1. Erwerbseinkommen.
Rn 36
Bislang wurden für sämtliche selbst erwirtschafteten Einkünfte die Pfändungsschutzregeln für das Arbeitseinkommen grds einheitlich angewendet. Inzwischen differenziert der IX. Zivilsenat des BGH jedoch zwischen Erwerbseinkommen und sonstigen selbst erwirtschafteten Einkünften (BGH NZI 16, 457 [BGH 07.04.2016 - IX ZB 69/15]; im Einzelnen Rn 42). In der Konsequenz dieser Entscheidung gelten die Pfändungsschutzvorschriften für das Arbeitseinkommen und damit die nachfolgenden Ausführungen nur noch für das Erwerbseinkommen. Soweit diese Entscheidung abgelehnt wird, bleibt es bei der Anwendung auf sämtliche Einkünfte aus dem sachlichen Anwendungsbereich von § 850i.
Rn 37
Die Höhe des unpfändbaren Betrags ist – nach der neueren Ansicht des BGH beim Erwerbseinkommen – anhand der Pfändungsregeln für das Arbeitseinkommen zu bemessen (St/J/Würdinger § 850i Rz 13). Unerheblich ist dabei, ob es sich um Arbeitseinkommen iSd § 850 handelt, denn es gilt für alle Einkünfte ein einheitlicher Maßstab. Hierdurch wird ein sachgerechter Anreiz gesetzt, um den Schuldner dazu anzuhalten, seinen Lebensunterhalt selbst zu erwirtschaften. Dies erfordert einen deutlichen Abstand zu den sozialrechtlichen Sicherungen des Existenzminimums (vgl die Stellungnahme der Bundesregierung zum GneuMoP BTDrs 17/2167, 28). Zugleich liegt hierin ein wesentlicher Schritt zur Vereinheitlichung der Vollstreckungsschutzregeln begründet, denn der unpfändbare Betrag ist nicht mehr auf den notwendigen Unterhalt des Schuldners und seiner Angehörigen begrenzt. Damit wird die Stellung des selbständigen Schuldners der des nicht selbständigen angenähert. Obwohl sich die sprachliche Fassung zur freien Schätzung durch das Gericht auch auf die Pfändungsschutzregeln für das Arbeitseinkommen bezieht, liegen hier doch exakte Anwendungsregeln vor. Diese begrenzen das gerichtliche Ermessen an diesem Punkt auf den gesetzlichen Pfändungsschutz. Bei Anwendung der Pfändungstabelle ist das Ermessen auf Null reduziert.
Rn 38
Dem Schuldner ist so viel zu belassen, wie ihm verbliebe, wenn sein Einkommen aus laufendem Arbeits- oder Dienstlohn bestünde. Damit wird die Pfändungsbeschränkung an den §§ 850 ff ausgerichtet (BGH NZI 14, 773 Rz 7; LG Bochum ZInsO 10, 1801, 1802; Gottwald/Mock § 850i Rz 15). Es genügt nicht, dass der Schuldner ALG erhalten hat, da dies nicht dem Maßstab des Arbeitseinkommens entspricht (aA AG Remscheid JurBüro 17, 45). Ebenso wenig ist eine Beschränkung auf den notwendigen Unterhalt zulässig (LG Wuppertal JurBüro 19, 267), vielmehr ist dem Schuldner dann von einer Abfindung so viel zu belassen, wie bei einem laufenden Einkommen unpfändbar wäre (AG Dortmund JurBüro 17, 158). Aus sämtlichen Einkünften des Schuldners, einschließlich der nicht wiederkehrenden Einkommensteile, ist ein fiktives Gesamteinkommen zu berechnen (LG Wuppertal JurBüro 19, 267). Auch § 850a (BGH NZI 14, 773 Rz 7; St/J/Würdinger § 850i Rz 15; Gottwald/Mock § 850i Rz 15) und § 850b sind demnach grds anwendbar. Bei einem Selbständigen liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 850a Nr 1 regelmäßig nicht vor, weil dessen Arbeitszeit weder durch Tarifvertrag, Arbeitsvertrag, Dienstordnung noch in sonstiger Weise geregelt ist, weswegen sich ein Umfang der Mehrarbeit nicht bestimmen lässt. Dennoch ist der Regelungsgedanke grds anwendbar, wenn das Einkommen eines nicht mehr erwerbspflichtigen Schuldners etwa durch Renten gesichert ist und er zusätzlich selbständig erwerbstätig ist (BGH NZI 14, 773 [BGH 26.06.2014 - IX ZB 87/13] Rz 9 f; Kohte VuR 14, 367, 369). Werbungskosten sind nach dem Gedanken aus § 850a Nr 3 zu berücksichtigen (BGH NJW 03, 2167, 2170). Blindenzulagen gem § 850a Nr 8 sind deswegen unpfändbar. Eine exakte Berechnung der für Mehrarbeit erlangten Teile des Einkommens scheidet zwar aus, doch ist die Einsatzbereitschaft iRd sonstigen Abwägung zu berücksichtigen. Für besonders hohen Arbeitseinsatz kann dem Schuldner ein höherer Anteil seines Einkommens belassen werden, denn es ist auch im Interesse des Gläubigers, diese Motivation zu erhalten. Bedingt pfändbare Bezüge gem § 850b bleiben unpfändbar, es sei denn, es ist eine andere Entscheidung gem § 850b II zu treffen.
Rn 39
Abgesehen von den Korrekturen aufgrund der sonstigen wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners und überwiegender Belange des Gläubigers, ist der Pfändungsschutz nach den Pfändungsgrenzen gem § 850c zu bestimmen (LG Essen ZVI 11, 379, 380). Für den Pfändungsfreibetrag sind dabei der Grundfreibetrag nach § 850c I 1, der erhöhte Freibetrag bei Unterhaltspflichten gem § 850c I 2 sowie der erhöhte Freibetrag bei Mehrverdienst gem § 850c II, III zu berücksichtigen. Ebenso gilt die Dynamisierung gem § 850c IIa. Es gelten daher die Ausführungen zu § 850c. Decken diese Beträge nicht den notwendigen Unterhalt, kann der Schuldner eine Erhöhung gem § 850f I beantragen (Zö/Herget § 850i Rz 2). Anwaltskosten zur Geltendmachung eines Abfindungsanspruchs sind nicht zu berücksichtigen (LG Kiel ZVI 17, 232).
Rn...