Prof. Dr. Katharina Hilbig-Lugani
I. Zuständigkeit, Verfahrensgrundsätze und Entscheidung.
Rn 33
Zuständig ist das Prozessgericht des ersten Rechtszuges (Vollkammer, nicht Vorsitzender als Einzelrichter, sofern keine Übertragung nach § 348a – Saarl NJW-RR 16, 1205 [OLG Saarbrücken 13.05.2016 - 1 W 13/16], Rz 20 ff), dessen Entscheidung durch begründeten Beschl ergeht, der entweder den Antrag zurückweist oder das Zwangsmittel und die vorzunehmende Handlung konkret bezeichnet. Die Vorschriften über die Rechtskraft von Urteilen (§§ 322–327) gelten grds entsprechend für den formell Rechtskräftigen Zwangsmittelbeschluss nach § 888 (BGH WM 17, 2393 LS 1, Rz 13).
II. Anordnungsverfahren und Vollstreckung.
1. Allgemeines.
Rn 34
Der Schuldner ist gem Abs 1 S 1 mittels Zwangsgeld oder Zwangshaft zur Vornahme einer unvertretbaren Handlung anzuhalten. Es handelt sich um reine Zwangsmittel bzw Beugemaßnahmen, aber keine Kriminalstrafen (unstr, vgl Zweibr FamRZ 98, 384; Hamm NJW-RR 88, 1087, 1088). Das Gericht setzt das Zwangsmittel für den Fall fest, dass die geschuldete Handlung bis zu einem bestimmten Zeitpunkt (Datum oder Frist ab Zustellung) oder innerhalb einer angemessenen Frist nicht erbracht wird.
Rn 35
Dem Gericht steht ein Wahlrecht nach pflichtgemäßem Ermessen zwischen den Zwangsmitteln zu (Köln MDR 82, 589), und zwar unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (Brandbg MDR 07, 429, 430; LAG Frankfurt DB 93, 1248).
Rn 36
Die Verhängung beider Zwangsmittel nebeneinander ist unzulässig, nicht aber die alternative Festsetzung sowie – auf besonderen Antrag – die konsekutive: Nimmt der Schuldner die Handlung nach Vollstreckung des verhängten Zwangsmittels (Celle FamRZ 06, 1689, 1690 mwN; Karlsr FamRZ 94, 1274) nicht vor, kann das Gericht wiederholt dasselbe oder ein anderes Zwangsmittel festsetzen (KG NJW 63, 2081, 2082 [KG Berlin 28.06.1963 - 9 W 674/63]). Weil es sich bei Zwangsgeld und Zwangshaft um reine Beugemaßnahmen handelt, verstößt die Mehrfachanordnung nicht gegen Art 103 III GG (BGH NZI 05, 391, 392 [BGH 14.04.2005 - IX ZB 76/04]).
Rn 37
Aus dem genannten Grund besteht kein Verschuldenserfordernis für die Festsetzung der Zwangsmaßnahmen (ganz hM; Hamm NJW-RR 88, 1087, 1088; Frankf NJW 53, 1029, 1030; LG Bad Kreuznach ZErb 20, 363, Rz 6) und keine Sanktionsmöglichkeit von in der Vergangenheit abgeschlossenen Zuwiderhandlungen (Karlsr NJW-RR 89, 189, 190).
2. Keine Androhung.
Rn 38
Anders als § 890 sieht Abs 2 keine Androhung vor. Sie ist weder erforderlich noch zulässig (hM, vgl nur ArbG Hagen 3.4.20 – 5 BVGa 2/20, Rz 49, so aber bereits vor Einf von Abs 2, vgl Kobl NJW-RR 97, 1337, 1338; aA Köln NJW-RR 95, 1405, 1406). Eine aufschiebend befristete Zwangsmittelfestsetzung kommt dagegen in Betracht (vgl BTDrs 13/341, 41).
3. Adressat der Zwangsmittelanordnung.
Rn 39
Adressat der Zwangsmittelfestsetzung ist grds der Schuldner, auch im Falle der Prozessunfähigkeit (hM; Zweibr OLGR Zweibr 03, 347, 348; Kobl FamRZ 03, 1486; BGH WM 21, 2340, Rz 70, 73 ff m Anm Schörnig MDR 22, 141, Herberger NJW 22, 399 und Damrau ZEV 22, 30). Zwangsgeld wird also in sein Vermögen vollstreckt. Zwangsgeld kann auch dann angeordnet werden, wenn die geschuldete Auskunft nicht durch den prozessunfähigen Auskunftsschuldner, aber durch einen Vertreter erteilt werden kann (Hambg 8.2.21 – 2 W 76/20 LS 1). Gegen eine prozessunfähige natürliche Person, die mangels hinreichender Einsichts- und Steuerungsfähigkeit nicht in der Lage ist, einen natürlichen Willen zur Vornahme der von ihr geschuldeten Handlung zu bilden, darf keine Zwangshaft verhängt werden, da es hier an einem Willen fehlt, der mit Zwangshaft gebeugt werden könnte (BGH WM 21, 2340, Rz 43). Die Streitfrage, ob Zwangshaft gegen eine prozessunfähige natürliche Person, die hinreichend einsichtig und steuerungsfähig und zur Vornahme der zu erwirkenden Handlung in der Lage ist, in Betracht kommt, wurde vom BGH mangels Entscheidungserheblichkeit offengelassen (BGH WM 21, 2340, Rz 43). Die Zwangshaft ist allerdings gegen den gesetzlichen Vertreter anzuordnen (hM; Zweibr OLGR Zweibr 03, 347, 348). Zwangshaft kommt gegen den nur rechtsgeschäftlichen Vertreter nicht in Betracht (Hambg 8.2.21 – 2 W 76/20, Rz 21; BGH WM 21, 2340, Rz 49), weil es dem rechtsgeschäftlichen Vertreter, anders als dem gesetzlichen, freisteht, von seiner Vertretungsmacht keinen Gebrauch zu machen (BGH WM 21, 2340, Rz 50).
Rn 40
Organe juristischer Personen (Organwalter) sind zu behandeln wie gesetzliche Vertreter. Das Zwangsgeld ist gegen die juristische Person anzuordnen und die Zwangshaft gegen die Organe (hM; Dresd FamRZ 00, 298; Schuschke/Walker/Walker/Koranyi Rz 36 unterscheidet nicht zwischen Zwangsgeld und Zwangshaft; anders Frankf GRUR-RR 21, 477 – Zwangsgeld gegen den Geschäftsführer möglich, da zukunftsgerichtete Beugemaßnahme und nicht rückwärtsgerichtete Sanktion).
4. Handlungsvornahme durch den Schuldner.
Rn 41
Die Festsetzung eines Zwangsmittels bedeutet noch keine endgültige Durchsetzung, da der Schuldner sie durch Vornahme der geschuldeten Handlung abwenden kann (Zweibr FamRZ 98, 384). Aus Beschlüssen darf in diesem Fall nicht vollstreckt werden (Ddorf MDR 09, 1193; Karlsr FamRZ 06, 284), sondern die Geldvollstreckung ist einzustellen bzw d...