Rn 31
Grund der Sonderbehandlung nicht wiederkehrend zahlbarer Vergütungen für persönlich geleistete Arbeiten oder Dienste ist ihr abweichender Zahlungsmodus, der einer Gleichstellung mit dem laufenden Arbeitseinkommen Grenzen setzt. In ähnlicher Weise gilt dies auch für sonstige Einkünfte, etwa aus Vermögen, wenn zB Dividenden in anderen Rhythmen als Arbeitseinkommen gezahlt werden. Um eine Vergleichsgröße zu ermitteln, müssen Einmalzahlungen oder langfristige Leistungen in laufende Zahlungsperioden umgerechnet werden (Ahrens ZInsO 10, 2357, 2361). Hierbei ist die Art der Einkünfte zu berücksichtigen (Pape FS Vallender, 383, 386). Dadurch ist ein fiktives Gesamteinkommen zu bilden (LG Essen ZVI 11, 379, 380; Gottwald/Mock § 850i Rz 17).
Rn 32
Von den Einkünften ist dem Schuldner während eines angemessenen Zeitraums so viel zu belassen, wie ihm nach freier Schätzung des Gerichts verbliebe, wenn sein Einkommen aus laufendem Arbeits- oder Dienstlohn bestünde. Den angemessenen Zeitraum bestimmt das Gericht unter Würdigung der Umstände des Einzelfalls nach freiem Ermessen (LG Dortmund NZI 21, 687). Unklar ist, ob auf den Verdienst- oder den Verbrauchszeitraum abzustellen ist. Die entspr anzuwendende Bestimmung des § 850 I 1 verweist allerdings auf den Zeitraum, für den das Arbeitseinkommen gezahlt wird, also den Verdienstzeitraum. Eine alleinige Orientierung daran ist aber nicht möglich, wie Abfindungen belegen, wegen des unbestimmten Rechtsbegriffs aber auch nicht nötig. Mit dem angemessenen Zeitraum ist zunächst die Zeitspanne der Arbeitsleistung ggf aber auch bis zur nächsten fallweisen Zahlung gemeint (LG Essen ZVI 11, 379, 380; Gottwald/Mock § 850i Rz 17. Für große Projekte, etwa eines Architekten oder bei Publikationen, können mehrmonatige, jährige oder sogar überjährige Perioden anzusetzen sein. Dies gilt insb auch für Abfindungen, bei denen anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls auf eine voraussichtliche Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit abzustellen ist (LG Essen ZVI 11, 379, 380; LG Wuppertal JurBüro 19, 267), also va, ob und wann der Schuldner wieder mit Einkünften rechnen kann. Bei einem arbeitslosen Schuldner ist auf den Zeitraum abzustellen, den dieser voraussichtlich benötigt, um bei den gebotenen eigenen Bemühungen einen neuen Arbeitsplatz zu erhalten (LG Dortmund NZI 21, 687 [LG Dortmund 18.01.2021 - 9 T 461/20]; s.a. LG Nürnberg-Fürth NZI 24, 63 [LG Nürnberg 11.10.2023 - 5 T 5670/23]). Soweit der Schuldner keine anderen Einkünfte bezieht, ist der maßgebende unpfändbare Betrag anhand seines früheren unpfändbaren Einkommens zu bestimmen. Noch nicht beantwortet ist damit, ob dieser Maßstab auch dann heranzuziehen ist, wenn der Schuldner zwischenzeitlich ein anderes Einkommen erzielt. Insoweit ist zu überlegen, ob bei einer Abfindung aus einem Kündigungsschutzprozess und einem anschließenden neuen Arbeitsverhältnis allein der für die nunmehr laufenden Einkünfte zu bemessende Pfändungsschutz besteht. Dann entfiele allerdings zwangsläufig jeder weitergehende Pfändungsschutz für die Abfindung. Alternativ ist zu erwägen, ob der Pfändungsschutz auch an der Höhe der früheren Einkünfte zu bemessen sein kann. Systematisch ist deswegen zu bestimmen, ob § 850i I 1 einen Bestandsschutz oder einen Situationsschutz beinhaltet. Bezieht der Schuldner nach einer Abfindungszahlung keine anderen Einkünfte, generiert die Pfändungsschutzvorschrift wegen des Bezugs auf das frühere Einkommen einen Bestandsschutz. Wie verhält es sich aber, wenn die Abfindung mit eigenen Einkünften des Schuldners konkurriert. Soweit bei neu begründeten laufenden Einkünften ein Wechsel von dem Bestandsschutz zu der nunmehrigen Höhe des Pfändungsschutzes, also zu einem Situationsschutz, erfolgen soll, bedarf es dafür eines legitimierenden Grundes (Ahrens NZI 23, 675). Bei der Zahlung aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung kann ein Zeitraum von zehn Monaten mit einer mtl Leistung von 1.000,- EUR angemessen sein (LG Berlin NZI 22, 275). Die Abfindung nach den §§ 9, 10 KSchG einer 53-jährigen Schuldnerin kann auf 12 Monate zu verteilen sein (LG Bochum ZInsO 10, 1801, 1802; AG Dortmund, NZI 21, 585, bei Erkrankung, sonst sechs Monate; LG Münster BeckRS 11, 27895, sechs Monate). Bei einer Sozialplanabfindung für einen 60-jährigen Schuldner in schlechtem gesundheitlichen Zustand kann eine Frist von achtzehn Monaten (LG Bamberg Rpfleger 09, 327, 328 [LG Bamberg 27.01.2009 - 3 T 164/08]) und sogar sechzig Monaten (LG Essen Rpfleger 98, 297) angemessen sein. Für einen über 50-jährigen Schuldner ohne erlernten Beruf mit gesundheitlichen Einschränkungen kommt eine mehr als zweijährige Frist sowie eine mehrfache Anordnung in Betracht, damit der Schuldner nicht auf einen Leistungsbezug des ALG II angewiesen ist (AG Münster NZI 17, 357 [AG Münster 07.02.2017 - 73 IK 105/10] = VIA 17, 46 mit zust Anm Schmerbach). Oft werden aber kürzere, etwa monatliche Zeitabschnitte festzusetzen sein. Ausschlaggebend ist aber nicht allein eine Kalenderblattzählu...