a) Zulässigkeit.
Rn 94
Auf Antrag kann das Vollstreckungsgericht den pfändungsfreien Betrag gem Abs 4 abw von Abs 1, Abs 2 Nr 1, Abs 3 wie bei einer Pfändung von Arbeitseinkommen oder anderen Forderungspfändungen festsetzen. Soweit rechtliche Wertungen zu treffen sind, müssen diese der Justiz vorbehalten bleiben. Möglich bleibt eine Einzelfallbetrachtung (Kreft FS Schlick, 247, 251), aber nur dort wo die Interessen von Gläubiger und Schuldner nicht typisiert betrachtet werden können (BTDrs 16/12714 S 17). Der dabei auszuübende Ermessensumfang entspricht dem der anzuwendenden Pfändungsschutzbestimmungen, wie aus der in Abs 4 S 2 angeordneten entspr Anwendung der Pfändungsschutzvorschriften folgt. Eine Abweichung ist zulässig, soweit sie von den besonderen Umständen des Pfändungsschutzkontos gefordert ist, etwa beim Erlass eines Blankettbeschlusses. Bei Gutschriften aufgrund eines Arbeitseinkommens in unterschiedlicher Höhe ohne Pfändung an der Quelle solle eine Bemessung am oberen Bereich des Mehrverdiensts zulässig sein, da eine Pfändung an der Quelle möglich bleibt (AG Norderstedt BeckRS 21, 34723). Unzulässig ist eine gerichtliche Entscheidung, die von der Bestimmung des Aufstockungsbetrags nach Abs 2 Nr 2 und 3 durch den Drittschuldner oder das Vollstreckungsgericht im Verfahren nach Abs 5 S 4 abweichen soll. Bei dieser Anordnung sind die Belange des prioritär vollstreckenden Gläubigers zu berücksichtigen. Andere Vollstreckungsgläubiger sind aufgrund des Prioritätsprinzips jedenfalls zunächst nicht einzubeziehen (anders Wieczorek/Schütze/Lüke § 850k Rz 20). Antragsbefugt sind die gleichen Personen, die nach den jeweiligen Verfahrensregeln berechtigt sind. § 850k IV 2 listet die Gründe auf, aus denen eine Abänderung verlangt werden kann. Die Entscheidung hat grds auch das Finanzamt, § 319 AO (LG Mönchengladbach VuR 14, 271 [LG Mönchengladbach 30.03.2012 - 5 T 65/12]), wobei sich das Rechtsbehelfsverfahren nach den Vorschriften der AO richtet, nicht aber ein Sozialleistungsträger zu treffen, § 54 IV SGB I. Bei einem negativen Kompetenzkonflikt kommt eine Zuständigkeitsbestimmung analog § 17a II GVG (vgl BGH NJW 02, 2474, 2475 [BGH 09.04.2002 - X ARZ 24/02]) und sonst entspr § 36 I Nr 6 (vgl BGH NJW 01, 3631, 3632) in Betracht. Bei einem irrtümlich auf dem Pfändungsschutzkonto eingegangenen Betrag kann das Vollstreckungsgericht nicht anordnen, die Gutschrift an den Anweisenden zurückzuerstatten (AG Solingen JurBüro 21, 386).
b) Änderungsgründe.
Rn 95
Von der Frage, ob § 765a durch den Kontopfändungsschutz verdrängt wird, ist zu unterscheiden, ob auf einem bestehenden Pfändungsschutzkonto ein Schutz nach § 765a gewährt werden kann. Ausdrücklich ist diese Bestimmung in § 850k IV 2 nicht erwähnt. Wegen ihrer grundlegenden Bedeutung wird aber eine entsprechende Anwendbarkeit zu bejahen sein. Dies geht allerdings nicht, um einen Lottogewinn pfändungsfrei stellen zu lassen (LG Flensburg JurBüro 21, 330). Der Schuldner kann beantragen, die nach § 850a unpfändbaren Beträge pfändungsfrei zu stellen. Dies gilt etwa für das Urlaubs- oder Weihnachtsgeld nach Nr 2 und Nr 4 (BGH NJW 12, 79 [BGH 10.11.2011 - VII ZB 64/10] Rz 8). Von den Maßstäben aus § 850a Nr 4 weicht es ab, wenn eine Jahressonderzahlung des ArbG zum Jahresende, die sowohl von Arbeitgeber und Arbeitnehmer als auch im Allgemeinen als Weihnachtsgeld angesehen wird, dem Schuldner auf Antrag zusätzlich zu seinem monatlichen Freibetrag bis zur Höhe von max. 500,– EUR pfandfrei gestellt werden können soll, obwohl sie weder in der Verdienstbescheinigung noch im Tarifvertrag als Weihnachtsgeld bezeichnet wird (so aber AG Zeitz Rpfleger 21, 372 [AG Zeitz 29.12.2020 - 5 M 195/06]). Das nach § 39 SGB VIII gezahlte Pflegegeld ist gem § 850a Nr 6 wie Erziehungsgeld unpfändbar (LG Essen VuR 17, 155 [OLG München 22.09.2016 - 29 U 2498/16]; AG Konstanz VuR 18, 75; zur Nachzahlung Rn 53).
Rn 96
Erstattungen privater Krankenversicherungen sind gem § 850b I Nr 4 unpfändbar (§ 850b Rn 19), weswegen eine Erhöhung des Pfändungsfreibetrags beantragt werden kann (LG Berlin VuR 18, 118, stellt auf § 765a ab; nach AG Reutlingen JurBüro 15, 385, besteht kein Erhöhungsgrund bei Anlasspfändung wegen Medikamentenlieferung). Lottogewinne begründen kein Recht auf Erhöhung des Betrags (LG Flensburg JurBüro 21, 330). Gemäß § 850b II ist der Gläubiger antragsberechtigt, um aus Billigkeitsgründen in die bedingt pfändbaren Einkünfte des Schuldners vollstrecken zu können.
Rn 97
Da dem Schuldner zunächst nur der Grundfreibetrag nach den §§ 850k I 1, 850c I 1 belassen wird, kann er die Pfändungsfreiheit des Mehrverdiensts gem § 850c II, III beantragen. Dies gilt auch für den auf unterhaltsberechtigte Personen entfallenden Anteil. Ein vorheriges Aufstockungsverlangen gem § 850k I Nr 1 lit a) ggü dem Drittschuldner ist nicht erforderlich. Unterhaltszahlungen Dritter für ein Kind sind als Leistungen an das Kind nicht geschützt. Leistet der Schuldner trotz Verpflichtung keinen Unterhalt, kann nur das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Gl...