Prof. Dr. Katharina Hilbig-Lugani
Rn 11
Neben der Erteilung des Gläubigerauftrags gem § 753 müssen sowohl die allg als auch die nach dem Titel zu beachtenden besonderen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung vorliegen. Zur zweifelsfreien Bezeichnung der zu räumenden Wohnung s LG Heidelberg DGVZ 20, 15. Dies setzt ua den Ablauf einer dem Schuldner gem §§ 721, 794a, 765a gewährten Räumungsfrist voraus, wobei die Anberaumung des Räumungstermins, dessen Bestimmung im pflichtgemäßen Ermessen des GV steht (LG Mannheim MDR 65, 144), bereits vor Fristablauf erfolgen kann. Der GV darf die Terminierung einer Räumung nicht unter Verweis auf Kontaktbeschränkungen nach einer Corona-EindämmungsVO verweigern, wonach ›Zusammenkünfte im Familien-, Freundes- oder Bekanntenkreis‹ eingeschränkt sind (AG Hamburg 4.12.20 – 44 M 57/20). Bei Verurteilung zur Räumung Zug um Zug gegen Zahlung einer Entschädigung muss der GV diese dem Schuldner in annahmeverzugsbegründender Weise anbieten, es sei denn, der Nachweis gem § 756 I wird erbracht. Will der Schuldner der Räumungsverpflichtung selbst beim Angebot der Gegenleistung nicht nachkommen, kann die Zwangsräumung auch ohne die Gegenleistung vollzogen werden (AG Neustadt DGVZ 76, 73).
Rn 12
Die Erwirkung einer gesonderten richterlichen Durchsuchungsanordnung ist für die Räumungsvollstreckung nach § 885 wegen § 758a II nicht erforderlich. Keines Durchsuchungsbeschlusses bedarf es auch bei Räumungsvergleichen oder bei nichtrichterlichen Beschlüssen nach § 93 ZVG (BTDrs 13/341, 16). Räumungsschutz gem §§ 721, 765a bleibt hiervon unberührt (BTDrs 13/341, 16).
Rn 13
Droht dem Schuldner durch die Räumung Obdachlosigkeit und weist die Ordnungsbehörde ihn aufgrund dessen in die zu räumende Wohnung ein (hierzu BayVGH DGVZ 92, 126; zur polizeilichen Wiedereinweisung eines Mieters in die bisherige Wohnung OVG Lüneburg NZM 11, 371, 372 [OVG Niedersachsen 14.12.2009 - 11 ME 316/09] [nur bei polizeilichem Notstand]), ist die Zwangsvollstreckung zwar gehemmt (vgl zur Hemmungswirkung näher § 130 IV GVGA), die Vollstreckungsfähigkeit des Titels aber nicht aufgehoben. Aus diesem Grund kann der Gläubiger nach Ablauf der Zeit der Wiedereinweisung oder nach Aufhebung der Einweisungsverfügung die Räumungsvollstreckung aus seinem Titel erneut betreiben (Frankf MDR 69, 852; Nürnbg NJW 53, 1398 [OLG Nürnberg 01.06.1953 - 4 W 52/53]; LG Darmstadt DGVZ 93, 154). Ein Vollstreckungstitel darf jedoch nicht durch die Durchführung der Räumung verbraucht sein (so für den Fall des durchgeführten beschränkten Vollstreckungsauftrags AG Dortmund 20.5.22 – 244 M 410/22, Rz 7). Hinzu tritt der auf dem Verwaltungsrechtsweg zu verfolgende Folgenbeseitigungsanspruch gegen die Obdachlosenbehörde auf Entfernung des Schuldners aus der Wohnung (BGHZ 130, 332; Zö/Seibel Rz 34). Bei Suizidgefahr kann eine achtmonatige Einstellung der Vollstreckung gerechtfertigt sein (LG Hamburg ZMR 19, 91; s zur Wahrung der Grundrechte bei Zwangsräumung auch BVerfG WM 19, 76 sowie BVerfG NJW 19, 2995; s BVerfG WM 20, 2144 für einen sechsmonatigen Aufschub). Die Suizidgefahr muss in einem kausalen Zusammenhang mit der Vollstreckung stehen (vgl BVerfG 30.10.20 – 2 BvR 1893/20, Rz 3).