Prof. Dr. Katharina Hilbig-Lugani
Gesetzestext
1Die nach den §§ 887 bis 890 zu erlassenden Entscheidungen ergehen durch Beschluss. 2Vor der Entscheidung ist der Schuldner zu hören. 3Für die Kostenentscheidung gelten die §§ 91 bis 93, 95 bis 100, 106, 107 entsprechend.
A. Normzweck und systematische Einordnung.
Rn 1
§ 891 regelt das Verfahren für Entscheidungen, die das Prozessgericht als Vollstreckungsorgan nach §§ 887–890 zu treffen hat. Zu beachten ist allerdings, dass die Terminsbestimmung nach § 889 I keine solche ›Entscheidung‹ darstellt (hM). § 891 dient durch den fehlenden Verhandlungszwang der Prozesswirtschaftlichkeit, also der Verfahrensbeschleunigung und -vereinfachung. Zugleich setzt er durch die Verpflichtung, den Schuldner anzuhören, das Rechtsstaatlichkeitsgebot um und konkretisiert damit Art 103 I GG (Anders/Gehle/Schmidt ZPO Rz 2).
B. Verfahren.
I. Entscheidung durch Beschluss und Freistellung von der mündlichen Verhandlung (S 1).
Rn 2
Das Gericht hat nach S 1 durch (begründeten) Beschl zu entscheiden, auch wenn eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat. Förmliche Zustellung erfolgt nach § 329 III. Die mündliche Verhandlung ist fakultativ (§ 891 S 1 iVm § 128 IV); wird sie angeordnet, sind die Beteiligten vAw zu laden (§ 214). § 269 III findet Anwendung, wenn der Zwangsvollstreckungsantrag zurückgenommen wird (LAG Köln 19.8.15 – 2 Ta 248/15, Rz 3, 8 ff; BayObLG 12.9.22 – 101 AR 82/22 = NJW-RR 22, 47, Rz 35); dies gilt nicht für § 269 I, da keine mündliche Verhandlung geboten ist (BayObLG 12.9.2022 – 101 AR 82/22 = NJW-RR 22, 47 [BayObLG 22.04.2021 - 1 ZBR 74/20], Rz 35).
II. Zwingende Anhörung des Schuldners (S 2).
Rn 3
Das Verfahren ist kontradiktorisch (Karlsr 6.12.23 – 6 W 43/23, Rz 11), der Entscheidung geht aus Gründen des rechtlichen Gehörs nach S 2 zwingend eine Anhörung des Schuldners voraus (Karlsr 13.10.22 – 6 W 39/22, Rz 38 = GRUR 23, 680). Die Anhörung eines Prozessbevollmächtigten genügt jedoch (Ddorf MDR 58, 42). Auch im Anwaltsprozess ist aber eine eigene Erklärung des Schuldners zu würdigen. Die Gelegenheit zur Stellungnahme (eine tatsächliche Äußerung ist nicht notwendig) muss das Gericht dem Schuldner entweder schriftlich durch Zustellung des Antragsschriftsatzes (unter Fristsetzung und mit Belehrung analog § 277 II) oder mündlich (zu Protokoll der Geschäftsstelle bzw in der mündlichen Verhandlung) geben. Zur Frage des Ermessens des Gerichts bei Gewährung einer schriftlichen oder persönlichen Anhörungsgelegenheit Celle NZFam 21, 471; 30.05.22 – 21 WF 172/21 = FamRZ 22, 1640, Rz 25; Nürnbg 21.8.17 – 7 WF 881/17. Zum Fall einer öffentlichen Zustellung bei erwarteter 1,5-jähriger (China) Dauer der Zustellung im Wege der Rechtshilfe (§ 185 Nr 3 Alt 2) s München NJW 20, 1378 [OLG München 13.03.2020 - 29 W 275/20]. Verspätete Äußerungen sind grds zu berücksichtigen, wenn die Entscheidung bei Eingang der Äußerung noch nicht erlassen worden ist. Eine Zurückweisung als verspätet kommt jedoch entspr §§ 282, 296 in Betracht (KG OLGZ 79, 366, 367; aA München MDR 81, 1025). § 138 III ist anwendbar (Ddorf NJW-RR 91, 1088), jedoch müssen eine Aufforderung zur Stellungnahme und die Belehrung über den Anwaltszwang (sofern erforderlich) zugestellt werden (Ddorf NJW-RR 91, 1088 [OLG Düsseldorf 22.02.1991 - 15 W 123/90]). Bloße Glaubhaftmachung, zB, dass der Schuldner seiner Verpflichtung schuldhaft zuwider gehandelt hat, reicht nicht aus, vielmehr sind streitige Tatsachen zu beweisen (Schlesw NZM 00, 557 [OLG Schleswig 04.11.1999 - 2 W 163/99]), und zwar auch dann, wenn eine eV die Zwangsvollstreckungsgrundlage darstellt (str; Anders/Gehle/Schmidt ZPO Rz 5 mwN; aA Dahm MDR 96, 1101 f). Selbst wenn § 891 S 2 verletzt wird, kommt eine Aufhebung des angefochtenen Ordnungsmittelbeschlusses in der sofortigen Beschwerde nur in Betracht, wenn die Entscheidung auf der Gehörsverletzung beruht, mithin anders hätte ausfallen können, wenn Gehör gewährt worden wäre. Hierfür muss der Schuldner auch darlegen, was er in einer Anhörung vorgebracht und welche Beweismittel er angeboten hätte (Dresd 31.8.20 – 4 W 621/20, Rz 4).
III. Kostengrundentscheidung (S 3).
Rn 4
Entscheidungen im Verfahren nach §§ 887, 888, 890 sollen nach S 3 stets eine Kostengrundentscheidung enthalten, und zwar entspr §§ 91–93, 95–100, 106, 107 (zur Erledigung vgl KG WuM 06, 530, 531 [KG Berlin 16.06.2006 - 8 W 15/06]; zur Kostenverteilung iE und zu Bsp Anders/Gehle/Schmidt ZPO Rz 7). Wegen der Anwendbarkeit der §§ 91 ff kommt eine differenzierte Kostenentscheidung in Betracht. Für die Verteilung ist auf den Vollstreckungsantrag des Gläubigers abzustellen und wie weit er Erfolg hatte. Mit Einf der Regelung (durch das 2. ZVGÄndG) wurde die Möglichkeit angemessener Kostenentscheidungen in Fällen bezweckt, in denen der Gläubigerantrag nur zT Erfolg hatte (vgl auch Musielak/Voit/Lackmann Rz 1). Da dies allerdings im Wortlaut nicht zum Ausdruck kommt, müssen Kostengrundentscheidungen nicht nur im Falle des Teilunterliegens ergehen, sondern immer. Ein Teilunterliegen (§ 92) des Gläubigers im Ordnungsmittelverfahren ist gegeben, wenn er in seinem Antrag einen Mindestbetrag des festzusetzenden Ordnungsgeldes nennt und das Gericht einen geringeren Betrag festsetzt (BGH NJW 15, 1829 [BGH 19.02.2015 - I ZB 55/13], ...