Rn 1
Mit dem Gesetz zur Reform des Kontopfändungsschutzes vom 7.7.09 (BGBl I, 1707) sind zum 1.7.10 die frühere engere Fassung von Abs 1 neu gefasst und Abs 2 aufgehoben worden. Aus den früheren Abs 3 und 4 wurden die Abs 2 und 3. § 850i I enthält Auffangnormen über den Pfändungsschutz für nicht wiederkehrende Vergütungsansprüche des Schuldners und sonstige Einkünfte, die kein Arbeitseinkommen iSv § 850 II darstellen, aber insgesamt in vergleichbarer Weise den Lebensunterhalt des Schuldners sichern (St/J/Würdinger § 850i Rz 1; Ahrens NJW-Spezial 11, 341 aA Stöber/Rellermeyer Rz C.515).
Rn 2
Mit ihren Strukturelementen sind die Vorschriften zur Einkommenspfändung der §§ 850–850h auf wiederkehrende Leistungen ausgerichtet, die eine weithin gesetzlich vertypte und damit effiziente Verfahrensgestaltung ermöglichen. Einmaligen Bezügen fehlen dagegen vergleichbare Grundmuster, die normativ zu einer abstrakt-generellen Regelung mit einem Konditionalprogramm verdichtet sind. Abs 1 formuliert deswegen ein gesetzliches Leitbild und die Orientierungsmuster für den Pfändungsschutz einmaliger Leistungen. Sein Modell ist an den Grundgedanken der Einkommenspfändung nach den §§ 850a – 850h ausgerichtet. Diese systematisierenden Vorgaben muss das Vollstreckungsgericht wertend ausfüllen. Funktional bildet § 850i I den Kristallisationspunkt für den Pfändungsschutz bei Ansprüchen aus selbständiger Tätigkeit (BGH NJW-RR 04, 644 [BGH 12.12.2003 - IXa ZB 165/03]; NJW 03, 2167, 2170). Gerade deswegen kommt es hier auf die wertende Parallele zur Pfändung des Arbeitseinkommens an.
Rn 3
Die neue Regelung in § 850i I erfüllt mehrere zentrale Aufgaben. Vollstreckungsrechtlich wird ein autonomer Begriff der Einkünfte gebildet (Gottwald/Mock § 850i Rz 3). Der Ausdruck Einkünfte ist ein Oberbegriff, der auch die in der ersten Regelungsalternative aufgeführten nicht wiederkehrend zahlbaren Vergütungen für persönlich geleistete Arbeiten und Dienste sowie sonstige Einkünfte einschließt. Die Regelung ist vorrangig, aber nicht ausschließlich, auf Selbständige bezogen (Rn 6 ff). Infolgedessen ist nunmehr für alle selbst erzielten, eigenständig erwirtschafteten Einkünfte nicht abhängig beschäftigter Personen Pfändungsschutz möglich (BTDrs 16/7615, 18; Rn 19). Damit wird im Ausgangspunkt ein verfassungsrechtliches Gebot eingelöst, denn das unverfügbare Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums muss für jeden Einzelnen gesichert sein (BVerfG NJW 10, 505 Rz 133). Zudem wird ebenso die Gleichbehandlung und Aktivierung jeglicher den Lebensunterhalt sichernder gewinnbringender Tätigkeit ermöglicht.
Rn 4
Zusätzlich ist ein eigenes Schutzniveau geschaffen, das in einer mehrfachen Referenz zunächst an den Pfändungsschutz für Arbeitseinkommen, Abs 1 S 1 letzter Hs, und sodann an die sonstigen wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners angebunden wird, Abs 1 S 2. Dadurch soll die vollstreckungsrechtliche Ungleichbehandlung zwischen abhängig beschäftigten und selbständig erwerbstätigen Schuldnern beseitigt werden (BGH NZI 14, 773 [BGH 26.06.2014 - IX ZB 87/13] Rz 11). Kontrastiert wird der Pfändungsschutz des zumeist selbständig erwerbstätigen Schuldners durch etwaige überwiegende Belange des Gläubigers, Abs 1 S 3. Dadurch werden Elemente einer Interessenabwägung in das Schutzprogramm eingebunden.
Rn 5
In seiner doppelten Anbindung an einen konkreten Forderungsschutz und die sonstigen wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners stimmt das neue gesetzliche Modell mit der gesetzlichen Regelung in § 850i aF überein. Allerdings ist das Schutzniveau verbreitert und erhöht. Eingeschlossen sind künftig mehr Einkünfte als bislang. Va aber ist der Pfändungsschutz nicht mehr vorrangig am notwendigen Unterhalt, sondern an den allg Vorschriften über die Pfändung von Arbeitseinkommen orientiert. Einkünfte iSd § 850i werden dadurch besser geschützt. Ziel ist eine stärkere Harmonisierung des Pfändungsschutzes.
Rn 6
In den ergänzenden Regelungen von § 850i wird der Anwendungsbereich erweitert und es werden Konkurrenzfragen geklärt. Abs 2 klärt das Verhältnis zum Heimarbeitsrecht und Abs 3 bestimmt über den Pfändungsschutz bei Versicherungs- und Versorgungsverträgen. Im Zwangsverwaltungsverfahren ist mangels einer Pfändung § 850i unanwendbar (BGH NZM 20, 65 [BGH 10.10.2019 - V ZB 154/18]).