rz 14).
Rn 28
Der Umfang (detailliert St/J/Würdinger § 836 Rz 14 Fn 48) erstreckt sich auf vorrangige Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse (BGH NJW-RR 06, 1576), Quittungen und Pfandscheine (Wieczorek/Schütze/Lüke § 836 Rz 17). Abtretungserklärungen sind herauszugeben (BGH NJW-RR 06, 1576 Rz 8; AG Osterholz-Scharmbeck JurBüro 19, 324) ebenso Sparbücher, Versicherungsscheine (LG Darmstadt JurBüro 91, 730), Flugscheine (LG Frankfurt DGVZ 90, 169), Mietverträge (LG Hannover JurBüro 86, 302) sowie Schuldscheine. Leistungsbescheide des Sozialleistungsträgers sind in Kopie herauszugeben (LG Düsseldorf JurBüro 08, 268; LG Kleve BeckRS 16, 17460; AG Dortmund JurBüro 08, 100; AG Wuppertal JurBüro 16, 553; AG Wermelskirchen JurBüro 20, 445; aA LG Hannover JurBüro 86, 302). Dies gilt auch für Bescheide über öffentlich-rechtliche Leistungen und Rentenbescheide und -mitteilungen (BGH NJW-RR 13, 766 Rz 5; trotz persönlicher Daten AG Schwelm JurBüro 16, 380), nicht aber die Rentenauskunft (BGH NJW-RR 12, 434 Rz 15; LG Leipzig Rpfleger 05, 96; Rn 20). Schriftwechsel bzw Briefe sind nur ausnahmsweise herauszugeben, wenn eine Darlegung sonst nicht möglich ist. Herauszugeben ist auch die Bescheinigung gem § 850k II, V 2 aF einer Schuldnerberatungsstelle iSv § 305 Nr 1 InsO und zur Erhöhung des pfändungsfreien Betrags auf einem Pfändungsschutzkonto (BGH NJW-RR 13, 766 [BGH 21.02.2013 - VII ZB 59/10] Rz 5 ff).
Rn 29
Bei einer Kontopfändung sind ggf die Kontoauszüge herauszugeben, soweit sie dem Gläubiger die Einziehung der Forderung erleichtern, wobei Kopien genügen (BGHZ 192, 314 Rz 7; BGH NJW 06, 217 Rz 18; aA AG Göppingen DGVZ 89, 29; LG Stuttgart ZVI 08, 386). Dabei ist zu unterscheiden. Für den Zeitpunkt vor der Pfändung und Überweisung besteht grds kein Herausgabeanspruch (LG Stendal Rpfleger 09, 397, 398, Zeitpunkt des Verlangens). Sonst kö...