a) Überblick.

 

Rn 10

Das Gericht kann darüber hinaus nach § 92 II Nr 2 einer Partei die gesamten Kosten auferlegen, wenn sie zwar nicht vollständig obsiegt hat, der Betrag der Forderung aber von der Festsetzung durch richterliches Ermessen abhängig war. Dem Wortlaut nach ›Betrag der Forderung‹ gilt diese Alternative nur für Geldforderungen. Man wird sie jedoch auch auf andere Ansprüche entsprechend anwenden müssen.

b) Ermessen des Gerichts.

 

Rn 11

Unter § 92 II Nr 2 fallen insb unbezifferte Schmerzensgeldklagen oder andere Klagen, bei denen der Kl die Höhe der Forderung nicht beziffern muss, sondern in das Ermessen des Gerichts stellen kann. Sinn und Zweck der Vorschrift ist es, dem Kl das Risiko abzunehmen, dass er nicht vorhersehen kann, wie das Gericht entscheiden wird. Allerdings muss der Kl bei unbezifferten Klageanträgen ungefähr eine Größenordnung angeben, so dass auch hier die vollständige Kostenlast der beklagten Partei nur dann in Betracht kommt, wenn das Abweichen aufgrund des gerichtlichen Ermessens geringfügig ist. Erreicht die Urteilssumme nicht die vom Kl geäußerte ungefähre Größenvorstellung, so ist die unbezifferte Schmerzensgeldklage mit entsprechender Kostenquote tw abzuweisen (Köln ZfSch 94, 362 = VersR 95, 358).

Ein weiterer Fall nach § 92 II Nr 2 ist dann gegeben, wenn die Herabsetzung einer anwaltlichen Vergütungsforderung aufgrund einer Vergütungsvereinbarung beantragt wird (§ 3a II RVG). Auch hier ist die Herabsetzung in das Ermessen des Gerichts gestellt. Ein bezifferter Antrag ist auch hier nicht erforderlich.

Die Vorschrift des § 92 II Nr 2 gilt auch dann, wenn das Gericht eine Bestimmung nach § 319 BGB ersetzt.

 

Beispiel:

Der Anwalt klagt eine 2,0-Geschäftsgebühr (Nr 2300 VV RVG) ein. Der Beklagte hält diese Festsetzung für unbillig und zahlt eine 0,9-Gebühr. Der Kl klagt daraufhin den Differenzbetrag ein. Das Gericht hält nach Einholung eines Kammergutachtens den Ansatz einer 2,0-Gebühr für unbillig und hält lediglich eine 1,0-Gebühr für angemessen. Es verurteilt den Beklagten auf den sich danach ergebenden restlichen Differenzbetrag und weist die Klage iÜ ab.

Auch hier kann von § 92 II Nr 2 Gebrauch gemacht werden, indem die Kosten in voller Höhe dem Kl auferlegt werden, da die Festsetzung der Höhe der Gebühr im Ermessen des Gerichts (§ 319 BGB) steht und die Klage nur in geringfügiger Höhe begründet war.

Zu § 92 II Nr 2 zählen auch Klagen auf Schadensersatz oder Feststellung, wenn das Gericht die Höhe des Schadens nach § 287 I, II abschätzt.

Keine Anwendung findet § 92 II Nr 2, wenn es um die Bewertung eines Mitverschuldens geht. Die Frage des Mitverschuldens steht nicht im Ermessen des Gerichts.

Im Falle des § 92 II Nr 2 kommt es nicht darauf an, dass das Unterliegen verhältnismäßig geringfügig war und allenfalls geringfügige Mehrkosten verursacht hat. Anderenfalls wäre diese Regelung ggü § 92 II Nr 1 überflüssig. Hier ist vielmehr der Situation des jeweiligen Partei Rechnung zu tragen, dass sie aus nicht zu vertretenden Gründen nicht in der Lage war, die Klageforderung sicher zu beziffern oder zu bestimmen.

c) Sachverständige Ermittlung.

 

Rn 12

Darüber hinaus ist § 92 II Nr 2 auch dann anwendbar, wenn der Betrag einer Forderung von der Ermittlung durch einen Sachverständigen abhängig war. Auch hier kommt es nicht darauf an, ob die Zuvielforderung verhältnismäßig geringfügig war und allenfalls geringfügige Mehrkosten ausgelöst hat. LG Nürnberg-Fürth RuS 08, 264: Hängt der Forderungsbetrag von der Ermittlung durch Sachverständige ab, kann der Ansicht nicht gefolgt werden, wonach die Anwendung der Vorschrift des § 92 II Nr 2 auszuscheiden hat, wenn der auszuurteilende Betrag um mehr als 20 % von dem beantragten abweicht; vielmehr beurteilt sich die Frage nach der Anwendbarkeit des § 92 II Nr 2 allein danach, ob das von dem Kl ursprünglich Eingeklagte auf einem ex ante betrachtet verständlichen und nachvollziehbaren Schätzfehler beruht oder nicht.

Die Anwendbarkeit des § 90 II Nr 2 wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Kl einen bestimmten Betrag fordert. Sofern das Abweichen allerdings wesentlich ist, dürfte § 92 II Nr 2 nicht mehr anwendbar sein.

d) Gegenseitige Abrechnung.

 

Rn 13

Darüber hinaus ist § 92 II Nr 2 anwendbar, wenn der Betrag der Forderung von einer gegenseitigen Berechnung abhängig ist und einer Partei die Höhe der Gegenforderung nicht bekannt war. Diese Vorschrift hat in der Praxis kaum Bedeutung.

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?