Prof. Dr. Katharina Hilbig-Lugani
Gesetzestext
1Ist durch ein vorläufig vollstreckbares Urteil der Schuldner zur Abgabe einer Willenserklärung verurteilt, auf Grund deren eine Eintragung in das Grundbuch, das Schiffsregister oder das Schiffsbauregister erfolgen soll, so gilt die Eintragung einer Vormerkung oder eines Widerspruchs als bewilligt. 2Die Vormerkung oder der Widerspruch erlischt, wenn das Urteil durch eine vollstreckbare Entscheidung aufgehoben wird.
A. Normzweck und systematische Einordnung.
Rn 1
Die Norm des § 895 ergänzt § 894, wenn der vom Schuldner abzugebenden Willenserklärung eine Eintragung in das GB oder das Schiffs(bau-)register folgen soll. Wegen der oft erheblichen Zeitspanne zwischen Urteilserlass und Eintritt der formellen Rechtskraft, die die Fiktionswirkung des § 894 auslöst, besteht die Gefahr einer Anspruchsvereitelung infolge titelwidriger Vfg durch den weiterhin im Register eingetragenen Schuldner. Ihr kann materiell-rechtlich durch Eintragung einer Vormerkung (§ 883 BGB) oder eines Widerspruchs (§ 899 BGB) begegnet werden. Durch die Fiktion der erforderlichen Bewilligung des Schuldners (vgl etwa § 19 GBO) bewirkt § 895 bereits bei vorläufig vollstreckbaren Urt die prozessuale Sicherung des Gläubigeranspruchs bis zum Eintritt der formellen Rechtskraft.
B. Tatbestandsvoraussetzungen.
I. Urteil auf Abgabe einer Willenserklärung.
Rn 2
Der Geltungsbereich der Vorschrift ist wegen des Zusammenhangs mit § 894 auf (Leistungs-)Urteile beschränkt (aA Anders/Gehle/Schmidt ZPO Rz 3). Prozessvergleiche sowie vollstreckbare Urkunden werden nicht erfasst. Im Gegensatz zu § 894 betrifft die Norm aber auch keine rechtskraftfähigen Beschlüsse, weil diese die Hauptsache vorwegnehmen würden (zur sog Befriedigungsverfügung MüKoZPO/Gruber Rz 2). Die Vorschrift ist ferner nicht anwendbar auf die Eintragung einer Vormerkung bzw eines Widerspruchs aufgrund einer eV gem § 885 I 1 Alt 1, § 899 II 1 Alt 1 BGB (Frankf FGPrax 95, 180 [OLG Frankfurt am Main 14.06.1995 - 20 W 184/95] mwN). Die Eintragung erfolgt auf Antrag des Gläubigers – auch zug eines Dritten (KG ZMR 79, 218, 219) – beim GBA unter Vorlage einer Ausfertigung des Urt.
Rn 3
Die vom Schuldner abzugebende Willenserklärung muss eine Registereintragung oder -löschung erforderlich machen, zB die Auflassungserklärung sowie die Bestellung einer Hypothek oder Grundschuld, wegen des eindeutigen Wortlauts aber nicht die Bewilligung einer Vormerkung (BayObLG NJW-RR 97, 1445, 1446). § 895 gilt entspr, wenn sich die Bewilligung auf Eintragung in andere als die ausdrücklich genannten Register richtet (zB Eintragung in die Luftfahrzeugrolle gem § 99 I LuftFzgG).
II. Vorläufige Vollstreckbarkeit.
Rn 4
Die Fiktion der Bewilligung setzt die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urt iSd §§ 708 f, 537, 558 voraus. Der Schuldner kann die Rechtsfolgen des § 895 gem §§ 711 ff durch Sicherheitsleistung abwenden. Steht die vorläufige Vollstreckbarkeit nach § 709 unter der Bedingung einer Sicherheitsleistung, muss der Gläubiger deren Bewirkung für den Fiktionseintritt nachweisen.
C. Rechtsfolgen.
Rn 5
Die Norm fingiert die Bewilligung des Schuldners für den Zeitpunkt, in dem das vorläufig vollstreckbare Urt erlassen wird (Bewilligungsfiktion). Die Fiktion bezieht sich je nach Anspruchsinhalt auf die Eintragung einer Vormerkung gem § 883 BGB oder eines Widerspruchs gem § 899 BGB. Da die Eintragung selbst keinen Akt der Zwangsvollstreckung darstellt, sind weder Vollstreckungsklauseln noch Zustellung erforderlich (BGH Rpfleger 69, 425). Auch § 788 findet keine Anwendung (Celle NJW 68, 2246, 2247 [OLG Celle 22.05.1968 - 8 W 98/68]). Die Eintragung folgt den Vorschriften der GBO, so dass gegen Entscheidungen des GBA die Grundbuchbeschwerde gem §§ 71 ff GBO in Betracht kommt. Die materiell-rechtliche Richtigkeit des Urt wird vom GBA aber nicht überprüft (KG Rpfleger 81, 22, 23).
Rn 6
Wird das Urt durch vollstreckbare Entscheidung aufgehoben, erlischt die Vormerkung bzw der Widerspruch, S 2. Die Berichtigung des GB erfolgt aufgrund eines Löschungsantrags durch den Schuldner, § 25 S 2 GBO. Mögliche (Schadensersatz-)Ansprüche gründen sich auf § 717 II, III (Zö/Seibel Rz 2; Wieczorek/Schütze/Rensen Rz 10). Eine spätere Wiederherstellung des Urt im Rechtsmittelverfahren macht den Rangverlust des Gläubigers infolge der Löschung nicht rückgängig, weil Dritte auf die Rechtslage vertraut haben können. Die Einstellung der Zwangsvollstreckung wirkt sich auf eine Eintragung nicht aus, weil nur die Bewilligung selbst einen Akt der Zwangsvollstreckung darstellt, die damit nicht entfällt. Eine Löschung der Vormerkung bzw des Widerspruchs bedarf in einem solchen Fall der Zustimmung des Gläubigers (vgl KG Rpfleger 81, 22, 23). Nach Eintritt der Rechtskraft – und damit der Fiktionswirkung des § 894 S 1 – muss die Eintragung auf Antrag des Gläubigers vom GBA in eine endgültige umgewandelt werden (Zö/Seibel Rz 2; Wieczorek/Schütze/Rensen Rz 9).