I. Allgemeines.
Rn 7
Von Erledigung – genauer: Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache – spricht man, wenn eine ursprünglich zulässige und begründete Klage durch ein Ereignis nach Rechtshängigkeit (dazu Rn 51 ff) gegenstandslos (unzulässig oder unbegründet) geworden ist (BGH NJW 86, 588; BGHZ 106, 359 = NJW 89, 2885; BGHZ 155, 392 = NJW 03, 3134; krit zur Terminologie Prütting/Wesser ZZP 116, 267, 277 ff). Dabei ist Hauptsache der vom Kl verfolgte Streitgegenstand bzw die begehrte Rechtsfolge. Erledigung kann also nur eintreten, wenn die Klage im Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses zulässig und begründet war. Eine erst später eintretende Unzulässigkeit der Klage ist unschädlich (BGH NJW 86, 588). Das die Erledigung auslösende Ereignis muss vor der Erledigungserklärung liegen (BGH NJW 86, 588 [BGH 06.12.1984 - VII ZR 64/84]) und ist von dieser streng zu trennen. Ersteres ist ein faktisches Ereignis, das zur Unzulässigkeit oder Unbegründetheit der Klage führt, das gerichtliche Verfahren selbst jedoch unberührt lässt. Für dieses ist allein von Bedeutung, ob die Parteien den Rechtsstreit für erledigt erklären. Die Erledigungserklärung ist eine Prozesshandlung.
Rn 8
Das die Erledigung auslösende Ereignis stammt typischerweise, aber nicht notwendig aus der Sphäre des Beklagten. Nach hM kommt es allein auf den objektiven Eintritt des Ereignisses und nicht auf die Frage einer subjektiven Verantwortlichkeit an (BGHZ 184, 128 = NJW 10, 2422; BGH NJW-RR 93, 1319 mwN auch zur Gegenauffassung, welche darauf abstellt, ob das Ereignis in den Verursachungs- bzw Verantwortungsbereich des Kl selbst fällt). Dem ist zuzustimmen. Billigkeitserwägungen können nach Zustimmung des Beklagten zur Erledigung iRd Kostenentscheidung nach § 91a berücksichtigt werden, um etwaige Nachteile für diesen abzuwenden. Die Erledigung nur eines von mehreren Klagegründen führt nicht zur Erledigung des Rechtsstreits (Ddorf MDR 78, 763).
II. Einzelfälle.
Rn 9
Häufigster Fall ist die freiwillige Erfüllung des Klageanspruchs durch den Bekl oder einen Dritten (St/J/Muthorst Rz 6 Fn 24), auch wenn sie nur unter Vorbehalt der Rückforderung erfolgt (Nürnb FamRZ 00, 1025). Das gilt allerdings nicht, wenn der Vorbehalt nicht nur – wie üblich – § 814 BGB ausschließen soll, sondern die Erfüllung unter die Bedingung des Bestehens der Forderung stellt und damit dem Gläubiger weiterhin die Beweislast für deren Bestehen aufbürdet. Das ist insb anzunehmen, wenn der Schuldner während des Rechtsstreits zahlt und diesen trotzdem fortsetzt. Ggf muss der Schuldner beweisen, dass die Leistung unter Aufrechterhaltung der Beweislast erfolgte (BGHZ 139, 357 = NJW 99, 494). Bsp für Erfüllung sind die Herausgabe der herausverlangten Sache, die Erteilung der begehrten Auskunft (BGHZ 141, 318 = NJW 99, 2520), die Mängelbeseitigung bei der Vorschussklage (Kobl NJW-RR 90, 981), der Abdruck bzw die Ausstrahlung einer Gegendarstellung (Kobl NJW-RR 06, 484), die Abgabe der erstrebten Willenserklärung oder der verlangten strafbewehrten Unterlassungserklärung (und damit Wegfall der Wiederholungsgefahr beim Unterlassungsanspruch – BGH NJW-RR 06, 566 [BGH 24.10.2005 - II ZR 56/04]; Hamm GRUR 84, 70; Frankf GRUR-RR 11, 338; Bernreuther GRUR 07, 660) sowie die Vereinigung von Gläubiger- und Schuldnerstellung durch Konfusion (Köln NJW-RR 92, 1337). Bei einer Überweisung kommt es auf die Gutschrift an (Hamm OLGR 95, 80). Die Gewährung von Abwehrschutz im Haftpflichtprozess erledigt die anhängige Deckungsschutzklage (Köln VersR 17, 478). Keine Erledigung tritt dagegen ein, wenn der Bekl lediglich zur Abwendung der drohenden Zwangsvollstreckung aus einem vorläufig vollstreckbaren Titel leistet (BGHZ 94, 274 = NJW 85, 2405; NJW 15, 699; Saarbr NJW-RR 98, 1068; Hamm NJW-RR 06, 391; aA für Erfüllung durch Auskunftserteilung LArbG Frankf Urt v 27.1.17 – 14 Sa 95/16 – juris; für den Sonderfall des Abdrucks bzw der Ausstrahlung einer Gegendarstellung vgl Kobl NJW-RR 06, 484; für die eV Celle NJOZ 18, 1179) oder aus einem durch etwaige Aufhebung im Nachverfahren auflösend bedingten Vorbehaltsurteil (BGHZ 86, 269 = NJW 83, 1111). Gleiches gilt für die Beitreibung aus einem vorläufig vollstreckbaren Titel (Saarbr NJW-RR 98, 1068; zust Becker-Eberhard JuS 98, 884 [OLG Saarbrücken 05.11.1997 - 1 U 131/97-41-]). Dementsprechend führt auch der Besitzverlust, den der Besitzer einer Sache infolge einer (drohenden) Zwangsvollstreckung eines auf Herausgabe der Sache gerichteten vorläufig vollstreckbaren Titels erleidet, nicht zur Erledigung der Vindikationsklage (BGH NJW 14, 2199 [BGH 14.03.2014 - V ZR 115/13]). Erledigung tritt auch nicht ein, wenn erst im Laufe des Schadensersatzprozesses nach § 717 II festgestellt wird, dass der im Vorprozess geltend gemachte Anspruch besteht, da ein Schaden von Anfang an gefehlt hat (BGH NJW-RR 05, 1135). Die Zahlung durch einen verklagten Gesamtschuldner führt nicht zwangsläufig zur Erledigung für den anderen, sofern die Gesamtschuld streitig ist (BGH NJW 00, 1120; Saabr NJW 16, 3186 [OLG Saarbrück...