I. Grundlagen.
Rn 11
Als Arbeitseinkommen iSv Abs 2 erfasst werden alle Vergütungen aus Arbeits-, Dienst- oder Beamtenverhältnissen, welche die Erwerbstätigkeit des Schuldners vollständig oder zu einem wesentlichen Teil in Anspruch nehmen. Erforderlich ist die Verwertung der Arbeitskraft, weswegen nur die Ansprüche natürlicher Personen erfasst werden. Die Vergütungen müssen aus nichtkapitalistischer Tätigkeit, also aus einer Beschäftigung resultieren, bei der die persönliche Leistung des Schuldners die Ausnutzung sächlicher Betriebsmittel überwiegt. Für kapitalistische Einkünfte kann nur der antragsabhängige Pfändungsschutz aus § 850i erreicht werden. Die Vergütungen müssen an ein früheres, gegenwärtiges oder – iRv § 833 II – künftiges Arbeits-, Dienst- oder Beamtenverhältnis anknüpfen. Unerheblich ist die Art der Tätigkeit, die Stellung des Schuldners in der betrieblichen Hierarchie oder die Höhe der Vergütung. Geschützt sind auch die Vergütungen eines Organmitglieds einer Gesellschaft, etwa eines Vorstandsmitglieds einer AG, das nicht oder nicht wesentlich an der Gesellschaft beteiligt ist (BGH NJW 78, 756). Ein wirksamer Vertrag ist nicht erforderlich, weswegen ein Verstoß gegen ein Beschäftigungsverbot (zB von ausländischen ArbN ohne Arbeitsgenehmigung) gleichgültig ist (Zö/Herget § 850 Rz 6). Es genügen Ansprüche aus einem faktischen Arbeitsverhältnis. Unerheblich ist, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, vgl § 14 I 1 SGB IV. Keine Bedeutung besitzt, ob die Rechtsverhältnisse privat- oder öffentlich-rechtlich ausgestaltet sind, ob eine und ggf welche Sozialversicherungspflicht besteht und ob dem Dienst- oder Arbeitsverhältnis deutsches oder ausländisches Recht zugrunde liegt (Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Kessal-Wulf/Lorenz/Els § 850 Rz 9).
Rn 12
Auszugehen ist von einem umfassenden Begriff des Arbeitseinkommens (Rn 4). Die Aufzählung aus Abs 2 ist allein exemplarisch und deckt den Gegenstandsbereich des Arbeitseinkommens nicht vollständig ab (Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Kessal-Wulf/Lorenz/Els § 850 Rz 9). Der Begriff des Monatsverdienstes in den §§ 1a II, 10 III KSchG, § 123 I InsO ist nicht deckungsgleich, kann aber Auslegungshinweise geben. Erfasst werden wiederkehrende und einmalige, Hauptwie Nebeneinkünfte aus abhängiger und selbständiger Tätigkeit. Konsequenzen besitzen die Differenzierungen va dafür, welche Pfändungsschutzvorschriften anzuwenden sind. Wesentlich ist nach der Rspr des BGH, dass es sich um wiederkehrende zahlbare Vergütungen für selbständige oder unselbständige Dienste handelt, welche die Existenzgrundlage des Dienstpflichtigen bilden (BGHZ 96, 324, 327; BGH NJW-RR 04, 644; NJW-RR 17, 161 Tz 14). Der Schutzgedanke aus § 850 fordert aber, diese Anforderung weit auszulegen und Einkünfte, etwa aus einer Aushilfstätigkeit, als Arbeitseinkommen zu behandeln, soweit sie Bestandteil der Existenzsicherung sind. Sonstige, insb einmalige Vergütungen können ebenfalls Arbeitseinkommen darstellen. Sie sind aber zunächst dem Zugriff des Gläubigers ausgesetzt und werden nach § 850i nur auf Antrag geschützt. Auch die Einkünfte Selbständiger stellen Arbeitseinkommen dar, zB die Ansprüche des Kassenarztes gegen die Kassenärztliche Vereinigung (BGHZ 96, 324, 326; BGH NJW 06, 2485 Rz 15). Der Anspruch eines selbständigen Handelsvertreters auf monatliche Fixprovision ist Arbeitseinkommen nach § 850 II, wenn es sich um dessen einzige Tätigkeit handelt (BayObLG NJW 03, 2181, 2182 [BayObLG 06.03.2003 - 5 St RR 18/03]). Auslegungshilfen bieten die in § 19 I EStG aufgeführten Einkünfte sowie der Begriff des Arbeitsentgelts aus § 14 I SGB IV, doch ist der Begriff zwangsvollstreckungsrechtlich autonom zu interpretieren. Auf die Rechtsnatur des Vertrags als Dienst-, Werk-, Geschäftsbesorgungsvertrag oÄ kommt es nicht an, weshalb auch Lizenzverträge erfasst werden (BGH NJW-RR 04, 644, 645 [BGH 12.12.2003 - IXa ZB 165/03]). Erfasst sein können auch laufende Einkünfte aus Tantiemen (München BeckRS 18, 29487).
Rn 13
Die Vergütungen können schon verdient, aber noch nicht ausgezahlt sein. Abschlagszahlungen und noch nicht abgerechnete Gehaltsvorschüsse werden nach der Rspr des BAG grds auf den unpfändbaren Teil des später fällig werdenden Gehalts gezahlt und müssen mit diesem verrechnet werden (BAG NZA 87, 485, 486). Hat der Drittschuldner den Forderungsbetrag hinterlegt, besteht der Pfändungsschutz nach den §§ 850 ff weiter (LG Düsseldorf Rpfleger 77, 183), ebenso bei Hinterlegung durch den Gerichtsvollzieher (KG JW 33, 231, 232).
Rn 14
Einkünfte aus Nebentätigkeiten sind ebenfalls geschützt (vgl BGH NJW-RR 04, 644 [BGH 12.12.2003 - IXa ZB 165/03]; Mock Forderungsvollstreckung, § 6 Rn 9; aA St/J/Würdinger § 850 Rz 41; Musielak/Voit/Flockenhaus § 850 Rz 11). Maßgebend darf keine quantitative Beurteilung sein, da sie zu zufälligen Resultaten führt und denjenigen benachteiligt, der seine Arbeitskraft stärker mobilisiert (ebenso Herberger Menschenwürde in der Zwangsvollstreckung, S 235). Entscheidend muss das funktionale V...