I. Grundlagen.
Rn 4
Geregelt ist ein formalisiertes Nachweisverfahren, nicht Beweisverfahren. Bereits begrifflich weist die Terminologie des Nachweises diesen Unterschied aus. Unter den gesetzlich bestimmten Voraussetzungen muss das Kreditinstitut den Pfändungsschutz für den Schuldner ›beachten‹. Diese Formulierung belegt die Gebundenheit des Kreditinstituts, indem sie konkretisiert, wann das Kreditinstitut an den Schuldner zu leisten hat. Mit diesem formalisierten Nachweisverfahren steht fest, welche Voraussetzungen der Schuldner zu erfüllen hat und wie das Kreditinstitut damit umgehen muss. Ausgangspunkt ist die Leistungspflicht des Kreditinstituts gegenüber dem Vollstreckungsgläubiger hinsichtlich des gepfändeten Guthabenbetrags. Regelungsaufgabe ist, wie über den Grundfreibetrag hinausgehende Erhöhungsbeträge rechtssicher belegt werden können. Wird ein Erhöhungsbetrag durch einen Nachweis entspr der gesetzlichen Regelung belegt, muss das Kreditinstitut mit befreiender Wirkung gegenüber dem Schuldner leisten. Vom Schuldner ist dazu eine den gesetzlichen Kriterien entspr Bescheinigung vorzulegen. Anschließend hat Kreditinstitut lediglich zu prüfen, ob die gesetzlichen Erfordernisse erfüllt sind. Zusätzliche Anforderungen dürfen vom Kreditinstitut nicht aufgestellt werden. Es hat damit lediglich die Vollständigkeit der Angaben zu überprüfen (Musielak/Voit/Lackmann § 903 Rz 5). Ein Recht zur freien Beweiswürdigung, wie dies nach § 286 dem Gericht zusteht, ist ihm nicht eröffnet. Sind die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt, steht dem Kreditinstitut kein Spielraum bei der Umsetzung zu. Es besteht auch kein allgemeiner Beurteilungsspielraum über die Inhalte der Bescheinigung.
Rn 5
Lediglich in den Grenzfällen von Abs 2 S 3 und 4 steht dem Kreditinstitut ein weitergehendes Prüfungsrecht zu. Abs 2 S 3 berechtigt das Kreditinstitut, nach Fristablauf eine neue Bescheinigung zu verlangen. Nach Abs 2 S 4 kann das Kreditinstitut außerdem eine neue Bescheinigung verlangen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte bestehen, welche die Annahme rechtfertigen, die Angaben in der Bescheinigung seien unrichtig oder träfen nicht mehr zu.
Rn 6
Durch die unter den gesetzlichen Voraussetzungen erfolgende und erfolgte Nachweisführung ist eine rechtssichere Gestaltung bei der Leistung des Erhöhungsbetrags geschaffen. Diese Regelung sichert eine verlässliche Leistung des Erhöhungsbetrags an den Schuldner. Zugleich schützt sie das Kreditinstitut vor einer fehlerhaften Rechtsanwendung, sei es durch eine Leistung an den Gläubiger, sei es durch eine Leistung an den Schuldner. Verfügungen des Schuldners im Rahmen des durch die Erhöhungsbeträge zusätzlich geschützten Guthabens, sind infolge der Nachweisführung vom Kreditinstitut auszuführen.
Rn 7
Für das Nachweisverfahren ist eine detaillierte Regelung aufgestellt. § 903 I 2 bestimmt, wessen Bescheinigungen das Kreditinstitut zu beachten hat. Aufgeführt sind in dieser Vorschrift die Stellen, die berechtigt sind, Bescheinigung auszustellen. Daran schließen sich in Abs 2 Bestimmungen über die Geltungsdauer von Bescheinigungen an. Es folgen in Abs 3 Aussagen über die Bescheinigungspflicht und den Inhalt der Bescheinigung. Schließlich bestimmt Abs 4, ab wann das Kreditinstitut die Angaben aus der Bescheinigung zu beachten hat.
II. Persönlicher Anwendungsbereich.
Rn 8
Zu bestimmen ist die Antragsberechtigung oder genauer die Nachweisberechtigung. Bedarf es für einen Zugang zu dem Nachweisverfahren einer Kontopfändung oder kann jeder Kontoinhaber unter den sonstigen Voraussetzungen vom Kreditinstitut verlangen, die Erhöhungsbeträge zu beachten? Letztlich geht es darum, ob der Kontoinhaber ein besonderes rechtliches Interesse benötigt oder ob die Beachtung der Erhöhung der pfändungsfreien Beträge gleichsam ins Blaue hinein verlangt werden darf. Gegen einen uneingeschränkten Zugang sämtlicher Kontoinhaber zu dem Nachweisverfahren spricht die daraus resultierende Belastung von bescheinigender Stelle und Kreditinstitut. Zudem ginge der Nachweis zumindest zunächst ins Leere. Allerdings könnte durch ein frühzeitiges und vielleicht auch vorzeitiges Nachweisverfahren einem etwaigen Zeitdruck begegnet werden und damit der Kontopfändungsschutz für den Kontoinhaber effektiver ausgestaltet werden.
Rn 9
Neben der Teleologie kommt dabei der gesetzlichen Terminologie eine entscheidende Bedeutung zu. Das Gesetz differenziert bei den Personenbezeichnungen zwischen Personen bzw natürlichen Personen sowie dem Schuldner. Von einer natürlichen Person oder allg einer Person wird bei einem nicht gepfändeten Konto oder jedenfalls dann gesprochen, wenn eine Pfändung keine Rolle spielt, vgl §§ 850k I, 901 I. Demgegenüber wird bei einem gepfändeten Konto vom Schuldner gesprochen, §§ 850k II, 850l I, III, 899. Dies gilt auch iRv § 903 I, bei dem es um die Leistung eines verstrickten Guthabens an den Gläubiger geht. Das Nachweisverfahren kann daher nicht abstrakt von jedem Kontoinhaber eingeleitet werden, sondern nur dann, wenn das Guthaben auf dem Pfändungsschutzkonto gepfändet ist.