Prof. Dr. Katharina Hilbig-Lugani
Rn 41a
Die Zwangsmittel nach § 887 sind ggü den Zwangsvollstreckungsmaßnahmen nach § 888 so wesensverschieden, dass eine Umdeutung des Vollstreckungsantrages von § 888 zu § 887 nur dann in Betracht kommt, wenn Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, dass der Gläubiger seinen Antrag notfalls als einen solchen nach § 887 behandelt wissen will (Frankf 3.2.22 – 26 W 14/21, NJOZ 23, 312, Rz 18).
a) Zwangsgeld.
aa) Anordnung.
Rn 42
Der Beschl auf Anordnung des Zwangsgeldes muss auf eine bestimmte Höhe lauten, die sich nach dem Vollstreckungsinteresse des Gläubigers bemisst (LAG Frankfurt DB 93, 1248; Karlsr NJW-RR 00, 1312; aA Hambg ZUM 05, 660, 661 sowie MüKoZPO/Gruber Rz 29: Fraglich sei allein, welcher Zwangsgeldbetrag den entgegenstehenden Willen des Schuldners überwinde, sich Letzterem anschließend LAG Köln 30.9.20 – 11 Ta 135/20, Rz 5; LAG Hessen 30.12.20 – 8 Ta 342/20, Rz 47; LAG Hessen 20.6.23 – 10 Ta 24/23, Rz 28). Dafür bildet der Streitwert der Hauptsache eine Richtschnur (Rostock JurBüro 09, 105; Brandbg MDR 07, 429, 430; Karlsr NJW-RR 00, 1312; Rostock MDR 21, 322). Ob es sich um eine erste Vollstreckungsmaßnahme handelt und ob der Schuldner Erfüllungsversuche unternommen hat (Ddorf ErbR 19, 772, 773) sowie, ob schon teilerfüllt wurde (LAG Berlin-Brandenburg 5.4.18 – 9 Ta 1625/17, Rz 33), kann einbezogen werden. Ferner ist die Dauer und Hartnäckigkeit der Erfüllungsverweigerung beachtlich (Brandbg MDR 07, 429, 430 [OLG Brandenburg 27.07.2006 - 10 WF 149/06]; Karlsr NJW-RR 00, 1312 [OLG Karlsruhe 02.11.1999 - 14 W 61/99]; Ddorf ErbR 19, 772, 773 [OLG München 31.07.2019 - 7 U 3222/18]). Schließlich muss das Zwangsgeld der Bedeutung der Sache angemessen sein (München NJW-RR 92, 704). Erneutes Zwangsgeld kann nur festgesetzt werden, wenn das zuvor angeordnete gezahlt oder vollstreckt ist (BGH FamRZ 19, 141 m Anm Müller-Engels). Das Mindestmaß beläuft sich auf 5 EUR (Art 6 I 1 EGStGB) und der – einzelne (vgl BGH NJW-RR 05, 1211, 1213 [BGH 14.04.2005 - IX ZB 76/04]) – Höchstbetrag auf 25.000 EUR (Abs 1 S 2). Eine Sanktionsandrohung, die diesen Rahmen übersteigt, ist gerichtlich anzupassen (Kobl NJW-RR 19, 1103 [BGH 18.01.2019 - V ZR 324/17], Rz 19 und 71 – 100.000 EUR). Bei der Vollstreckung der Weiterbeschäftigung ist regelmäßig ein Monatsgehalt als Höhe des Zwangsgelds angemessen (LAG Hessen 9.10.15 – 12 Ta 84/15, Rz 20; 30.12.20 – 8 Ta 342/20, Rz 47; 20.6.23 – 10 Ta 24/23, Rz 28).
Rn 43
Mit dem Beugecharakter nicht zu vereinbaren und deshalb unzulässig sind Stundung und Ratenzahlung (keine Anwendbarkeit des Art 7 EGStGB). Das Zwangsgeld fällt an die Staatskasse, nicht an den Gläubiger (BGH NJW 83, 1859, 1860 [BGH 02.03.1983 - IVb ARZ 49/82] mwN) und ist durch den GV zu überweisen. Bei einer Forderungspfändung muss im Überweisungsbeschluss die Zahlung durch den Drittschuldner an die Gerichtskasse angeordnet werden.
Rn 44
Für den Fall, dass das Zwangsgeld nicht beigetrieben werden kann, ordnet das Gericht ersatzweise Zwangshaft an, § 888 I 1. Deren Festsetzung ist nachholbar, wenn die Anordnung im Beschl fehlt (entspr Anwendung des Art 8 I EGStGB). An den Nachweis der Nichtbeitreibbarkeit sind keine strengen Anforderungen zu stellen (Köln FamRZ 02, 895; Ddorf JurBüro 89, 277, 278; KG NJW 63, 2081, 2082).
bb) Vollstreckung.
Rn 45
Die Vollstreckung der Zwangsgeldanordnung steht im Belieben des Gläubigers. Es erfolgt keine Vollstreckung vAw nach dem JBeitrG (so aber München NJW 83, 947), sondern auf Gläubigerantrag hin nach den Bestimmungen über die Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen (RGZ 53, 181, 182 f; BGH NJW 83, 1859, 1860 mwN; Stuttg FamRZ 97, 1495; LG Gießen 9.3.23 – 3 O 493/21, Rz 12; Anders/Gehle/Schmidt ZPO Rz 25; aA für die Vollstreckung vAw, § 1 I Nr 3 JBeitrO [jetzt JBeitrG idF der Bek v 27.6.17 (BGBl I 1926), zuletzt geändert durch Art 15 XIV des G v 4.5.21 (BGBl I 882): München NJW 83, 947).
Rn 46
Der Zwangsgeldbeschluss bedarf einer Vollstreckungsklausel, §§ 795, 724; (aA LG Kiel SchlHA 83, 75, 76; Schuschke/Walker/Walker/Koranyi Rz 43).
cc) Rückforderung.
Rn 47
Str ist, ob der Schuldner einen Rückforderungsanspruch gegen den Staat hat, wenn das Gericht den Vollstreckungstitel oder den Zwangsgeldbeschluss nach der Vollstreckung aufhebt. (Es besteht jedenfalls kein Rückforderungsanspruch, wenn der Zweck des Zwangsmittels erreicht oder nicht mehr erreichbar ist – hier fehlt es schon an einer Grundlage für die Aufhebung – Köln NZFam 17, 230, Rz 3 ff zu § 35 FamFG; Übertragbarkeit auf § 888 offengelassen von der Folgeinstanz BGH FamRZ 17, 1948). Gründe für eine Aufhebung können darin liegen, dass die Vollstreckung zum Beitreibungszeitpunkt (zB wegen Erfüllung) rechtswidrig war oder der Gläubiger nachträglich auf seine titulierten Rechte verzichtet hat. Gegen einen solchen Anspruch wird geltend gemacht, die spätere Aufhebung des Vollstreckungstitels habe auf die Rechtmäßigkeit der Anordnung und die Beitreibung des Zwangsgeldes keinen Einfluss. Der Schuldner müsse sich gem §§ 717 II, 945 an den Gläubiger halten (so KG JW 1922, 1047 f m zust Anm Oertmann; diff Frankf JurBür...