Gesetzestext
Ist eine Geldforderung für mehrere Gläubiger gepfändet, so ist der Drittschuldner berechtigt und auf Verlangen eines Gläubigers, dem die Forderung überwiesen wurde, verpflichtet, unter Anzeige der Sachlage und unter Aushändigung der ihm zugestellten Beschlüsse an das Amtsgericht, dessen Beschluss ihm zuerst zugestellt ist, den Schuldbetrag zu hinterlegen.
A. Normzweck.
Rn 1
§ 853 schützt zunächst den Drittschuldner vor den Unsicherheiten bei mehrfacher Pfändung einer Geldforderung durch eine Leistung an den falschen Gläubiger. Bei möglichen Zweifeln an einer wirksamen Pfändung, dem Rang des Pfändungspfandrechts oder der Reichweite einer privilegierten Pfändung soll der Drittschuldner vor unzumutbaren Risiken bewahrt werden. Obwohl sein Vertrauen in den Überweisungsbeschluss nach § 836 II geschützt wird (BGHZ 66, 394, 396 f), sind damit nicht alle Gefahren beseitigt. Nicht selten riskiert der Drittschuldner, an einen anderen als den vorrangigen Gläubiger zu zahlen und deswegen erneut leisten zu müssen. § 853 entlastet deswegen den Drittschuldner von der erforderlichen Prüfung und gestattet ihm, den Schuldbetrag zu hinterlegen. Zusätzlich werden auch die Gläubiger geschützt, denn der Drittschuldner soll bei möglichen Konflikten nicht die Erfüllung verzögern können (Wieczorek/Schütze/Lüke § 853 Rz 1). Auf Verlangen eines Gläubigers, dem die Forderung zur Einziehung überwiesen ist, muss der Drittschuldner den Schuldbetrag hinterlegen. Die Vorschrift ist auf die Vollstreckung von Abgaben entspr anzuwenden, § 320 AO.
B. Voraussetzungen der Hinterlegungsbefugnis (Alt 1).
Rn 2
Erforderlich ist eine Mehrfachpfändung, dh die Forderung des Schuldners muss für mehrere, zumindest zwei Gläubiger gepfändet sein. Bei einer Mehrfachpfändung richtet sich der Rang nach der Entstehung der Pfandrechte und damit der Zustellung, § 804 III. Die Pfändungen müssen wirksam sein. Eine Überweisung ist nicht erforderlich, anders Alt 2. Pfändungen iRd Sicherungsvollstreckung, § 720a, oder der Arrestvollziehung berechtigen deswegen zur Hinterlegung (Zö/Herget § 853 Rz 2). Es genügt noch nicht, falls die Forderung erst einmal gepfändet ist und weitere Pfändungen lediglich drohen (MüKoZPO/Smid § 853 Rz 2). Bei Zweifeln über eine wirksame Erstpfändung kommt eine Hinterlegung nach § 372 BGB in Betracht (Frankf OLGR 04, 250; aA Zö/Herget § 853 Rz 2, nach § 853). Unzureichend ist auch, wenn eine Pfändung mit einer Abtretung zusammentrifft (RGZ 144, 391, 393; LG Münster Rpfleger 95, 78), doch ist dann ggf eine Hinterlegung nach § 372 BGB möglich (BGH NJW-RR 05, 712, 713 [BGH 10.12.2004 - V ZR 340/03]).
Rn 3
Als konstitutive Voraussetzung (Köln InVo 98, 327) für die Hinterlegungswirkung muss der Drittschuldner dem Vollstreckungsgericht, das ihm als erstes einen Pfändungsbeschluss zugestellt hat, die Sachlage anzeigen (RGZ 36, 360, 361). Die Anzeige kann nachgeholt werden (vgl LG Berlin Rpfleger 81, 453). Wurde der Pfändungsbeschluss vom Rechtsmittelgericht erlassen, ist die Anzeige an dieses oder das erstinstanzlich für diese Entscheidung zuständige Amtsgericht zu richten (Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Kessal-Wulf/Lorenz § 853 Rz 5). Erfolgt die Anzeige beim unzuständigen Gericht, ist sie an das zuständige Gericht weiterzuleiten.
Rn 4
Die Anzeige muss die vollständige Bezeichnung sämtlicher vorliegender Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse beinhalten. Anzugeben sind die Gläubiger, Az, Art und Höhe der gepfändeten Forderung sowie die Hinterlegung. Abgesehen vom Verlangen eines Gläubigers nach Alt 2 muss der Drittschuldner keine sonstigen Gründe für die Hinterlegung angeben. Seiner Anzeige muss der Drittschuldner die ihm zugestellten Beschlüsse beifügen. Da § 853 die Anzeigepflicht konkretisiert, entfällt die Verpflichtung aus § 374 II BGB ggü dem Schuldner (Stöber/Rellermeyer Rz B.474).
Rn 5
Der Drittschuldner ist auch dann zur Hinterlegung berechtigt, wenn die Pfandforderung größer als die Vollstreckungsforderung ist (Musielak/Voit/Flockenhaus § 853 Rz 2). Die Voraussetzungen der §§ 372, 1281 BGB müssen nicht erfüllt sein. Insbesondere ist keine nicht auf Fahrlässigkeit beruhende Ungewissheit über die Person des Schuldners erforderlich (Wieczorek/Schütze/Lüke § 853 Rz 2).
Rn 6
Der Drittschuldner darf an den vorrangigen Gläubiger leisten (RArbG JW 36, 2666; aA St/J/Würdinger § 853 Rz 6), dem die gepfändete Forderung überwiesen ist, doch trägt der Drittschuldner dann das Risiko einer Fehlbeurteilung. Leistet der Drittschuldner irrtümlich an einen nachrangigen Pfändungsgläubiger, steht ihm ein Bereicherungsanspruch zu (BGH NJW 82, 173, 174 [BGH 08.10.1981 - VII ZR 319/80]).
C. Voraussetzungen der Hinterlegungspflicht (Alt 2).
Rn 7
Auf Verlangen eines Gläubigers, dem die Forderung zur Einziehung überwiesen ist, wird der Drittschuldner verpflichtet, den Schuldbetrag zu hinterlegen, wobei er auch die Sachlage anzuzeigen und die Beschlüsse auszuhändigen hat. Die erforderliche Überweisung zur Einziehung unterscheidet die Regelung auch von Alt 1, in der lediglich die Pfändung verlangt wird (Rn 2). Vgl außerdem Rn 3 ff. Für das Hinterlegungsverlangen besteht kein Formerfordernis. ...