1. Ganz überwiegend unpfändbare Beträge.
Rn 8
Die Freistellung des Kontos von der Pfändung steht unter einer doppelten Voraussetzung. Die Anordnung darf nur erfolgen, wenn dem Konto in den letzten sechs Monaten vor der Antragstellung nachweislich ganz überwiegend allein unpfändbare Beträge gutgeschrieben wurden. Außerdem dürfen in den nächsten zwölf Monaten nur ganz überwiegend nicht pfändbare Beträge zu erwarten sein, was der Schuldner glaubhaft machen muss.
Rn 9
Die vergangenen, wie die künftig zu erwartenden Beträge müssen ganz überwiegend unpfändbar sein. Diese Terminologie ist ungenau, weil sie offenlässt, ob die Höhe der gutgeschriebenen Forderungen nach dem Pfändungsschutz an der Quelle oder auf dem Pfändungsschutzkonto bemessen werden muss. Da die Pfändungsschutzbestimmungen nicht vollständig vereinheitlicht sind, kann es hierbei zu Differenzen kommen. Seit die Freistellung von Pfändungen auf das Pfändungsschutzkonto beschränkt ist, besteht eine systematisch eindeutige Situation. Um unterschiedliche Maßstäbe auszuschließen, ist von dem für das freizustellende Konto geltenden Pfändungsschutz auszugehen (Zö/Herget § 850l Rz 4 f). Sonst könnte die als Sonderfall konzipierte Unpfändbarkeit nach § 850l zu höheren unpfändbaren Beträgen als der allgemeine Kontopfändungsschutz führen. Abzustellen ist auf den für das Konto geltenden Kontopfändungsschutz, also den Grundfreibetrag nach § 850k I 1 und den bereits vom Kreditinstitut berücksichtigten Aufstockungsbetrag. Zusammen mit der Freistellung kann auch eine gerichtliche Entscheidung über den unpfändbaren Betrag nach § 850k IV, V 4 erfolgen. Besteht auf dem Pfändungsschutzkonto nur ein Basispfändungsschutz, bildet dieser den Maßstab nach § 850l. Bei einem Aufstockungsbetrag, ist der zugrunde zu legen. Wird während einer nach § 850l angeordneten Unpfändbarkeit ein Aufstockungsbetrag bewilligt, ist keine Anpassung nach § 850l erforderlich, weil die Unpfändbarkeit das gesamte Guthaben erfasst. Im Rahmen eines Aufhebungsantrags nach S 3 kann aber vom Schuldner eine Anpassung an den Erhöhungsbetrag geltend gemacht werden. Zu berücksichtigen ist auch die Unpfändbarkeit von Geldleistungen nach § 54 SGB I.
Rn 10
Schwierigkeiten bereitet die Bestimmung des unpfändbaren Betrags bei privilegierten Pfändungen nach den §§ 850d, 850f II. Hier wird zu differenzieren sein. Soweit eine bevorrechtigte Pfändung bereits ausgebracht ist, wird das unpfändbare Einkommen nach dem in diesem Fall dem Schuldner zu belassenden Einkommen zu berechnen sein. Ist noch keine bevorrechtigte Pfändung erfolgt, ist vom Grundfreibetrag bzw dem Aufstockungsbetrag auszugehen. Will ein privilegierter Gläubiger das freigestellte Guthaben pfänden, kann er einen Antrag nach § 850l S 3 stellen.
Rn 11
Da das Gesetz auf ganz überwiegend unpfändbare Beträge abstellt, sind geringfügige Überschreitungen der Pfändungsgrenzen unbeachtlich. Eine feste Grenze, ab wann höhere Zahlungseingänge schädlich sind, existiert nicht (Wieczorek/Schütze-Lüke § 850l Rz 6; krit Jäger ZVI 07, 544, 545). Eine prozentuale Festlegung, nach der keine ganz überwiegend unpfändbaren Forderungen bestehen, wenn der Anteil der unpfändbaren Beträge geringer als 90 % ist, kann nicht erfolgen (St/J/Würdinger § 850l Rz 4; jetzt auch HK-ZV/Meller-Hannich § 850l Rz 10). Im Rahmen seiner Entscheidung muss das Gericht abwägen, ob tw pfändbare Beträge zum Ausschluss des Schutzes führen. Abzustellen ist zunächst auf die Höhe der Überschreitungen, dann aber auch darauf, ob es sich um einen regelmäßigen oder einmaligen Zahlungseingang handelt. Übersteigt der pfändbare Teil eines regelmäßigen Zahlungseingangs nicht den Bedarf des Schuldners für bis zu drei Tage, wird er grds unbeachtet bleiben können. Als Obergrenze wird der Bedarf für fünf Werktage anzusehen sein. Pfändbare Beträge von mehr als EUR 1.100,– sind nicht unerheblich (AG Hannover ZVI 11, 230). Individuelle Gläubigerinteressen sind noch nicht bei dieser Prüfung, sondern erst bei der Abwägung nach S 2 zu berücksichtigen.
Rn 12
Erfolgt keine Pfändung an der Quelle, werden die Voraussetzungen von § 850l häufig nicht vorliegen, es sei denn, die Einkünfte des Schuldners unterschreiten die Pfändungsfreibeträge. Mehrere Einkünfte des Schuldners können zusammengerechnet werden. Der dafür erforderliche Antrag ist konkludent im Antrag nach § 850l enthalten. Dies erfordert die Berücksichtigung der Gläubigerinteressen.
2. Vergangene und künftige Zahlungseingänge.
Rn 13
Auf der ersten Stufe muss der Schuldner nachweisen, welche Zahlungseingänge in den vergangenen sechs Monaten erfolgt sind. Nach dem sprachlich-funktionalen Zusammenhang beginnt diese Rückwärtsfrist mit dem Schutzantrag des Schuldners. Die sechs Monate müssen zusammenhängen. Zulässig ist der Antrag bereits unmittelbar nach der Pfändung (Schumacher ZVI 07, 455, 461). Der Schuldner hat es aber in der Hand, über den Zeitpunkt der Antragstellung Einfluss auf die Fristberechnung zu nehmen. Der Schuldner muss die tatsächliche Höhe und ggf die Herkunft der eingegangenen Beträge im maßgebenden Zeitraum darlegen und beweisen. Eine ...