Rn 7
Durch § 906 II wird, jenseits der Reduzierung bei einer privilegierten Pfändung nach Abs 1, die Modifikation des pfändungsfreien Guthabens nach §§ 899 I, 902 S 1 ermöglicht. Die Norm basiert auf der bisherigen Regelung in § 850k IV 2, die noch dem Regierungsentwurf zugrunde gelegen hat. Dieser Regelungsvorschlag enthielt eine enumerierte Aufzählung der zu berücksichtigenden Vorschriften, doch bestand seine Schwäche darin, den sachgerechten Pfändungsschutz möglicherweise nicht vollständig abzubilden. Im Gesetzgebungsverfahren ist dann die abweichende Festsetzung vorgesehen worden, wenn sie sich aus einer bundes- oder landesrechtlichen Vorschrift ergibt.
Rn 8
Abs 2 enthält damit eine Generalklausel zur Angleichung des Kontopfändungsschutzrechts an das sonstige Vollstreckungsrecht. Damit wird eine Berücksichtigung sämtlicher Pfändungsschutzvorschriften ermöglicht. Dies betrifft etwa auch nach § 851 unpfändbare Forderungen. In jüngerer Zeit ist dies bei der Unpfändbarkeit von Corona-Soforthilfen für Selbständige festgestellt worden (BGHZ 229, 94, Rz 9; AG Passau JurBüro 20, 330; Ahrens NZI 20, 495; ders ZInsO 21, 1189; Busch VuR 21, 356, 357; Selentin JurBüro 21, 283; anders Sudergat Kontopfändung und P-Konto, Rz 1764, ›können‹). Corona-Sonderzahlungen an Pflegekräfte in zugelassenen Pflegeeinrichtungen sind nach Maßgabe von § 150a VIII SGB XI unpfändbar. Pflegegeld nach § 37 SGB XI ist bei dem Pflegebedürftigen unpfändbar (BeckOGK SGB XI/Leitherer § 37 Rz 6). An die Pflegeperson weitergeleitetes Pflegegeld gem § 37 SGB XI ist nach § 851 Abs 1 und § 399 BGB unpfändbar (BGH ZRI 23, 109 Rz 11). Bei der Energiepreispauschale I für Erwerbstätige folgt die Unpfändbarkeit jetzt aus § 122 EStG (dazu LG Hildesheim NZI 23, 83; Ahrens NZI 23, 57). Ansprüche auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 42 IV 1 SGB II und Ansprüche auf Sozialhilfe gem § 17 I 2 SGB XII einschl der Leistungen nach dem AsylbLG (BSG NZS 18, 288) sind unpfändbar.
Rn 8a
Zulässig ist die Heraufsetzung des pfändungsfreien Betrags wegen Mehrverdienstes, unpfändbarer oder bedingt pfändbarer Bezüge, sonstiger Einkünfte und bei Altersrenten. Angeglichen werden aber auch die Berechnungsvorschriften. Lottogewinne begründen kein Recht auf Erhöhung des Betrags (LG Flensburg JurBüro 21, 330). Die fehlerhafte Überweisung eines pfändungsgeschützten Betrags auf ein Pfändungsschutzkonto (hier: Corona-Soforthilfe) führt nicht zu Heraufsetzung des pfändungsfreien Betrags (AG Solingen JurBüro 21, 386).
Rn 8b
Möglich ist auch eine Herabsetzung des Betrags nach § 902 S 1, etwa wenn der Schuldner keinen Unterhalt leistet, § 850c II oder die unterhaltsberechtigte Person über eigenes Einkommen iSd § 850c VI verfügt (AG Wuppertal JurBüro 22, 613). Auch wenn der Schuldner keine Kaltmiete zahlt, darf das Vollstreckungsgericht indessen nicht den pfändungsfreien Betrag um eine entspr Summe herabsetzen oder einen entspr Wert als fiktives Einkommen hinzurechnen (vgl BGH ZVI 04, 46; aA AG Bamberg JurBüro 21, 331; AG Nordenham JurBüro 21, 331). Dies widerspräche dem pauschalen Gehalt des Pfändungsfreibetrags.
Rn 9
Voraussetzung für die Festsetzung eines abweichenden Betrags ist ein Antrag. Antragsberechtigt sind der Vollstreckungsgläubiger und der Schuldner. Ein Rechtsschutzbedürfnis für den Schuldner besteht bereits dann, wenn eine gegen ihn gerichtete Forderung tituliert ist. Eine Pfändung ist nicht erforderlich.