I. Rechtscharakter.
Rn 2
Die Auskunftspflicht des Drittschuldners gem § 840 I ist eine aus der allgemeinen Zeugnispflicht abgeleitete staatsbürgerliche Pflicht mit einem selbständigen vollstreckungsrechtlichen Inhalt (BGH NJW 00, 651, 652 [BGH 19.10.1999 - XI ZR 8/99]; St/J/Würdinger § 840 Rz 1). Die Pflicht begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Obwohl es sich um eine vollstreckungsrechtliche Pflicht handelt, ist sie nicht selbständig einklagbar (Rn 18). Deswegen wird auch von einer Obliegenheit bzw verfahrensrechtlichen Last gesprochen (BGHZ 91, 126, 128; BGH NJW-RR 06, 1566 Rz 10; 21, 577 Rz 12; Brox/Walker Rz 624). Allerdings sprechen die Funktion der Vorschrift und die Schadensersatzpflicht aus § 840 II 2 gegen eine im eigenen Interesse bestehende prozessuale Last. Dem Insolvenzverwalter steht aufgrund des Eröffnungsbeschlusses kein Auskunftsrecht zu. Vielmehr kann er die Auskunfts- und Mitwirkungspflichten des Schuldners aus §§ 97 f InsO und die materiell-rechtlichen Ansprüche des Schuldners geltend machen (BGH NZI 22, 814 [BGH 21.07.2022 - IX ZB 63/21] Rz 12).
Rn 3
Bei der Auskunftserteilung handelt es sich regelmäßig um eine Wissenserklärung und kein Schuldanerkenntnis (BGHZ 69, 328, 331). Als prozessuale Wirkung wird die Beweislast umgekehrt. Infolgedessen kann der Schuldner die Erklärung zwar nicht anfechten, aber widerrufen. Der Widerruf beseitigt aber nicht die Beweiskraft der vorherigen Erklärung, weshalb der Drittschuldner im Einziehungsprozess danach die Beweislast trägt (BGHZ 69, 328, 332). Ein Anerkenntnis kann etwa eine wegen Verjährung drohende Klage vermeiden helfen (BGH NJW 78, 1914 [BGH 27.04.1978 - VII ZR 219/77]).
Rn 4
Von der Pflicht aus § 840 I zu unterscheiden ist die materiell-rechtliche Auskunftspflicht des Drittschuldners ggü dem Schuldner. Als Nebenrecht der gepfändeten Forderung wird der Auskunftsanspruch nach § 401 BGB ohne Neben- oder Hilfspfändung von der Pfändung mit umfasst, ebenso die Herausgabe eines Leistungsbescheids (LG Dresden JurBüro 09, 663; LG Koblenz JurBüro 10, 49) oder von Lohnabrechnungen (BGH NJW 13, 539 Rz 10). Das Vollstreckungsgericht kann aber auf Antrag des Gläubigers in dem das Hauptrecht pfändenden Beschl die Mitpfändung aussprechen (BGH NJW-RR 03, 1555, 1556 [BGH 18.07.2003 - IXa ZB 148/03]). Nach Überweisung der Forderung kann der materielle Auskunftsanspruch vom Gläubiger in dem für den Schuldner bestehenden Umfang geltend gemacht werden (Wieczorek/Schütze/Lüke § 840 Rz 2).
II. Voraussetzungen.
Rn 5
Die Erklärungspflicht verlangt eine Forderungspfändung durch einen wirksamen, dh insb zugestellten Pfändungsbeschluss. Ein vorläufiges Zahlungsverbot genügt nicht (AG Calw DGVZ 21, 67; AG Heilbronn DGVZ 21, 146; AG Bonn BeckRS 21, 24284). Auf eine Überweisung der gepfändeten Geldforderung kommt es nicht an (BGHZ 68, 289, 291). Für den Auskunftsanspruch genügt eine Pfändung nach den §§ 720a, 930 (BGH NJW-RR 06, 1566), 936, nicht aber eine Vorpfändung nach § 845 oder eine Pfändung gem § 831 (BGHZ 68, 289, 291 f; MüKoZPO/Smid § 840 Rz 6). Die Zustellung muss durch den Gerichtsvollzieher erfolgen. Eine postalische Zustellung genügt nicht, weil Postzusteller die Erklärungen nach Abs 3 nicht entgegennehmen können (LG Tübingen MDR 74, 677 [LG Tübingen 07.11.1973 - 1 O 19/73]). Die Anfechtbarkeit der Entscheidung ist bis zu einem erfolgreich durchgeführten Rechtsbehelfsverfahren unerheblich. Da es nicht auf materielle Pfändungswirkungen ankommt, ist eine Einstellung der Zwangsvollstreckung unbeachtlich (Musielak/Voit/Flockenhaus § 840 Rz 2).
Rn 6
Da der Gläubiger die angebliche Forderung des Schuldners gegen den Drittschuldner pfändet, kommt es für den Auskunftsanspruch nicht darauf an, ob die Forderung besteht. Im formalisierten Vollstreckungsverfahren werden grds die Angaben des Gläubigers nicht überprüft (Schlesw NJW-RR 90, 448; LAG Mecklenburg-Vorpommern JurBüro 17, 543). Zudem soll die Auskunft nach § 840 Abs 1 Nr 1 klären helfen, ob die Forderung existiert. Etwas anderes gilt nur, wenn der behauptete Anspruch dem Schuldner von vornherein und klar ersichtlich nicht zustehen kann.
Rn 7
In der Zustellungsurkunde muss die Aufforderung an den Drittschuldner aufgenommen sein, die Erklärungen abzugeben, § 840 II 1. Eine Aufforderung im Pfändungsbeschluss ist unzureichend. Die Aufforderung ergeht bei Zustellung des Pfändungsbeschlusses. Bei Zustellungen nach § 193a muss die Aufforderung als elektronisches Dokument zusammen mit dem Pfändungsbeschluss übermittelt werden. Während eine Ersatzzustellung auch durch Niederlegung gem § 181 ausreicht (AG Itzehoe DGVZ 94, 126), ist eine öffentliche Zustellung ungenügend, da hier die Erklärungen nicht in die Zustellungsurkunde aufgenommen werden können (Zö/Herget § 840 Rz 3). Ist die Aufforderung unterblieben, kann sie nachgeholt werden (ArbG Rendsburg BB 1961, 1322). Die Frist beginnt erst zu laufen, wenn die Aufforderung durch einen Gerichtsvollzieher zugestellt ist. Für die Nachholung genügt es, in der Aufforderung auf den zugestellten Pfändungsbeschluss zu ...