Rn 42
Die privilegierte Pfändung nach § 850d I erfolgt auf Antrag eines berechtigten Gläubigers (Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Kessal-Wulf/Lorenz/Els § 850d Rz 19; Musielak/Voit/Flockenhaus § 850d Rz 1, 18; Zö/Herget § 850d Rz 12). Obwohl der Gesetzestext nicht ausdrücklich ein Antragserfordernis formuliert, kann daran kein Zweifel bestehen, weil von den Kriterien der Pfändungstabelle abgewichen wird und vielfach den Vollstreckungsgerichten die dafür erforderlichen Informationen fehlen. Zudem folgt das Erfordernis aus dem für den Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses seit dem 1.3.13 gem § 829 IV 2 iVm § 1 III ZVFV (v 16.12.22, BGBl I, 2368) bestehenden Formularzwang. Für die Pfändung wegen eines gesetzlichen Unterhaltsanspruchs nach § 850d und die Pfändung in den übrigen Fällen sind gem § 2 ZVFV unterschiedliche Formulare eingeführt. Die gesetzlichen Voraussetzungen werden nur erfüllt, wenn das besondere Formular für § 850d verwendet und ein Antrag gestellt wird. Die Verwendung des Formulars kann auf eine konkludente Antragstellung schließen lassen (LG Hamburg JurBüro 17, 209; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Kessal-Wulf/Lorenz/Els § 850d Rz 19; Wieczorek/Schütze/Lüke § 850d Rz 52: aA AG Witten FamRZ 21, 374). Der Antrag ist nicht fristgebunden und kann auch während einer laufenden Pfändung gestellt werden.
Rn 43
Die bevorrechtigte Pfändung ist beim örtlich zuständigen Vollstreckungsgericht zu beantragen (§ 828 Rn 7 f). Das Pfändungsgesuch kann mit den Anträgen nach den §§ 850b, 850c IV, 850e Nr 2 und 2a, 850f II verbunden werden. Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss ist durch den funktionell zuständigen Rechtspfleger zu erlassen (§ 828 Rn 3). Eine Vorpfändung nach § 845 ist unzulässig, weil die Höhe des unpfändbaren Betrags durch das Vollstreckungsgericht festgelegt wird (aA St/J/Würdinger § 850d Rz 48; Wieczorek/Schütze/Lüke § 850d Rz 56; Stöber/Rellermeyer Rz C.351).
Rn 44
Der Gläubiger muss sein tituliertes Vorrecht nachweisen. Hierfür gelten dieselben Grundsätze wie für die Vollstreckung eines Anspruchs aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung nach § 850f II (§ 850f Rn 37 ff; Hoffmann NJW 73, 1111, 1113; St/J/Würdinger § 850d Rz 41; ThoPu/Seiler § 850d Rz 2; aA Zö/Herget § 850d Rz 12). Wegen der Kompetenzverteilung zwischen Erkenntnis- und Vollstreckungsgericht muss sich die Bevorrechtigung aus einem Titel ergeben, der auf einer Schlüssigkeitsprüfung des Erkenntnisgerichts beruht (BGH NJW 13, 239 Rz 11 mAnm Ahrens; St/J/Würdinger § 850d Rz 41). Die Vorrangstellung des Gläubigers nach § 850d II iVm § 1609 BGB muss sich dagegen nicht aus dem Titel ergeben (BGH NJW 13, 239 Rz 12). Als qualifizierter Titel genügt ein Vollstreckungsbescheid nicht (BGH NJW 16, 1663; FamRZ 18, 132; St/J/Würdinger § 850d Rz 41; Benner NZFam 19, 845; nicht überzeugend anders LG Leipzig FamRZ 16, 74, für einen vom Sozialleistungsträger aufgrund übergegangener Unterhaltsansprüche nach § 7 UVG erwirkten Vollstreckungsbescheid). Infolge des zum 18.8.17 in Kraft getretenen § 7 V UVG ist eine Zwangsvollstreckung aus einem Vollstreckungsbescheid durch ein Land zulässig, wenn es zum Nachweis des übergegangenen Unterhaltsanspruchs dem Vollstreckungsantrag den Bescheid nach § 9 II UVG beifügt (LG Hannover FamRZ 18, 615). Das LG Dresden (BeckRS 17, 135336) verlangt, zusätzlich die Geburtsurkunde des Unterhaltsberechtigen oder ein anderes aussagekräftiges Dokument vorzulegen, um nachzuweisen, dass es sich bei dem Schuldner um den Unterhaltspflichtigen handelt. Für sonstige Titel gelten die gleichen Anforderungen, die an einen qualifizierten Titel iRd privilegierten Zwangsvollstreckung nach § 850f II gestellt werden. Geeignet sind danach Versäumnis- und Anerkenntnisbeschlüsse, welche die privilegierte Forderung feststellen, sowie gerichtliche Vergleiche, bei denen der Rechtsgrund als Unterhaltsforderung außer Streit gestellt ist. Vollstreckbare Auszüge aus der Insolvenztabelle, in denen Forderungen nach § 302 Nr 1 Alt 1 und 2 InsO wegen einer Verletzung der Unterhaltspflicht festgestellt und nicht bestritten sind, genügen ebenfalls. Zweifelhaft erscheint dies bei einer Urkunde des Jugendamts (aA Benner NZFam 19, 845). Weist der Titel die Bevorrechtigung nicht aus, kann der Gläubiger eine titelergänzende Feststellungsklage erheben. Diese Anforderungen weichen deutlich von der vielfach vertretenen Ansicht ab, wonach die Privilegierung auch auf andere Weise dargelegt und bewiesen werden kann, etwa durch Beiziehung der Verfahrensakten (Frankf JurBüro 80, 778, 780; MüKoZPO/Smid § 850d Rz 21).
Rn 45
Zusätzlich muss der Gläubiger die wesentlichen Umstände darlegen, nach denen der notwendige Unterhalt des Schuldners zu bemessen ist. Erforderlich sind Angaben zur Art der Tätigkeit des Schuldners, seinen Zahlungen und der Stellung der vorrangigen bzw gleichrangigen Unterhaltsberechtigten (Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Kessal-Wulf/Lorenz/Els § 850d Rz 19). Da die Pfändung an der Grenze zum Existenzminimum erfolgt, sind au...