I. Persönlicher Anwendungsbereich.
Rn 7
§ 850i I 1 schafft in beiden Regelungsalternativen Schutzbestimmungen für alle natürlichen Personen aus jeglichen Berufsgruppen. Die zentrale Zielsetzung der Regelung, den Pfändungsschutz Selbständiger zu verbessern, schließt den gleichwertigen Schutz anderer Personengruppen nicht aus. Es wäre verfehlt, die Regelung über nicht wiederkehrend gezahlte Vergütungen für persönliche Arbeiten oder Dienste aus § 850i I 1 Alt 1 va auf abhängig Beschäftigte und § 850i I 1 Alt 2 über die sonstigen Einkünfte primär auf Selbständige zu beziehen. Über die Zuordnung zu den Regelungsalternativen entscheidet die Art der Forderungen, denn auch ein ArbN kann bspw über sonstige Einkünfte verfügen (Ahrens ZInsO 10, 2357, 2359).
Rn 8
Vom persönlichen Anwendungsbereich der Bestimmung werden also sämtliche ArbN, einschl der geringfügig oder Teilzeitbeschäftigten, die in wirtschaftlicher Abhängigkeit tätigen arbeitnehmerähnlichen Personen und die Selbständigen erfasst. Geschützt werden deswegen die Ansprüche der selbständig Tätigen und hier insb die der Freiberufler, deren Dienste persönlich erbracht werden. Erfasst werden Vergütungsansprüche etwa der Ärzte (BGH NJW 08, 227 [BGH 31.10.2007 - XII ZR 112/05] Rz 26), Zahnärzte, Tierärzte, Hebammen, Krankengymnasten, Rechtsanwälte, Notare, Architekten (BGH NJW-RR 09, 410 [BGH 24.07.2008 - VII ZB 34/08] Rz 9), Maler, Komponisten, Schriftsteller und Erfinder (ausdrücklich zu diesen Berufsgruppen BGH NJW-RR 04, 644, 645). Gleiches gilt auch für Therapeuten, Psychologen (NJW 03, 2167, 2170), Insolvenz- und Zwangsverwalter, Mitglieder von Aufsichtsräten und Gläubigerausschüssen, Steuerberater (BGHZ 141, 173, 176) und Wirtschaftsprüfer sowie freiberuflich tätige Mitarbeiter der Medien.
Rn 9
§ 850i bildet keine Spezialnorm für freiberuflich Tätige und schließt deswegen auch die Ansprüche gewerblich tätiger Selbständiger ein. Unter dem Schutz von § 850i stehen daher auch die Ansprüche selbständiger Handelsvertreter und Makler, aber etwa auch eines Elektroinstallateurs, der als selbständiger Subunternehmer im Einmannbetrieb auf einer Baustelle tätig wird und nicht wiederkehrende Einkünfte bezieht.
Rn 10
Nicht geschützt werden die Einnahmen juristischer Personen. Ist die Schuldnerin eine juristische Person, kann ihr kein Vollstreckungsschutz nach § 850i gewährt werden. Davon zu unterscheiden sind die Konstellationen, in denen eine natürliche Person einen Gewinnanspruch aus ihrem Geschäftsanteil an einer Gesellschaft besitzt. Hier ist der persönliche Anwendungsbereich eröffnet und Pfändungsschutz nach § 850i zu gewähren (Ahrens ZInsO 10, 2357, 2359).
II. Nicht wiederkehrend zahlbare Vergütungen für persönliche Arbeiten und Dienste.
1. Persönlich geleistete Arbeiten oder Dienste.
Rn 11
Der sachliche Anwendungsbereich der ersten Alternative erfasst das Einkommen des Schuldners, welches dieser durch den Einsatz seiner Arbeitskraft erzielt. Die Regelung schützt den Schuldner bei nicht wiederkehrend zahlbaren Vergütungen für persönlich geleistete Arbeiten oder Dienste. Diese Formulierung entspricht der bisherigen Regelung in § 850 I 1 aF. Einbezogen werden die nicht kontinuierlich gezahlten Einkünfte von ArbN und Selbständigen. Auseinandersetzungen darüber, welche Vergütungen unter den Tatbestand dieser Regelung fallen, werden künftig an Bedeutung verlieren, da sie jedenfalls von § 850 I 1 Alt 2 erfasst werden. Auch dadurch wird sich langfristig der Anwendungsschwerpunkt auf die zweite Alternative verlagern.
Rn 12
Trotz des übereinstimmenden Gesetzeswortlauts wird es ggü der alten Regelung zu manchen Verschiebungen im Normgefüge kommen. Mit dem neuen Doppeltatbestand in § 850i I 1 wird ein Vollstreckungsschutz für sämtliche Arten von Einkünften eingeführt, die keinem besonders geregelten Pfändungsschutz unterliegen. Dieser Aufgabenbestimmung ist auch durch eine erweiterte Interpretation von § 850i I 1 Alt 1 Rechnung zu tragen. Um einen vollständigen Schutz zu erreichen, ohne den Vollstreckungsschutz für die sonstigen Einkünfte systematisch unpassend anwenden zu müssen, ist der Gegenstandsbereich der nicht wiederkehrenden Vergütungen für persönliche Arbeiten oder Dienste zu erweitern (Ahrens ZInsO 10, 2357, 2359). Während früher die Tätigkeit einen nicht unerheblichen Teil der Arbeitskraft in Anspruch nehmen musste (so BGH NJW-RR 04, 644 [BGH 12.12.2003 - IXa ZB 165/03] zu § 850i I aF; zur früheren Rechtslage MüKoZPO/Smid § 850i Rz 9; PG/Ahrens 2. Aufl, § 850i Rz 4), wird von der Neuregelung jegliche nicht wiederkehrend zahlbare Vergütung für persönliche Arbeiten und Dienste erfasst. Da die sonstigen Einkünfte im Rahmen der Auffangregelung der Alt 2 weit zu verstehen sind (Rn 19), müssten sie die Einkünfte aus geringfügigen Tätigkeiten umfassen. Dann ist es aber systematisch angezeigt, sie unter Alt 1 zu fassen. Dies schließt nunmehr auch geringfügige Tätigkeiten ein, die nur unwesentliche Teile zur Sicherung der Lebensgrundlagen beitragen. Im Unterschied zu früher (dazu BGH 10.7.08 – IX ZB 116/07 nv) besteht jetzt auch Pfändungsschutz bei einer nicht wiederkehrenden Vergütung für Dienste, die der vollbeschäftigte Schuldner in seiner...