I. Grundlagen.
Rn 35
Die Pfändungsschutzvorschriften der §§ 850 ff sind auf das in Geld zahlbare Arbeitseinkommen gerichtet, wie § 850 I, III, IV ausdrücklich belegt. Auf Naturalleistungen gerichtete Vergütungsbestandteile, wie die Überlassung einer Wohnung (Grote InsbürO 09, 236), eines auch privat nutzbaren Dienstwagens (BAG NZA 09, 861 Rz 15, 23; LAG Hessen NZI 09, 526; AG Coesfeld JurBüro 15, 383) oder Mobiltelefons, freier Verpflegung bzw verbilligter Sachleistungen, sind regelmäßig nach § 851 unpfändbar. Für diese Leistungen erspart der Schuldner Aufwendungen aus seinen unpfändbaren Einkünften. Deswegen wäre es unangemessen, die Sachbezüge bei der Einkommenspfändung unberücksichtigt zu lassen. Die Leistung muss durch den ArbG erfolgen. Zuwendungen eines Dritten, wie mietfreies Wohnen beim Lebenspartner oder Angehörigen (Frankf JurBüro 91, 723, 725), sind nicht nach § 850e Nr 3 zu berücksichtigen. Unerheblich ist dabei, ob die Naturalleistungen Bedürfnisse befriedigen, die unmittelbar bei der Berechnung der Pfändungsgrenzen zugrunde gelegt sind oder ob es sich um zusätzliche, möglicherweise sogar um Luxusbedürfnisse handelt.
Rn 36
[nicht besetzt]
II. Wertbemessung.
Rn 37
Anzusetzen ist regelmäßig der objektive Verkehrswert der Leistung am Erfüllungsort, also nicht der Wert der tatsächlichen Nutzung, doch muss dabei den Umständen des Einzelfalls angemessen Rechnung getragen werden. Bezieht der ArbN Sachleistungen zu vergünstigten Mitarbeiterkonditionen, ist deren Wert monatlich zu ermitteln und nachlaufend im Folgemonat als Sachbezug zu berücksichtigen. Die Privatnutzung eines Firmenfahrzeugs ist mit dem Betrag anzusetzen, den der Schuldner erspart, weil er von der Anschaffung und Unterhaltung eines eigenen, seinen ggf beengten Verhältnissen entspr Fahrzeugs absehen kann (Karls NJW-RR 06, 1585 [OLG Karlsruhe 02.08.2006 - 16 WF 80/06], zum Unterhaltsrecht).
Rn 38
Bewertungsrichtlinien der Verwaltung, etwa des Bundesministeriums der Verteidigung, können nur einen Anhaltspunkt geben, weil sie anderen als Vollstreckungszwecken dienen. Insbesondere ist deren Abwägung auf das Verhältnis zwischen dem Bürger und dem Staat und nicht zwischen Schuldner und Gläubiger ausgerichtet. Dies gilt auch für die auf § 17 I 1 Nr 4 SGB IV gestützte Sachbezugsverordnung, die zum 1.1.07 durch die Sozialversicherungsentgeltverordnung (SvEV) abgelöst wurde. Deren sozialversicherungsrechtliche Ausrichtung wird etwa bei der Bemessung eines nur mit außergewöhnlichen Schwierigkeiten feststellbaren Wohnwerts mit EUR 3,55 je Quadratmeter monatlich deutlich. Die Wertfestsetzungen nach § 8 II EStG und den Steuerrichtlinien können grds herangezogen werden. Dies gilt etwa bei der Bewertung eines Dienstfahrzeugs, das privat genutzt werden kann. Dieses ist mit 1 % des Anschaffungspreises zzgl der Kosten für Sonderausstattung einschließlich der Umsatzsteuer anzusetzen, §§ 8 II 2, 6 I Nr 4 S 2 EStG (BAG NZA 23, 1319; aA hier noch die 15. Aufl). Der nach § 8 II 3 EStG zu ermittelnde Zuschlag für die Nutzung des Fahrzeugs für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte (sog. 0,03%-Regelung) ist hingegen nicht zu berücksichtigen (BAG NZA 23, 1319 [BAG 31.05.2023 - 5 AZR 273/22]). Ein gewisser Abstand zu den steuerrechtlichen Regeln besteht auch insoweit. Auch der – steuerrechtlich privilegierte, § 3 Nr 37 EStG – Wert eines Jobrads ist zu berücksichtigen. Der Wert für freie Kost und Logis wurde mit EUR 419,– angesetzt(AG Cloppenburg JurBüro 12, 100), was inzwischen wesentlich zu gering ist.
Rn 39
Auf Strafgefangene kann § 850e Nr 3 nur dem Grundgedanken nach angewendet werden. Strafgefangene sind in einer JVA untergebracht und werden dort versorgt, was bei ihren Bezügen (Einzelheiten dazu bei § 850 Rn 24) zu berücksichtigen ist. Deswegen finden auf ihr Eigengeld weder die Pfändungsgrenzen des § 850c noch der Pfändungsschutz aus § 850k unmittelbare oder analoge Anwendung (BGH NJW 04, 3714, 3715 f [BGH 16.07.2004 - IXa ZB 287/03]).
III. Zusammenrechnung und Pfändungsschutz.
Rn 39a
Nach der Wertfeststellung muss die Zusammenrechnung mit dem in Geld ausgezahlten Arbeitslohn erfolgen. Diese obliegt dem Drittschuldner, der dazu auch den Wert der Naturalleistung ermitteln muss (LAG Hessen NZI 09, 526). Aus praktischen Gründen mag es angezeigt sein, wenn sich ArbG und Gläubiger über den Betrag einigen. Bindungswirkung entfaltet eine solche Abrede jedoch nicht. Eine gerichtliche Anordnung ist nicht vorgesehen. Eine Klärung kann allein im Einziehungsprozess erfolgen (BGH ZInsO 12, 98 Rz 7). Die Naturalleistungen sind zunächst auf die unpfändbaren Bezüge anzurechnen. Der nach § 107 II 5 GewO (Truckverbot) zwingende Pfändungsschutz aus § 850c ist dabei zu beachten. Danach darf der Wert der vereinbarten Sachbezüge gem § 107 II 5 GewO die Höhe des pfändbaren Teils des Arbeitsentgelts nicht übersteigen (BAG NZA 09, 861 [BAG 24.03.2009 - 9 AZR 733/07]; 23, 1319 [BAG 31.05.2023 - 5 AZR 273/22]).IV. Mehrere ArbG.
Rn 40
Bezieht der Schuldner von mehreren ArbG Einkünfte, die Naturalleistungen umfassen, muss jeder Drittschuldner deren Wert berechnen...