Prof. Dr. Katharina Hilbig-Lugani
Rn 15
Bei ungestörter Ehe sind die Eheleute aufgrund des § 1353 I BGB regelmäßig Mitbesitzer der Ehewohnung iSd § 866 BGB (BGH NJW 54, 918 [BGH 26.02.1954 - V ZR 135/52]; Schleswig NJW-RR 15, 1298 [OLG Schleswig 28.10.2014 - 5 W 42/14]; LG Saarbrücken DGVZ 18, 183, Rz 11). Weil sie die Herrschaftsgewalt über ihre Wohnung gemeinsam ausüben, ist die Vollstreckung grds nicht gerechtfertigt, wenn sich der Räumungstitel nur gegen einen Ehegatten richtet und der andere die Wohnung nicht freiwillig räumt (BGHZ 159, 383; Jena InVo 02, 158). Auch der Titelschuldner allein kann nicht aus dem Besitz gesetzt werden, weil die Räumung einzelner Mitbesitzer dem Gläubigerinteresse auf komplette Räumung nicht entspricht (LG Heilbronn Rpfleger 04, 431). § 739 findet ebenso wenig Berücksichtigung (die Vorschrift zielt auf die Ergänzung der Vorteile der auf bewegliche Sachen beschränkten Eigentumsvermutung nach § 1362 BGB, nicht hingegen auf die Erleichterung der Vollstreckung gegen Ehegatten) wie die güterrechtlichen Verhältnisse der Eheleute (Hambg MDR 60, 769 [OLG Hamburg 21.04.1960 - 6 W 55/69]). Unerheblich bleibt, ob die Eheleute ihr Besitzrecht vom Gläubiger aus einem gemeinsamen Mietvertrag ableiten oder aber ein Ehegatte seinen Mitbesitz nur durch vom Vermieter zu duldende Aufnahme des anderen allein mietenden Ehegatten erlangt hat (mit ausf Begr Frankf InVo 04, 163 [LG Ellwangen 05.03.2003 - 1 T 30/03]; St/J/Bartels Rz 9 ff). Die Räumungsvollstreckung verlangt also einen Titel gegen beide Ehegatten (BGHZ 159, 383; BGH FamRZ 05, 269). Dies gilt auch, wenn dem Vollstreckungsgläubiger bei Klageerhebung oder bei Vollstreckungsverfahrenseinleitung nicht bekannt war, dass in der Wohnung noch ein anderer Ehegatte lebt (BGH FamRZ 05, 270). Zu Unrecht stellt man zT für die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung bei gemieteten Räumen darauf ab, wer als Mieter sein Besitzrecht vom Vermieter ableitet (LG Mönchengladbach DGVZ 00, 118). Danach sei ein Titel gegen den allein mietenden Ehegatten ausreichend, wenn der Mitbesitz des anderen Ehegatten allein durch das eheliche Zusammenleben begründet sei (Frankf MDR 69, 853; LG Oldenburg DGVZ 91, 29; Schilken DGVZ 88, 56). Ebenso verhalte es sich, wenn der im Titel genannte Schuldner erst nach Erlangung des Vollstreckungstitels geheiratet habe (LG Mannheim MDR 64, 59). Beides vermag deshalb nicht zu überzeugen, weil die Ableitung des Mitbesitzes vom Mieter-Ehegatten nichts an dem nunmehr bestehenden unmittelbaren Besitz des anderen, ebenfalls schutzwürdigen Ehegatten ändert (Becker-Eberhard FamRZ 94, 1297 f). Ungeachtet dessen können aber besondere Umstände des Einzelfalls eine andere Beurteilung rechtfertigen, also die Vollstreckung gegen beide trotz Beschränkung des Titels auf einen Ehegatten ermöglichen (BGHZ 12, 399).
Rn 16
Nach Beendigung der Ehe kann aus einem Räumungstitel, der gegen den mietenden Ehegatten lautet, nicht gegen den anderen in der Wohnung zurückgebliebenen Ehegatten vollstreckt werden, wenn dieser nunmehr alleiniger Gewahrsamsinhaber der Wohnung geworden ist (LG Stuttgart DGVZ 03, 121; aA LG Mönchengladbach DGVZ 00, 118). Ebenso wenig rechtfertigt ein Titel gegen den Ehemann auf Räumung eines im Miteigentum der Eheleute stehenden Grundstücks die Zwangsvollstreckung gegen einen mitbesitzenden Ehegatten (LG Düsseldorf MDR 62, 995).