Prof. Dr. Katharina Hilbig-Lugani
Rn 12
Als Vollstreckungsorgan führt der GV die Herausgabe nach den §§ 758 ff und § 127 GVGA durch, indem er die im Gewahrsam (§ 808; vgl zu dessen entspr Anwendung LG Karlsruhe DGVZ 93, 141) des Schuldners oder eines zur Herausgabe bereiten Dritten (§ 809) befindliche Sache wegnimmt und dem Gläubiger oder dem aus dem Vollstreckungstitel ersichtlichen Dritten übergibt. Nur wenn der Dritte die Herausgabe verweigert, richtet sich die Vollstreckung nach § 886. Andernfalls kann er die bei ihm erfolgte Wegnahme durch Erklärung der Herausgabebereitschaft gem § 809 analog deshalb gestatten, weil der Schutzzweck des § 886 hierdurch nicht unterlaufen wird (MüKoZPO/Gruber Rz 24). Denn die Norm schützt nur Besitz und Besitzrecht des Dritten, der auf diesen Schutz verzichten kann. Die Mithilfe eines (auf Kosten des Schuldners beauftragten) Sachverständigen kann zulässig und geboten sein, wenn anderenfalls die Herausgabevollstreckung unmöglich ist oder unzumutbar erschwert wird (BGH WM 18, 88 LS 2, Rz 19 ff).
Rn 13
Vorbehaltlich entgegenstehender Vorgaben im Titel hat der GV dem Gläubiger die weggenommene Sache regelmäßig an Ort und Stelle auszuhändigen (Kobl DGVZ 90, 40). Ist dies nicht möglich, sendet er dem Gläubiger die Sache zu, soweit der Titel nicht lediglich auf Hinterlegung oder Vorlegung lautet (Ddorf DGVZ 95, 86). Sämtliche Maßnahmen zur Abwicklung der Heraus- und Übergabe hat der GV unter Berücksichtigung der entstehenden Kosten nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden.
Rn 14
Die örtliche Zuständigkeit des GV richtet sich nach dem Ort der Wegnahmehandlung. Der GV prüft ferner die allg und die sich aus dem konkreten Titel ergebenden besonderen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung. Eine Prüfung der Eigentumslage unterbleibt, weil diese für den Herausgabeanspruch uU bedeutungslos ist (AG Flensburg DGVZ 52, 158).
Rn 15
Verweigert der Schuldner dem GV den Zutritt zu seiner Wohnung, muss der Gläubiger selbst dann eine richterliche Durchsuchungsanordnung gem § 758a erwirken, wenn die Pflicht zur Herausgabe in einem Urt ausgesprochen ist (LG Kaiserslautern DGVZ 81, 87; aA wohl Schilken InVo 98, 304, 306). Das gilt auch im Falle der zwangsweisen Wegnahme eines fest installierten Gas- oder Stromzählers (LG Kaiserslautern DGVZ 81, 87).
Rn 16
Der Gläubiger kann von dem Schuldner Herausgabe der von ihm ausgewählten Sache verlangen, wenn er nach dem Schuldtitel die Wahl zwischen mehreren bezeichneten Sachen hat. Steht das Wahlrecht umgekehrt dem Schuldner zu und nimmt er es vor Beginn der Zwangsvollstreckung nicht wahr, kann der Gläubiger die Zwangsvollstreckung auf eines der in Frage kommenden Stücke richten. Allerdings steht dem Schuldner nach §§ 262, 264 BGB die Möglichkeit offen, sich durch Leistung anderer Sachen zu befreien, bis der Gläubiger die Sache empfangen hat.
Rn 17
Die Wegnahme verbraucht den Schuldtitel (Zö/Seibel Rz 10; aA MüKoZPO/Gruber Rz 28) und führt mit der Übergabe zum Gefahrübergang auf den Gläubiger (arg § 897 I). Der Schuldner wird somit frei, so dass bei Rückkehr der Sache zum Schuldner eine neue Klage des Gläubigers erforderlich ist. Unanwendbar bleiben die Vorschriften über den Pfändungsschutz nach §§ 811 ff (AG Aalen DGVZ 89, 188).