I. Vermögensrechte.
Rn 3
Dem Regelungsbereich der Vorschrift unterfallen nach Abs 1 andere Vermögensrechte, die nicht Gegenstand der Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen sind. Gemeint sind damit Vermögensrechte, in die sonst nach den Vorschriften des Abschnitts 2 des 8. Buchs der ZPO, also gem den §§ 808 bis 871, nicht vollstreckt werden darf. Auf andere Vermögensrechte eröffnet § 857 ein subsidiäres Zugriffsrecht, das nur besteht, wenn der Anwendungsbereich sonstiger Vollstreckungsmöglichkeiten nicht eröffnet ist. Wegen der positivierten Schutzmaßstäbe aus den §§ 808 ff ist diese sachliche Reihenfolge geboten.
Rn 4
Ein Vermögensrecht iSd Vorschrift bilden Rechte aller Art, die einen Vermögenswert derart verkörpern, dass eine Pfandverwertung die Befriedigung eines Geldanspruchs des Gläubigers ermöglichen kann (BGH NJW 05, 3353 [BGH 05.07.2005 - VII ZB 5/05]; NJW-RR 07, 1219 [BGH 20.12.2006 - VII ZB 92/05] Rz 21). Die Pfändung sowie die anschließende Verwertung durch Einziehung, Veräußerung und Verwaltung müssen nicht unmittelbar zur Befriedigung der Geldforderung des Gläubigers führen (St/J/Würdinger § 857 Rz 7). Ist jedoch der Vermögenswert auf eine entfernte Aussicht auf einen pekuniären Vollstreckungserfolg beschränkt, wird regelmäßig der verfassungsrechtlich gebotene Schutz des Schuldnervermögens ggü dem Schutz des Gläubigerrechts überwiegen und eine Vollstreckung unzulässig sein.
Rn 5
Ausgenommen vom Vollstreckungszugriff sind alle ›Nichtvermögensrechte‹. Hierzu gehören im Kern die allgemeinen und besonderen Persönlichkeitsrechte, wie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und unabhängig vom Streit um die dogmatische Begründung auch das Recht auf körperliche Unversehrtheit. Dazu gehören auch das Recht am eigenen Bild, das Namensrecht und das Urheberpersönlichkeitsrecht (Wieczorek/Schütze/Lüke § 857 Rz 10). Werden aber diese Rechte durch eine wirtschaftliche Verwertung kommerzialisiert, sei es auch durch eine beanspruchte Geldentschädigung, kann in das Resultat vollstreckt werden. Die Entscheidung über eine derartige Ausübung von Persönlichkeitsrechten muss als höchstpersönliches Recht dem Rechtsinhaber vorbehalten bleiben und ist nach § 851 unpfändbar.
Rn 6
Keine vermögensrechtliche Qualität besitzen auch die personenbezogenen familienrechtlichen Ansprüche, wie die elterliche Sorge, der Anspruch auf eheliche Lebensgemeinschaft oder Mitarbeit im Haushalt (Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Lorenz § 857 Rz 2). Die Ansprüche auf Erteilung einer Renteninformation und Rentenauskunft aus § 109 SGB VI stellen keine Vermögensrechte dar (BGH NJW-RR 12, 434 [BGH 09.02.2012 - VII ZB 117/09] Rz 22). Unpfändbar sind auch der Goodwill, der Firmenwert oder der Kundenstamm (LG Bremen BeckRS 21, 15267).
II. Selbständige Verwertbarkeit.
Rn 7
Pfändbar sind nur selbständige Vermögensrechte. Erfasst werden etwa Ansprüche auf Einräumung oder Übertragung von Rechten oder auf Abgabe von Willenserklärungen (Brox/Walker Rz 716).
Rn 8
Demgegenüber können unselbständige Vermögensrechte nicht vom Gegenstand getrennt werden und nicht Objekt einer eigenen Rechtsausübung sein (§ 829 Rn 76 ff; zur Hilfspfändung Rn 16), wie die Vollmacht, die Einziehungsermächtigung oder der Kundenstamm. Die kaufmännische Firma kann nach § 23 HGB nicht ohne das Handelsgeschäft übertragen werden und ist nicht selbständig pfändbar (St/J/Würdinger § 857 Rz 26). Akzessorische Rechte, wie die Bürgschaft, das Pfandrecht, die Vormerkung (Rostock Rpfleger 16, 90) oder die Hypothek, können nicht selbständig übertragen werden.
Rn 9
Unselbständige Nebenrechte sind mit dem Hauptrecht untrennbar verbunden und nicht eigenständig pfändbar. Da diese Rechte nach § 401 BGB mit der Pfändung des Hauptrechts übergehen, ist eine selbständige Pfändung nicht erforderlich (§ 851 Rn 16 f). Dazu gehört der Anspruch auf Auskunftserteilung und Rechnungslegung gem §§ 666, 675 BGB, mit dem der Gegenstand und der Betrag des Hauptanspruchs festzustellen ist (BGH NJW-RR 03, 1556, 1555 [BGH 24.07.2003 - IX ZB 607/02]), der Anspruch auf eidesstattliche Versicherung gem § 259 II BGB (BGH NJW 88, 2729) und regelmäßig auch der Grundbuchberichtigungsanspruch aus § 894 BGB (BGHZ 33, 76, 83), es sei denn, er kann durch Eintragung des Schuldners zur Befriedigung des Gläubigers führen (ThoPu/Seiler § 857 Rz 6). Zulässig ist die Pfändung und Überweisung der Ermächtigung eines Dritten zur Geltendmachung des Rechts im eigenen Namen (BGHZ 33, 76, 83). Unpfändbar sind akzessorische Gestaltungsrechte, wie Rücktritt, Minderung, Kündigung oder Anfechtung.
Rn 10
Über die Pfändbarkeit nicht akzessorischer Gestaltungsrechte nach § 857 ist im Einzelfall zu entscheiden (BGHZ 154, 64, 68). Pfändbar sind Aneignungs- und Rückübertragungsrechte (BGH NJW 03, 1858, 1859) sowie der Anspruch eines Miteigentümers auf Aufhebung der Gemeinschaft sowie Teilung und Auszahlung des Erlöses. Gleiches gilt für das Recht des Schuldners, nach freiem Belieben die Rückübertragung eines Gegenstands verlangen zu können. Das Recht aus einem Vertragsangebot kann jedenfalls dann...