Rn 68
Von der Erledigung der Hauptsache in der Rechtsmittelinstanz ist die Erledigung des Rechtsmittels selbst zu unterscheiden. Ob die in der Rechtsmittelinstanz abgegebene Erledigungserklärung die Hauptsache oder das Rechtsmittel betrifft, ist ggf durch Auslegung zu ermitteln. Die das Rechtsmittel betreffende Erledigungserklärung wird im Grundsatz ganz überwiegend für zulässig erachtet (BGH NJW 09, 234 [BGH 17.09.2008 - IV ZB 17/08] u Urt v 27.3.23 – VIa ZR 1140/22 – juris = NJW-RR 23, 768; BAG NJW 08, 1979; Brandbg OLGR 08, 63; Heintzmann ZZP 87, 199; Zö/Althammer Rz 19; aA Karlsr FamRZ 91, 464; Habscheid NJW 60, 2132; offengelassen BGHZ 127, 74 = NJW 94, 2832). Sofern die zunächst angefochtene Entscheidung aufrechterhalten werden soll, kann ein praktisches Bedürfnis für eine das Rechtsmittel betreffende Erledigungserklärung bestehen. Denn dieses Ziel kann mit der die Hauptsache betreffenden Erledigungserklärung nicht erreicht werden, so dass dem Rechtsmittelkläger bei Ablehnung einer Erledigungserklärung nur die Möglichkeit der kostenpflichtigen Rücknahme des Rechtsmittels bliebe. Soweit diese Kostenfolge zu unbilligen Ergebnissen führt, ist eine das Rechtsmittel betreffende Erledigungserklärung folglich als zulässig zu erachten. Das ist bspw der Fall, wenn die vom Bekl angefochtene Entscheidung im Laufe des Rechtsmittelverfahrens richtig wird und dieser der geänderten Sachlage nicht durch Anerkenntnis mit der Kostenfolge aus § 93 Rechnung tragen kann (MüKoZPO/Schulz Rz 111; Gaier JZ 01, 445, 446). Die Möglichkeit, ein sofortiges Anerkenntnis iSv § 93 abzugeben, kann den Rückgriff auf die Erledigterklärung des Rechtsmittels entbehrlich machen (Nürnbg MDR 08, 940). Gleiches gilt, wenn der auf unzulässige Abtrennung einer Folgesache gegründeten Berufung gegen das Scheidungsurteil dadurch der Boden entzogen wird, dass die andere Partei die von ihr abhängig gemachte Folgesache durch Rücknahme des Antrags beseitigt (KG FamRZ 82, 950) oder wenn die Beschwer nach einer Urteilsberichtigung gem § 319 (BGH Urt v 27.3.23 – VIa ZR 1140/22 – juris = NJW-RR 23, 768; SchlH MDR 22, 1500; ablehnend für eine Fallgestaltung, in der von einem erstinstanzlich verurteilten Dritten Berufung eingelegt wurde, der infolge des mit dem Berichtigungsbeschluss einhergehenden rückwirkenden Wegfalls seiner Parteistellung letztlich nie als Partei des Rechtsstreits gegolten hat BGHZ 127, 74 = NJW 94, 2832) oder durch verbindliche Entscheidung über die Klagerücknahme (BGH NJW 98, 2453) oder durch prozessuale Überholung (Frankf NJW-RR 98, 1447; BGH FamRZ 19, 1800) entfällt. Die Rechtsbeschwerde im Zwangsvollstreckungsverfahren kann für erledigt erklärt werden, wenn der Gläubiger seinen Vollstreckungsauftrag im Laufe des Beschwerdeverfahrens zurücknimmt (BGH DGVZ 19, 79). Eine Rechtsmittelerledigung ist auch zuzulassen, wenn der durch die angefochtene Entscheidung bejahte ordentliche Rechtsweg nachträglich durch Gesetz begründet wird (BGH NJW-RR 01, 1007 [BGH 11.01.2001 - V ZB 40/99]). In den genannten Fällen würden einerseits Erledigungserklärungen betreffend die Hauptsache ihr Ziel verfehlen, andererseits die Rücknahme des Rechtsmittels zu Kostenungerechtigkeiten führen. Wird die Klage erst während der Berufungsinstanz unzulässig oder unbegründet, besteht hingegen idR kein Anlass, eine Erledigungserklärung des Kl betreffend das Rechtsmittel zuzulassen, denn dieser kann den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklären (Gaier JZ 01, 445, 446).
Rn 69
Sofern nur das eingelegte Rechtsmittel übereinstimmend für erledigt erklärt wird, bleibt der Bestand der angefochtenen Entscheidung unberührt. Das Rechtsmittelverfahren endet. Die angefochtene Entscheidung wird rechtskräftig. Das Gericht hat insb nicht zu prüfen, ob eine Rechtsmittelerledigung eingetreten ist. Es ist nur noch entspr § 91a über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu entscheiden (Hambg NJW 60, 2151 [OLG Hamburg 25.01.1960 - 8 U 61/59]; Gaier JZ 01, 445, 448; aA MüKoZPO/Schulz Rz 112). Die einseitige Erledigungserklärung enthält nach der Klageänderungstheorie eine Änderung des Rechtsmittelantrages in einen solchen auf Feststellung der Erledigung des Rechtsmittels. Der Antrag ist begründet, wenn das zunächst zulässige und begründete Rechtsmittel durch einen während des Rechtsmittelverfahrens eingetretenen Umstand unzulässig oder unbegründet geworden ist (Karlsr OLGR 02, 56; Gaier JZ 01, 445, 446; Heintzmann ZZP 87, 199, 214 ff). Bei Abweisung des Feststellungsantrages ergeht eine Kostenentscheidung nach § 97 I. Wird Erledigung festgestellt, sind die Kosten des Rechtsmittelverfahrens nach § 91 dem Rechtsmittelgegner aufzuerlegen (Frankf NJW-RR 89, 63; MDR 98, 559; aA Rostock NJW-RR 07, 430 [OLG Rostock 29.05.2006 - 7 W 97/05]: § 91a analog).