Rn 3
Jeder der Prozessbevollmächtigten hat im Außenverhältnis eine nur nach § 83 beschränkbare (BGH NJW 19, 2397 [BGH 12.03.2019 - VI ZR 277/18] Rz 20; BSG NJW 98, 2078) Einzelvertretungsmacht, selbst wenn in die Vollmachtsurkunde eine Beschränkung aufgenommen wurde, nach der die Anwälte nur gemeinsam handeln dürfen (Zö/Althammer § 84 Rz 1; Musielak/Voit/Weth § 84 Rz 3). Eine solche Beschränkung ist unzulässig (BGH NJW 20, 618 [BGH 24.09.2019 - XI ZR 451/17] Rz 9; BFH Beschl v 31.7.08 – IV B 73/07 Rz 5). Die Erklärung eines jeden Prozessbevollmächtigten bindet grds die anderen und die Partei (BGH NJW 07, 3641; BSG NJW 98, 2078 [BSG 18.11.1997 - 2 RU 45/96]; BVerwG NJW 75, 1795, 1796 [BVerwG 23.01.1975 - BVerwG I WB 47/73]). Das von einem Bevollmächtigten eingelegte Rechtsmittel kann von einem anderen zurückgenommen werden. Dies gilt auch, wenn mehrere Prozessbevollmächtigte Berufung eingelegt haben und einer von ihnen die Berufung zurücknimmt, solange sich aus seiner Erklärung oder den Umständen nicht ergibt, dass er nur das von ihm selbst eingelegte Rechtsmittel zurücknehmen will (BGH NJW 07, 3640, 3642 [BGH 30.05.2007 - XII ZB 82/06]; Hamm, Beschl v 17.9.19 – 9 U 69/19 Rz 1; BAG NZA 10, 183 Rz 10). Geben sie einander widersprechende Erklärungen ab, ist zu unterscheiden: Handelt es sich um nicht widerrufliche Prozesshandlungen (zB Geständnis, Anerkenntnis, Verzicht) gilt nur die frühere Erklärung (München OLGR 06, 655; Musielak/Voit/Weth § 84 Rz 4; Zö/Althammer § 84 Rz 1). Kann die Erklärung widerrufen werden, gilt die spätere, wenn sie als Widerruf zu deuten ist (MüKoZPO/Toussaint § 84 Rz 3; Musielak/Voit/Weth § 84 Rz 4; Zö/Althammer § 84 Rz 1). Bei gleichzeitiger Abgabe widersprechender Erklärungen sind die Rechtsfolgen umstr (BAG Urt v 18.11.09 – 5 AZR 41/09, Rz 10; München OLGR 06, 655; ThoPu/Hüßtege § 84 Rz 3: wirkungslos; Anders/Gehle/Weber ZPO § 84 Rz 5: freie Würdigung). Kann auch durch Ausübung des richterlichen Fragerechts (§ 139) keine Klarheit erlangt werden, sind die Erklärungen unbeachtlich (Musielak/Voit/Weth § 84 Rz 4).
Rn 4
Zustellungen können ggü jedem der Bevollmächtigten vorgenommen werden, die Zustellung an einen von ihnen ist ausreichend (BGH NJW 92, 3096; FamRZ 04, 865; BVerwG NJW 98, 3582; Koblenz NJW-RR 97, 1023). Wird gleichwohl an mehrere zugestellt, ist für den Beginn der Frist die erste Zustellung maßgebend, die späteren Zustellungen setzen die Frist nicht neu in Lauf (BGH NJW 19, 2397 Rz 11; NJW 91, 1176; 03, 2100; FamRZ 04, 865; BVerwG NJW 80, 2269; 98, 3582). Auf die Kenntnis der übrigen Prozessbevollmächtigten vom Fristbeginn kommt es nicht an (OVG Münster DÖV 76, 608). Das Gericht kann zwischen den Bevollmächtigten frei wählen und muss nicht prüfen, mit welcher Zustellung den Interessen der Partei besser gedient wäre, dies würde dem Zweck der Verfahrensvereinfachung widersprechen; das Risiko von Kommunikationsproblemen zwischen den Prozessbevollmächtigten trägt die Partei. Diese Wahlmöglichkeit ist ausnw eingeschränkt, wenn es für das Gericht offensichtlich oder zumindest erkennbar ist, dass nach den besonderen Umständen des Einzelfalls durch eine Zustellung allein an einen das rechtliche Gehör nicht ausreichend gewährleistet und dem Erfordernis der Effektivität des Rechtsschutzes nicht genügt würde (BVerfG NJW 90, 1104, 1105 [BVerfG 29.11.1989 - 1 BvR 1011/88]; OVG Bremen Urt v 27.2.20 – 2 B 54/20, Rz 4).