1. Grundsatz.
Rn 4
Abs 2 ordnet an, dass in allen Prozessen die Kosten eines Rechtsanwalts der obsiegenden Partei zu erstatten sind, sofern keine gesetzlichen Ausnahmen greifen, wie etwa im Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren (§§ 118 I 4, 127 IV). Erfasst werden damit alle Verfahren nach der ZPO, also nicht nur die Erkenntnisverfahren, sondern auch Beschlussverfahren, Mahnverfahren, selbstständige Beweisverfahren etc. AA ist zu Unrecht das OLG München (AGS 12, 558 = Rpfleger 13, 51 [OLG München 20.09.2012 - 11 W 1667/12]), das Abs 2 S 1 nur auf Rechtsstreite anwenden und iÜ eine Notwendigkeitsprüfung vornehmen will. In der Zwangsvollstreckung gilt § 788, der insoweit allerdings wiederum auf § 91 und damit auch auf Abs 2 S 1 verweist.
2. Reisekosten des Anwalts.
Rn 5
Näher geregelt ist auch, inwieweit die Reisekosten eines Anwalts zu erstatten sind
- Reisekosten eines am Gerichtsort ansässigen Anwalts sind immer zu erstatten, etwa zur Teilnahme an auswärtigen Beweisterminen (AG Zeitz AGS 19, 45 = NJW-Spezial 19, 125 [AG Zeitz 05.12.2018 - 4 C 164/17]),
- Reisekosten eines im Gerichtsbezirk niedergelassenen Anwalts sind ebenfalls immer zu erstatten, also die Reisekosten für Fahrten zum Gericht und zu sonstigen auswärtigen Terminen. Eine Notwendigkeitsprüfung darf hier nicht vorgenommen werden (LG Krefeld JurBüro 11, 307 = RVGreport 11, 235; AGS 14, 424 = JurBüro 14, 377; AG Siegburg AGS 12, 594; LG Limburg AGS 13, 98; LG Gera AGS 14, 251; AG Gießen AGS 14, 544; LG Bonn AGS 15, 11); das gilt auch dann, wenn es sich beim Mandanten selbst um eine ortsansässige Anwaltskanzlei handelt (AG Bonn AGS 19, 201 = NJW-Spezial 19, 221 = AnwBl 19, 300 [AG Bonn 05.03.2019 - 112 C 15/19]),
- Reisekosten eines nicht im Gerichtsbezirk niedergelassenen Anwalts sind nur insoweit erstattungsfähig, als sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren. Es muss also eine besondere Notwendigkeit bestanden haben, einen Anwalt außerhalb des Gerichtsbezirks zu beauftragen. Ist dies gegeben, sind die Reisekosten ohne Einschränkung in voller Höhe zu übernehmen (BGH NJW 21, 3663 = JurBüro 21, 583). Ist dies nicht gegeben, sind dessen tatsächliche Reisekosten aber jedenfalls insoweit zu erstatten, als diese auch bei einem am entferntesten Ort des Gerichtsbezirks niedergelassenen Anwalt angefallen wären. Reisekosten eines nicht im Gerichtsbezirk ansässigen Anwalts sind daher nicht generell von der Kostenerstattung ausgeschlossen, sondern nur in der Höhe begrenzt bis zur höchstmöglichen Entfernung innerhalb des Gerichtsbezirks (BGH AGS 18, 319 = NJW 18, 2572 = JurBüro 18, 588; AnwBl 19, 109 = AGS 19, 42 = NJW 19, 681). Bei mehreren Instanzen ist für jede Instanz auf den jeweiligen Gerichtsbezirk abzustellen (Frankf AGS 18, 481 = JurBüro 19, 23). Sofern ein Bundesland von der Möglichkeit des § 13a GVG Gebrauch gemacht und die Zuständigkeit eines Gerichts in bestimmten Streitigkeiten für mehrere Gerichtsbezirke angeordnet hat, sind die Reisekosten, zu erstatten bis zur höchstmöglichen Entfernung innerhalb des Zuständigkeitsbereichs des zentralen Gerichts (LG Dortmund AGS 19, 535 [VG Düsseldorf 03.09.2019 - 15 L 1184/19.A] = NJW-Spezial 19, 701 [OVG Nordrhein-Westfalen 30.04.2019 - 4 E 275/19]). Soweit sich der Gerichtsbezirk auf mehrere Bundesländer erstreckt, gilt das Gebiet der erfassten Bundesländer (LAG Berlin-Brandenburg AGS 19, 441 = RVGreport 19, 221).
- Soweit nach den vorstehenden Grundsätzen Reisekosten des Anwalts erstattungsfähig sind, kann deren Erstattungsfähigkeit im Einzelfall nicht mit der Begründung verneint werden, dass das Gericht dem Anwalt nach § 128a die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung per Video von einem anderen Ort gestattet hat. Auch in diesem Fall sind die Reisekosten des Anwalts erstattungsfähig, wenn er dennoch am Termin teilnimmt (Zweibr NJW-Spezial 23, 763; LG Frankenthal Beschl v 8.9.23 – 3 O 103/21; LG Aachen Beschl v 22.3.23 u 20.7.23 – 8 O 545/21). Insb kann die persönliche Anreise nicht als rechtsmissbräuchlich angesehen werden. So können gute Gründe dafürsprechen, von einer Videokonferenz abzusehen und persönlich zu erscheinen.
3. Mehrere Anwälte.
Rn 6
Die Kosten mehrerer Anwälte sind grds nicht zu erstatten. Das Gesetz geht davon aus, dass die Partei das gesamte Verfahren mit einem einzigen Anwalt durchführen kann. Werden mehrere Anwälte, sei es nebeneinander oder nacheinander, beauftragt, so sind deren Kosten grds nur insoweit erstattungsfähig, als die Kosten auch bei Beauftragung eines Anwalts entstanden wären.
Darüber hinaus sind ausnahmsweise die Kosten mehrerer nebeneinander oder nacheinander beauftragter Anwälte zu erstatten, wenn besondere Gründe hierfür bestanden.