I. Normzweck.
Rn 1
Wird eine ursprünglich zulässige und begründete Klage durch ein nachträgliches Ereignis unzulässig oder unbegründet, droht dem Kl Klageabweisung mit der Folge der Kostenlast (§ 91). Um dies zu vermeiden, könnte er zwar die Klage zurücknehmen (§ 269 I) oder auf den geltend gemachten Anspruch verzichten (§ 306). In beiden Fällen verbliebe es – bei Reduzierung der Verfahrensgebühr gem Nr 1211 GKG-KV – jedoch bei seiner grds Kostentragungspflicht (§ 91 bzw § 269 III 2 Hs 1). Dies kann insb dann zu Unbilligkeiten führen, wenn das nachträglich eingetretene Ereignis nicht aus der Sphäre des Kl, sondern des Beklagten stammt, etwa wenn der Bekl die Forderung nach Klageerhebung erfüllt. § 91a ermöglicht dem Gericht eine Kostenentscheidung nach Billigkeitsgesichtspunkten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes, wenn die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklären (zur Entstehungsgeschichte vgl Schumann FS Vollkommer 06, 155 ff). Die Vorschrift dient damit in erster Linie der Kostengerechtigkeit. Darüber hinaus dient sie aber auch der Prozessökonomie, da Entscheidungsgrundlage grds der ›bisherige Sach- und Streitstand‹ ist, so dass neues Vorbringen nur eingeschränkt zu berücksichtigen ist und eine Beweisaufnahme idR ausscheidet (s Rn 29).
Rn 2
Zu unterscheiden sind übereinstimmend und einseitig erklärte Erledigung vor und nach Rechtshängigkeit sowie umfassende und tw Erledigung. Die Problematik der Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache ist in § 91a nur unvollständig, nämlich lediglich für den Fall übereinstimmender und umfassender Erledigungserklärungen (Rn 17 ff) geregelt, wobei bereits hier vieles umstr ist. Für die Folgen einseitiger (Rn 45 ff) oder nur teilweiser (Rn 41 bzw 63) Erledigungserklärungen haben Rspr und Lehre hieran anknüpfend Voraussetzungen und Rechtsfolgen geregelt, die zT jedoch ebenfalls sehr umstr sind.
II. Anwendungsbereich.
Rn 3
Die Vorschrift und die zu ihr entwickelten Grundsätze der Erledigung des Rechtsstreits gelten zunächst für alle kontradiktorischen Verfahren der ZPO, die der Dispositionsmaxime unterliegen und mit einer selbstständigen Entscheidung über eine Hauptsache und die Kosten enden. Darunter fallen neben dem Urteilsverfahren folgende Verfahren: Arrest und einstweilige Verfügungen (Köln CR 19, 656), das Zwangsversteigerungsverfahren, soweit es sich um ein kontradiktorisches Verfahren handelt und nicht § 788 vorgeht (BGHZ 170, 378 = NJW 07, 2993; DGVZ 19, 79), der Zwischenstreit (zB nach § 71 – Oldbg VersR 66, 1173), das Beschwerdeverfahren betr Richterablehnung (Rostock NJW-RR 07, 429; Celle BauR 11, 721; Kobl Beschl v 21.6.19 – 4 W 136/19 – juris), das Verfahren auf Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs (BayObLG v 8.1.24 – 102 Sch 170/23 e – juris), das Verfahren auf Vollstreckbarerklärung nach § 537 (Frankf NJW-Spezial 18, 284) und das Zwangsvollstreckungsverfahren, soweit nicht die speziellere Vorschrift des § 788 vorgeht, insb Erinnerungen nach § 766 (LG Frankenthal Rpfleger 84, 361), Pfändungsverfahren (LG Fulda Rpfleger 93, 172 [LG Fulda 07.09.1992 - 3 T 148/92]), Verfahren nach § 794a (BGH NJW-RR 09, 422; LG Waldshut Tiengen WuM 93, 621), Verfahren nach § 765a (BGH WuM 10, 250), das auf Aufhebung des Haftbefehls nach § 802g gerichtete Beschwerdeverfahren (BGH NJW-RR 19, 317 u WM 21, 2292) und die Verfahren nach §§ 887, 888, 890 (BGH WuM 05, 139; Karlsr FamRZ 10, 1839; BayObLG NJW-RR 97, 489; München MDR 91, 357 und Beschl v 14.2.17 – 13 W 108/17 – juris; aA Braunschw JurBüro 99, 46 für § 887). Das Verfahren zur Eintragung in das Schuldnerverzeichnis kann mangels Vorliegens eines kontradiktorischen Verfahrens nicht mit der Kostenfolge des § 91a für erledigt erklärt werden (LG Stuttgart DGVZ 20, 98). Eine differenzierte Betrachtungsweise gilt für das Mahnverfahren (Rn 79). Im selbstständigen Beweisverfahren findet § 91a keine Anwendung (Rn 80). Das Kostenfestsetzungsverfahren nach §§ 103 ff kann selbst nicht für erledigt erklärt werden, da dort keine Kostengrundentscheidung ergeht. Eine Erledigungserklärung kommt aber im Beschwerdeverfahren in Betracht (BGH NJW 09, 234 [BGH 17.09.2008 - IV ZB 17/08]; KG KGR 09, 592; Rn 66 ff). Die Grundsätze zur Erledigung gelten in allen Rechtszügen, wobei streng zwischen Erledigung der Hauptsache und des Rechtsmittels zu trennen ist (vgl Rn 68). Nicht anwendbar ist § 91a im Vorabverfahren über den Rechtsweg (BGH NJW-RR 01, 1007 [BGH 11.01.2001 - V ZB 40/99]). Im Verfahren der Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Titels kommt eine Erledigung der Hauptsache allenfalls in Betracht, wenn sich das erledigende Ereignis erst im Beschwerderechtszug verwirklicht (BGH NJW-RR 10, 571). Auch im PKH-Verfahren ist für eine Erledigungserklärung kein Raum, sofern die Klage nicht rechtshängig geworden ist (BGH FamRZ 09, 1663). Das gilt auch dann, wenn die Klage zugleich mit dem PKH-Antrag eingereicht wurde und noch vor ihrer Zustellung für erledigt erklärt wird (Karlsr FamRZ 97, 220; Brandbg MDR 00, 139...