Rn 20
Angelehnt an die Sittenwidrigkeitsprüfung (dazu BAG NZA 06, 1354, 1356 [BAG 26.04.2006 - 5 AZR 549/05]; PWW/Ahrens § 138 Rz 54) vermittelt die Grenze von 75 % des üblichen Verdienstes eine wichtige Orientierung. Je deutlicher dieser Betrag unterschritten ist, desto weniger zusätzliche Hinweise werden für eine unverhältnismäßig niedrige Vergütung erforderlich sein. Umgekehrt werden, je höher die Zahlung ist, desto mehr zusätzliche Anzeichen benötigt.
Rn 21
Abzustellen ist auf die vom Schuldner ohne die Pfändung sinnvollerweise gewählte Steuerklasse (BAG NJW 08, 2606 LS 3; AG Hagen JurBüro 16, 550). Ein sachlicher Grund für die Wahl besteht bei der Steuerklasse, die aufgrund der familiären Einkommenssituation unter Berücksichtigung der Steuerlast des Partners gewählt wäre (BGH NJW-RR 06, 569; LG Ddorf JurBüro 17, 102; enger AG Aurich JurBüro 09, 47; LG Ansbach JurBüro 10, 50). Eine schon lange vor der Pfändung aus völlig anderen Gründen gewählte Steuerklasse, die ex post gesehen den Gläubiger benachteiligt, ist nicht unangemessen (LG Osnabrück NJW-RR 00, 1216). Hat der Schuldner vor der Pfändung nachweislich eine ungünstigere Steuerklasse gewählt, muss zusätzlich eine Gläubigerbenachteiligungsabsicht vorliegen. Dann ist er schon im Jahre der Pfändung so zu behandeln, als sei sein Arbeitseinkommen gem der günstigeren Steuerklasse zu versteuern (BGH NJW-RR 06, 569 Rz 13; Pape NWB 20, 2756; krit Zö/Herget § 850e Rz 1b). Diese von § 850e Nr 1 abweichende Berechnung ggü dem Schuldner ist dem Drittschuldner mitzuteilen. Für die Beurteilung der Gläubigerbenachteiligungsabsicht des Schuldners sind alle maßgeblichen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, also insb die Höhe der Einkommen beider Ehegatten, Kenntnis des Schuldners von der Höhe seiner Verschuldung und einer drohenden Zwangsvollstreckung, Abgabe der eidesstattlichen Versicherung etc. Wesentlich ist auch, wann erstmals die ungünstige Steuerklasse gewählt worden ist und ob dies im Zusammenhang mit der Verschuldung und Zwangsvollstreckung geschehen ist. Versteuert der Schuldner sein Einkommen nach Steuerklasse IV, obwohl es mehr als 10 % über dem Einkommen des Ehegatten liegt, soll eine Gläubigerbenachteiligung vorliegen (AG Wuppertal JurBüro 22, 668). Nach einer Heirat ist ein Wechsel des Schuldners aus der Steuerklasse I in die Steuerklasse V sachlich gerechtfertigt, wenn dadurch die Steuerlast der Ehegatten EUR 2.401,24 statt EUR 2.642,58 beträgt (LG Dortmund NZI 10, 581, 582 [LG Dortmund 23.03.2010 - 9 T 106/10]). Für die Benachteiligungsabsicht spricht, wenn der Schuldner im auf die Trennung folgenden Veranlagungszeitraum die Steuerklasse V beibehält, obwohl nach § 38b EStG Steuerklasse I gilt (AG Wuppertal JurBüro 13, 106). Gibt ein Schuldner keine Auskunft über diesen Zeitpunkt, kann auch dies ein Indiz zu seinen Lasten sein (BGH NJW-RR 06, 569 [BGH 04.10.2005 - VII ZB 26/05] Rz 14). Wechselt der Schuldner nach der Pfändung in eine ungünstigere Steuerklasse oder behält er diese für das folgende Kalenderjahr bei, so gilt dies ohne Gläubigerbenachteiligungsabsicht schon dann, wenn für die Wahl objektiv kein sachlich rechtfertigender Grund gegeben ist (BAG NJW 08, 2606 Rz 25; AG Tostedt JurBüro 13, 656, bei Wechsel im laufenden Vollstreckungsverfahren vor der Pfändung; AG Neustadt a.R. JurBüro 20, 446; AG Halle JurBüro 20, 499). Unbeachtlich ist, ob der Ehepartner einer Änderung der Steuerklasse widerspricht (LG Lüneburg JurBüro 09, 211, 212). Nicht erheblich ist, ob der Schuldner es unterlassen hat, einen nach § 39a EStG zulässigen steuerlichen Freibetrag auf der Steuerkarte eintragen zu lassen, da die Überzahlung nach der Veranlagung zurückgezahlt wird (LG Detmold Rpfleger 02, 630, 631 [BayObLG 17.07.2002 - 1 Z AR 74/02]) und dann pfändbar ist.
Rn 22
Orientierungsgrößen für das nach der Art der Tätigkeit üblicherweise geschuldete Entgelt bieten die Tariflöhne (BAG AP Nr 10 zu § 850h) bzw die § 612 II BGB entspr übliche Vergütung. Zu berücksichtigen sind etwa Position, Qualifikation und berufliche Erfahrung des Schuldners sowie der zeitliche Umfang der Tätigkeit (vgl BAG NJW 08, 2606 [BAG 23.04.2008 - 10 AZR 168/07] Rz 20). Unentgeltliche Mehrarbeit und die unterlassene Aufzeichnung der Arbeitsstunden deutet noch nicht auf eine Lohnverschleierung hin (vgl BFH DStR 13, 2261 [BFH 17.07.2013 - X R 31/12], Rz 29, zur steuerrechtlichen Problematik).
Rn 23
Verwandtschaftliche oder sonstige Beziehungen können, wie sich aus Abs 2 S 2 ergibt, auf die Höhe der Vergütung Einfluss gewinnen (BAG NJW 78, 343). Arbeitet ein Angehöriger aus familiärer Rücksichtnahme preiswerter, wird dieser Vorteil nicht vollständig beseitigt (Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Kessal-Wulf/Lorenz/Els § 850h Rz 10). Die Beschäftigung bei nahestehenden Personen, zur insolvenzrechtlichen Begriffsbestimmung § 138 InsO, verstärkt nicht die Verdachtsmomente auf verschleiertes Arbeitseinkommen (so aber Schmidt JurBüro 10, 4, 5), sondern wird sie oft abschwächen. Zu beachten ist auch, ob sons...