Prof. Dr. Katharina Hilbig-Lugani
1. Prozessuales Verständnis.
Rn 14
§ 885 I stellt zur Bestimmung des Schuldners auf diejenige Person ab, die die unbewegliche Sache (das Schiff oder Schiffsbauwerk) herauszugeben, zu räumen oder zu überlassen hat, und begreift den Schuldner damit nicht im materiell-rechtlichen, sondern im prozessualen Sinne. Vollstreckungsschuldner ist damit nur derjenige, den entweder der Titel oder die Vollstreckungsklausel namentlich bezeichnet (Zö/Seibel Rz 6). Der GV kann grds nur gegen ihn die Räumungsvollstreckung betreiben (Hambg NJW 92, 3308). Der Schuldner muss darüber hinaus unmittelbarer Besitzer der Sache in dem Sinne sein, dass er Gewahrsam hat (§ 854 BGB, arg e § 886) (BGHZ 225, 252, Rz 32, 33; AG Heidelberg 22.3.21 – 1 M 7/21 = DGVZ 21, 200, Rz 12). Entscheidend ist die von einem entsprechenden Willen getragene tatsächliche Sachherrschaft, die für den GV äußerlich erkennbar sein muss; allein dies entspricht dem formalisierten Verfahren der Zwangsvollstreckung (BGHZ 225, 252, Rz 33). Weil der GV im Vollstreckungsverfahren nur die erkennbare Sachherrschaft prüfen kann, müssen Dritte, denen nicht erkennbare entgegenstehende Besitzrechte zustehen, diese im Rechtsbehelfsverfahren nach §§ 766, 793 oder auf dem Klageweg nach § 771 geltend machen (BVerfG NJW-RR 91, 1101 [BVerfG 16.01.1991 - 1 BvR 59/91]; Köln NJW 54, 1895). Eine Vollstreckung gegen den früheren Besitzer einer unbeweglichen Sache entfällt, wenn ein Dritter nach Eintritt der Rechtshängigkeit den Alleinbesitz an ihr erworben hat. Gegen den neuen Besitzer tritt in Anknüpfung an § 325 eine Vollstreckbarkeitserstreckung ein (Schlesw ZHR 83, 15). Eine Titelumschreibung kommt unter den Voraussetzungen des § 727 in Betracht.
2. Eheleute.
Rn 15
Bei ungestörter Ehe sind die Eheleute aufgrund des § 1353 I BGB regelmäßig Mitbesitzer der Ehewohnung iSd § 866 BGB (BGH NJW 54, 918 [BGH 26.02.1954 - V ZR 135/52]; Schleswig NJW-RR 15, 1298 [OLG Schleswig 28.10.2014 - 5 W 42/14]; LG Saarbrücken DGVZ 18, 183, Rz 11). Weil sie die Herrschaftsgewalt über ihre Wohnung gemeinsam ausüben, ist die Vollstreckung grds nicht gerechtfertigt, wenn sich der Räumungstitel nur gegen einen Ehegatten richtet und der andere die Wohnung nicht freiwillig räumt (BGHZ 159, 383; Jena InVo 02, 158). Auch der Titelschuldner allein kann nicht aus dem Besitz gesetzt werden, weil die Räumung einzelner Mitbesitzer dem Gläubigerinteresse auf komplette Räumung nicht entspricht (LG Heilbronn Rpfleger 04, 431). § 739 findet ebenso wenig Berücksichtigung (die Vorschrift zielt auf die Ergänzung der Vorteile der auf bewegliche Sachen beschränkten Eigentumsvermutung nach § 1362 BGB, nicht hingegen auf die Erleichterung der Vollstreckung gegen Ehegatten) wie die güterrechtlichen Verhältnisse der Eheleute (Hambg MDR 60, 769 [OLG Hamburg 21.04.1960 - 6 W 55/69]). Unerheblich bleibt, ob die Eheleute ihr Besitzrecht vom Gläubiger aus einem gemeinsamen Mietvertrag ableiten oder aber ein Ehegatte seinen Mitbesitz nur durch vom Vermieter zu duldende Aufnahme des anderen allein mietenden Ehegatten erlangt hat (mit ausf Begr Frankf InVo 04, 163 [LG Ellwangen 05.03.2003 - 1 T 30/03]; St/J/Bartels Rz 9 ff). Die Räumungsvollstreckung verlangt also einen Titel gegen beide Ehegatten (BGHZ 159, 383; BGH FamRZ 05, 269). Dies gilt auch, wenn dem Vollstreckungsgläubiger bei Klageerhebung oder bei Vollstreckungsverfahrenseinleitung nicht bekannt war, dass in der Wohnung noch ein anderer Ehegatte lebt (BGH FamRZ 05, 270). Zu Unrecht stellt man zT für die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung bei gemieteten Räumen darauf ab, wer als Mieter sein Besitzrecht vom Vermieter ableitet (LG Mönchengladbach DGVZ 00, 118). Danach sei ein Titel gegen den allein mietenden Ehegatten ausreichend, wenn der Mitbesitz des anderen Ehegatten allein durch das eheliche Zusammenleben begründet sei (Frankf MDR 69, 853; LG Oldenburg DGVZ 91, 29; Schilken DGVZ 88, 56). Ebenso verhalte es sich, wenn der im Titel genannte Schuldner erst nach Erlangung des Vollstreckungstitels geheiratet habe (LG Mannheim MDR 64, 59). Beides vermag deshalb nicht zu überzeugen, weil die Ableitung des Mitbesitzes vom Mieter-Ehegatten nichts an dem nunmehr bestehenden unmittelbaren Besitz des anderen, ebenfalls schutzwürdigen Ehegatten ändert (Becker-Eberhard FamRZ 94, 1297 f). Ungeachtet dessen können aber besondere Umstände des Einzelfalls eine andere Beurteilung rechtfertigen, also die Vollstreckung gegen beide trotz Beschränkung des Titels auf einen Ehegatten ermöglichen (BGHZ 12, 399).
Rn 16
Nach Beendigung der Ehe kann aus einem Räumungstitel, der gegen den mietenden Ehegatten lautet, nicht gegen den anderen in der Wohnung zurückgebliebenen Ehegatten vollstreckt werden, wenn dieser nunmehr alleiniger Gewahrsamsinhaber der Wohnung geworden ist (LG Stuttgart DGVZ 03, 121; aA LG Mönchengladbach DGVZ 00, 118). Ebenso wenig rechtfertigt ein Titel gegen den Ehemann auf Räumung eines im Miteigentum der Eheleute stehenden Grundstücks die Zwangsvollstreckung gegen einen mitbesitzenden Ehegatten (LG Düsseldorf MDR 62, 99...