Prof. Dr. Katharina Hilbig-Lugani
1. Dauer der Lagerung.
Rn 33
Zur Entlastung der Pfandkammer und zur Wahrung der Belange des Gläubigers, der die Unterbringungskosten für das Räumungsgut vorschießen muss, hat die Lagerung nur so lange anzudauern, bis es dem Schuldner unter zumutbaren Umständen möglich ist, die Sachen abzuholen und in Besitz zu nehmen. Nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist kann der GV die Gegenstände verkaufen bzw vernichten.
2. Verkauf.
Rn 34
Die Ermächtigung des GV zum Verkauf der Sachen wird erst nach Ablauf einer Frist von nunmehr einem Monat nach Räumung wirksam (krit zur Verkürzung dieser Frist: Flatow NJW 13, 1185, 1190) und soll ab diesem Zeitpunkt allerdings dann möglichst ohne Verzögerung erfolgen (Karlsr Rpfleger 74, 408 [OLG Karlsruhe 18.02.1974 - 1 W 90/73]). Die Fristberechnung bestimmt sich nach § 222, der die Kenntnis des Schuldners von der Verwahrung der Sache zwar nicht voraussetzt. Gleichwohl beginnt die Frist in analoger Anwendung der §§ 294–296 BGB aber erst dann, wenn dem Schuldner eine diesbezügliche Mitteilung vom GV zugegangen ist (LG Berlin DGVZ 70, 54). Der Verkauf setzt weiter voraus, dass der Schuldner innerhalb dieses Zeitraums die verwahrten Gegenstände entweder gar nicht abgefordert oder aber zwar abgefordert, nicht aber die entstandenen Kosten binnen einer Frist von 2 Monaten gezahlt hat. Seine vorherige Anhörung ist nicht erforderlich; der GV wird den Schuldner jedoch regelmäßig bei Übernahme des Räumungsgutes, spätestens rechtzeitig vor dem Verkauf, über die anstehende Verwertung informieren. Der Verkauf erfolgt entgegen der vorherigen Praxis, wonach der GV zwischen dem freihändigen Verkauf nach § 128 VI 1 GVGA (§ 180 V 1 GVGA aF) und der Versteigerung wählen konnte, nunmehr nur noch entspr der Vorschriften über die Pfandverwertung, Abs 4 S 3 (s.a. Begr BTDrs 17/10485, 31), ist aber keine Zwangsvollstreckungsmaßnahme (Zö/Seibel Rz 26). Dabei soll der GV die Belange des Schuldners wahren; ein Mindestgebot muss indessen nicht erzielt werden. Die Verkaufsmöglichkeit eröffnet sich dem GV auch dann, wenn ein eingelagerter Gegenstand im Eigentum eines Dritten steht, dieser aber Transport- und Lagerkosten nicht zahlen will.
Rn 35
Für höhere Lagerkosten, die durch Verzögerungen bei Herausgabe und Verkauf des Räumungsgutes entstehen, haftet der Gläubiger nicht, wenn dies bei zügiger Sachbehandlung durch den GV vermieden worden wäre (LG Lübeck JurBüro 82, 622; LG Berlin DGVZ 75, 42).
Rn 36
Nach dem Verkauf zieht der GV von dem Erlös die durch den Vorschuss des Gläubigers nicht gedeckten Kosten der Räumung, Verwahrung und des Verkaufs ab und hinterlegt den Restbetrag für den Schuldner (LG Berlin DGVZ 73, 217). Der Gläubiger kann zur Kompensation seines Vorschusses nur dann einen Anspruch auf Auszahlung des Verkaufserlöses geltend machen, wenn er einen diesbezüglichen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss erwirkt hat (LG Kassel DGVZ 82, 9; Schuschke/Walker/Walker/Koranyi Rz 40).
3. Vernichtung.
Rn 37
§ 885 IV 4 enthält eine gesetzliche Grundlage für die amtswegige Vernichtung unverwertbaren Räumungsgutes. Unverwertbar iSd Vorschrift ist eine Sache dann, wenn sie keinen Verkaufswert besitzt, also keinen Interessenten findet. Erst wenn die Voraussetzungen für den Verkauf vorliegen, darf die Vernichtung evtl erfolgen. Dazu reicht es nicht aus, dass der GV die Sache unbrauchbar macht. Vielmehr muss er sie zerstören und entsorgen. Die Wendung ›sollen‹ räumt dem GV aber bei der Verwertung auch wertloser Sachen einen Ermessensspielraum ein, so dass ihm in Einzelfällen möglich ist, von der Vernichtung abzusehen (BTDrs 13/341, 40) und die Sache dem Schuldner sogar ohne Zahlung der Transport- und Verwahrungskosten (zB bei persönlichen Papieren) oder einem Dritten, etwa einer gemeinnützigen Organisation, zur Verfügung zu stellen. Bei Geschäftsunterlagen, deren Vernichtung eine gesetzliche Aufbewahrungspflicht entgegensteht, ist die Einlagerung über die Frist des Abs 4 hinaus zu verlängern. Die Kosten stellen keine notwendigen Vollstreckungskosten dar, die vom Vollstreckungsgläubiger gem § 13 I 1 Nr 1 GVKostG zu tragen wären, sondern fallen dem Staat zur Last (BGH NJW-RR 08, 1166 f [BGH 21.02.2008 - I ZB 53/06]).
Rn 38
Bei ersichtlich unbrauchbarem Unrat und Müll muss kein vorheriger Verwertungsversuch stattfinden. Diese Sachen sind bereits nach § 885 III 2 iRd Zwangsvollstreckung zu vernichten, wenn an der Aufbewahrung offensichtlich kein Interesse besteht (BTDrs 17/10485, 30). Vernichtung ist in diesem Fall also ohne Verwahrung und Fristablauf möglich (Zweibr DGVZ 98, 9). Hierbei sind aber hohe Anforderungen an das fehlende Aufbewahrungsinteresse zu stellen (LG Schwerin 20.9.22 – 5 T 97/22, DGVZ 23, 102, Rz 7), so dass nur die bereits von der Rspr anerkannten Fälle von Müll und Unrat darunter zu fassen sind. An der Offensichtlichkeit fehlt es, wenn der Schuldner ausdrücklich sein Interesse an den Sachen erklärt (LG Schwerin 20.9.22 – 5 T 97/22, DGVZ 23, 102, Rz 7). Geschäftsunterlagen dürfen im Fall einer gesetzlichen Aufbewahrungspflicht nicht vernichtet werden (LG Koblen...