Prof. Dr. Katharina Hilbig-Lugani
Rn 11
Der Gläubiger hat die Nichtvornahme bzw die unvollständige und unzureichende Vornahme der geschuldeten Leistung trotz Handlungsmöglichkeit im Zeitpunkt der Vollstreckung (hM; statt vieler Köln MDR 03, 114) und vergeblicher Aufforderung darzulegen. Andere, auch nachträglich entstandene, Einwendungen gegen den titulierten Anspruch können nur mit Rechtsmitteln gegen diesen Titel oder im Wege des § 767 geltend gemacht werden (LAG Köln 8.4.21 – 6 Ta 34/21, Rz 13; LAG Hessen 3.8.21 – 10 Ta 56/21, Rz 25); ebenso für den materiell-rechtlichen Einwand eines nach Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens gestellten weiteren Auflösungsantrag, dieser ist nicht im Verfahren nach § 888, sondern nach §§ 719, 707 iVm § 62 I 2, 3 ArbGG geltend zu machen (BAG 28.2.23 – 8 AZR 17/22 = NJW 23, 1307 [BAG 28.02.2023 - 8 AZB 17/22], Rz 27).
1. Erfüllungseinwand.
Rn 12
Ein Erfüllungseinwand des Schuldners ist vom Prozessgericht im Rahmen des Verfahrens nach § 888 zu berücksichtigen (inzw unstr, vgl nur BGH NJW-RR 13, 1336 f [BGH 06.06.2013 - I ZB 56/12], NJW-RR 11, 470, 471 [BGH 20.01.2011 - I ZB 67/09]; BAG 18.12.12 – 3 AZB 73/12, Rz 25; Saarbr ZEV 14, 170; Ddorf FGPrax 17, 118 [BGH 21.02.2017 - II ZB 16/15], Rz 18; LAG Köln BB 17, 1011 [LAG Köln 14.02.2017 - 12 Ta 17/17]; 8.4.21 – 6 Ta 34/21; München AfP 18, 436 [OLG München 14.08.2018 - 18 W 1166/18]; Kobl ZEV 18, 413 [OLG Köln 16.04.2018 - 17 W 39/18], Rz 13; LAG Berlin-Brandenburg 8.11.18 – 21 Ta 1443, Rz 30; LAG Hessen 26.5.23 – 10 Ta 55/23 Rz 17; 20.6.23 – 10 Ta 24/23, Rz 18; München FamRZ 21, 258, Rz 22; zum früheren Streit mwN BGH NJW 05, 367, 369; LG Berlin NZM 13, 360). Dies gilt bis zum Zeitpunkt der Entscheidung über die sofortige Beschwerde (LAG Hessen 26.5.23 – 10 Ta 55/23, Rz 17) Der Erfüllungseinwand kann also während des anhängigen Verfahrens nicht vom Schuldner im Wege des § 767 geltend gemacht werden (München FamRZ 21, 258, 260, Rz 21 ff). Für die Präklusion gilt § 767 II entsprechend (LG Berlin NZM 13, 360 [LG Berlin 14.09.2012 - 63 T 169/12], Rz 8). Dass erfüllt wurde, muss mit den begrenzten Erkenntnismöglichkeiten des Vollstreckungsverfahrens zur Überzeugung des Gerichts feststehen (VGH BaWü ZUR 20, 555, 556 [VGH Baden-Württemberg 14.05.2020 - 10 S 461/20], Rz 9). Im Vollstreckungsverfahren ist zu klären, ob der Schuldner einer festgelegten Verpflichtung nachgekommen ist, nicht aber, worin die Verpflichtung bestand und ob das Urteil zu Recht ergangen war (LAG Köln 8.4.21 – 6 Ta 34/21, Rz 13). Gleichwohl erfolgt im Vollstreckungsverfahren keine ›Prüfung light‹ des Erfüllungseinwands (München FamRZ 21, 258, Rz 22). In ähnlicher Weise wie im Fall des § 362 I BGB ist ein Einwand nach § 888 unbegründet, wenn titulierte Pflicht des Schuldners eine Dauerverpflichtung ist (Karlsr 17.1.20 – 12 U 27/19, Rz 25 ff).
Rn 12a
Beispiele zum Erfolg/Misserfolg des Erfüllungseinwands in der Sache: Eine Verpflichtung, Zugang zum vollständigen Benutzerkonto einer Person bei Facebook zu gewähren, wird erfüllt, indem ein USB-Stick mit einer 14.000-seitigen PDF-Datei übergeben wird (BGH FamRZ 20, 1756). Der Anspruch auf Erteilung eines Zeugnisses ist erst dann erfüllt, wenn das Zeugnis die eigenhändige Unterschrift des Ausstellers trägt (ArbG Bonn 17.5.21 – 3 Ca 2321/20, Rz 2, insoweit nicht beanstandet durch LAG Köln 11.8.21 – 3 Ta 106/21); der Zusatz ›iV‹ schadet nicht (LAG München 12.7.21 – 3 Ta 160/21, Rz 17). Für die Erfüllung des Auskunftsanspruchs des Pflichtteilsberechtigten gegen den Erben genügen keine abstrakten Angaben (›das gesamte Anlagevermögen‹), erforderlich sind konkrete Zahlen (Kobl 15.12.21 – 12 W 412/21 = ZEV 22, 91, Rz 4). Bei der Erstellung eines Nachlassverzeichnisses sind Nachlassgegenstände grds einzeln und übersichtlich darzustellen; Gegenstände von offensichtlich geringem Wert können in Gruppen zusammengefasst werden, sofern diese Darstellung übersichtlich ist (LG Mainz 18.3.21 – 5 O 126/20, Rz 14; insoweit nicht beanstandet von Kobl 26.4.21 – 12 W 145/21).
Rn 12b
Es darf kein Zwang bei der Vollstreckung von Auskunftsansprüchen angewendet werden, wenn die Auskunft in formaler Hinsicht vollständig und hinreichend substanziiert ist, aber ihre Richtigkeit in Zweifel steht (Köln DGVZ 18, 235). Ein Auskunftstitel kann nach Erteilung einer Auskunft mit Erfüllungswirkung auch bei Zweifeln an deren Richtigkeit nicht mehr vollstreckt werden (BayObLG 20.9.21 – 101 ZBR 134/20 = NZG 22, 118, Rz 31 – gilt auch im aktienrechtlichen Erzwingungsverfahren, ebd, Rz 33 ff). Es bleibt daher nur die eidesstattliche Versicherung gem §§ 259 II, 260 II, 261 BGB; ggf iVm §§ 410 Nr 1, 411 I FamFG (vgl nur LG Dortmund 7.6.21 – 9 T 126/21, Rz 2; AG Fürth (Odenwald) 25.3.22 – 1 C 362/20, Rz 7). Wegen dieser Möglichkeit ist das Recht des Auskunftsgläubigers auf effektiven Rechtsschutz nicht unangemessen beeinträchtigt (BayObLG 20.9.21 – 101 ZBR 134/20 = NZG 22, 118, Rz 32). Anders verhält es sich bei einer offensichtlich unvollständigen Auskunft, in diesem Fall kann der Auskunftsanspruch nach § 888 wei...