Prof. Dr. Katharina Hilbig-Lugani
I. Einsicht in das Schuldnerverzeichnis (Abs 1 S 1).
Rn 3
Zur Einsichtnahme in das Schuldnerverzeichnis ist jedermann berechtigt, der die Angaben für einen in S 1 abschließend aufgeführten legitimen Zweck benötigt. Es genügt, wenn die Angaben diese Zwecke fördern (BTDrs 16/10069, 41). Der Verwendungszweck muss vom Nutzer dargelegt werden (BayObLG 18.11.20 – 101 VA 124/20 = DGVZ 21, 45 LS 3). Doch da die Anfragen zur Einsichtnahme elektronisch erfolgen und der Nutzer den verfolgten Zweck durch vorgegebene elektronische Textfelder oder Schlüsselzahlen angibt, bedarf es keines Nachweises und keiner Glaubhaftmachung des Informationsbedarfs. Erforderlich und ausreichend ist ein schlüssiger, widerspruchsfreier, überzeugender Vortrag (Zö/Seibel Rz 2). Eine vorgelagerte Prüfung des angegebenen Zwecks im Einzelfall findet nicht statt. Vielmehr ermöglicht die zwingende Registrierung des Nutzers und die Protokollierung jedes Abrufvorgangs nach § 882h III 2 Nr 4 eine nachträgliche Missbrauchsprüfung. Vor diesem Hintergrund erscheint es zw, ob die geringen Anforderungen an das Einsichtsrecht dem Schutz des Schuldners gerecht werden (so Musielak/Voit/Voit Rz 8; Fischer DGVZ 10, 113, 117). Dem wird zutr entgegengehalten, dass das Schuldnerverzeichnis keine detaillierten Informationen über die Vermögenslage des Schuldners enthält (Schuschke/Walker/Schuschke/Grieß Rz 2).
II. Einsichtnahmezwecke.
Rn 4
Nr 1 für Zwecke der Zwangsvollstreckung. Hierunter fällt jede Art von Vollstreckung einschließlich der Verwaltungsvollstreckung (BTDrs 16/10069, 41). Das Vollstreckungsverfahren muss ferner nicht vom Antragssteller selbst betrieben werden, vielmehr können sich Gläubiger vor Beginn von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen über deren Erfolgsaussichten informieren wollen. Erforderlich ist somit allein, dass der Antragsteller ein vollstreckungsbedingtes Interesse an der entspr Information hat. Der Schuldner kann nicht über Nr 1 die Vollstreckungsbehörde verpflichten, ihm einen Ausdruck der ihn betreffenden Eintragung auszuhändigen; dies schon deshalb, weil er unmittelbar selbst nach Nr 6 zum Erhalt einer solchen Auskunft berechtigt ist (VG Schwerin KKZ 19, 80, Rz 31).
Rn 5
Nr 2 zur Erfüllung gesetzlicher Pflichten zur Prüfung der wirtschaftlichen Zuverlässigkeit. Diese Zwecksetzung dient der Erfüllung gesetzlicher, nicht bloß vertraglicher Prüfungspflichten, die sich auf die wirtschaftliche Zuverlässigkeit, also insb die Zahlungswilligkeit und die Zahlungsfähigkeit des Schuldners beziehen müssen. Derartige Pflichten gründen zB in der GewO oder im Insolvenzrecht (noch zu § 915 aF St/J/Münzberg 22. Aufl § 915 Rz 7), wie etwa iRd Prüfung der Erlaubnisvoraussetzungen für den Pfandleiher gem § 34 I 3 GewO. Prüfungsbefugnis ist nicht ausreichend (Zö/Seibel Rz 2).
Rn 6
Nr 3 zur Prüfung der Voraussetzungen für die Gewährung öffentlicher Leistungen. Diese Vorschrift erfasst va Anfragen von Sozialleistungsträgern.
Rn 7
Nr 4 zur Abwendung von wirtschaftlichen Nachteilen, die daraus entstehen können, dass Schuldner ihren Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommen. Die Ziffer umschreibt als Generalklausel den Hauptzweck des Verzeichnisses: den Schutz des redlichen Geschäftsverkehrs. Aufgrund der weiten Formulierung erscheint jedoch ihre Verfassungsmäßigkeit problematisch. Ebenso wie der Begriff ›wirtschaftliche Zuverlässigkeit prüfen‹ ist der Begriff ›wirtschaftliche Nachteile abwenden‹ unbestimmt. Dies erfordert jedenfalls eine enge Auslegung (Hamm Rpfleger 06, 481 [OLG Hamm 16.02.2006 - 15 VA 16/04]). Die Information des Antragstellers verlangt seinen Vortrag, dass er mit einer bestimmten Person über den Abschluss eines Vertrags verhandelt, der Zahlungspflichten der Gegenseite auslösen würde, wie es insb bei Kauf-, Kredit-, Werk- und Mietverträgen der Fall ist. Ein berechtigtes und schutzwürdiges Interesse zur Einsicht in das Schuldnerverzeichnis hinsichtlich der Eintragungen einer Person, zu der keinerlei geschäftliche Beziehungen bestehen, kann deshalb nicht anerkannt werden. Insgesamt ist die Vorschrift eng auszulegen.
Rn 8
Nr 5 für Zwecke der Strafverfolgung und der Strafvollstreckung. Erfasst wird nur die Einsicht zur Verfolgung von Straftaten bzw zur Strafvollstreckung. Aufgrund der veränderten Formulierung und des erweiterten Gesetzeszwecks genügt es, dass die Auskunft hilfreich, förderlich oder nützlich ist. Hingegen reicht es nicht, dass es sich bloß um die Verfolgung einer Ordnungswidrigkeit handelt.
Rn 9
Nr 6 zur Auskunft über den Schuldner betreffende Eintragungen. Auch dem Schuldner muss eine Einsichtnahme in das Schuldnerverzeichnis ermöglicht werden, um sich über ihn betreffende Eintragungen zu informieren und uU deren Löschung zu erwirken (BTDrs 16/10069, 41). Den Antrag nach Nr 6 muss und kann der GV nicht für den Schuldner stellen (AG Dresden DGVZ 15, 150).
Rn 10
Nr 7 für Zwecke der Dienstaufsicht über Justizbedienstete, die mit dem Schuldnerverzeichnis befasst sind. Die durch das EuKoPfVODG 2016 eingefügte Regelung bezieht sich insb auf die Gerichtsvollzieher hinsichtlich der von ihnen zu übermittelnden Eintragungsa...