I. Bedeutung der Unterlassungsverfügung.
Rn 8
Der einstweiligen Verfügung kommt für das Wettbewerbsrecht eine außerordentliche Bedeutung zu. Namentlich die in der Praxis vorherrschende Unterlassungsverfügung ermöglicht es, gegen einen Verletzer schnell und umfassend vorzugehen, um weiteren oder drohenden Wettbewerbsverstößen wirksam zu begegnen. Der vorläufige Charakter der einstweiligen Rechtsschutzmaßnahmen steht dem nicht entgegen, weil die einstweilige Verfügung weitgehend einem Vollstreckungstitel im Hauptsacheverfahren entspricht. Von maßgeblicher, insb prozessökonomischer Bedeutung ist schließlich, dass die Unterlassungsverfügung vielfach das ordentliche Klageverfahren erübrigt (BGHZ 161, 298, 303 = NJW 05, 436). Abschlussschreiben und Abschlusserklärung (§ 927 Rn 9) im Anschluss an den Erlass einer einstweiligen Verfügung bewirken eine endgültige Streitbeilegung mit der Folge, dass länger dauernde und kostenaufwändige Klageverfahren vermieden werden.
II. Gesetzliche Dringlichkeitsvermutung.
Rn 9
Die besondere Bedeutung des wettbewerblichen Eilverfahrens wird durch § 12 I UWG auch dadurch anerkannt, dass der Verfügungsgrund nicht glaubhaft gemacht werden muss (widerlegliche Dringlichkeitsvermutung, BGH NJW-RR 00, 209 [BGH 01.07.1999 - I ZB 7/99] – späte Urteilsbegründung). Die Regelung gilt nach § 12 I für die im UWG bezeichneten Ansprüche auf Unterlassung sowie für Unterlassungsansprüche aus dem UKlaG (§ 5 UKlaG). Für Unterlassungsansprüche aus dem Kartellrecht (Stuttg NJW-RR 90, 940 [OLG Stuttgart 09.03.1990 - 2 U (Kart) 301/89]), Gebrauchsmusterrecht (Ddorf GRUR-RR 09, 142); Patentrecht (Ddorf GRUR 94, 508 [OLG Düsseldorf 22.12.1993 - 2 W 97/93]) und Urheberrecht (Stuttg OLGReport 09, 633, 634; NZBau 10, 639, 640 [OLG Stuttgart 11.08.2010 - 4 U 106/10]) ist dagegen § 12 I UWG nicht analog anwendbar (Köhler/Bornkamm/Köhler/Feddersen § 12 Rz 2.14). Dies gilt auch für Unterlassungsansprüche aus dem MarkenG (Hambg WRP 10, 953 [OLG Hamburg 16.11.2009 - 3 W 120/09]; München WRP 07, 201 [OLG München 24.08.2006 - 6 U 4455/05]; Ddorf GRUR-RR 02, 212; Teplitzky/Feddersen Kap 54 Rz 19–20; aA Stuttg GRUR 02, 381; Köln GRUR 01, 424, 425 [OLG Köln 12.01.2001 - 6 U 98/00]) sowie für vertragliche Ansprüche (Teplitzky/Feddersen Kap 54 Rz 21). Die Dringlichkeit entfällt, wenn während des Eilverfahrens Umstände eintreten, die die Wiederholung des Wettbewerbsverstoßes unwahrscheinlich machen (KG GRUR-RR 10, 22, 24). Die Vermutung des § 12 I UWG bezieht sich nur auf den Verfügungsgrund. Den Verfügungsanspruch muss der Gläubiger unabhängig von der Vermutungswirkung des § 12 I UWG darlegen und glaubhaft machen. Allerdings kommt ihm bei einem Verfügungsanspruch, dem ein Verfügungsunterlassungsanspruch zugrunde liegt, die Vermutung der Wiederholungsgefahr zugute. Hierbei handelt es sich um eine widerlegliche tatsächliche Vermutung, die die konkrete Verletzungsform erfasst. Hierzu gehören die identische Wiederholung des Verstoßes sowie darüber hinaus alle Begehungsformen, die mit der konkreten Verletzungsform im Kern wesensgleich sind (BGHZ 126, 287, 295 = NJW 94, 2820 – Rotes Kreuz; NJW 05, 1050, 1053 – Ansprechen in der Öffentlichkeit II; WRP 06, 749 [BGH 23.02.2006 - I ZR 27/03] Rz 36 – Parfümtestkäufe). Strafbewehrte vertragliche Unterlassungserklärungen haben den Zweck, einen gerichtlichen Unterlassungstitel zu ersetzen (BGH MDR 14, 972 [BGH 08.05.2014 - I ZR 210/12] Rz 57 – fishtailparka). Daher entfällt die Wiederholungsgefahr bei Abgabe einer vertragsstrafebewehrten Unterlassungserklärung. Erforderlich ist, dass eine angemessene Strafhöhe (BGH NJW 83, 941, 942 [BGH 07.10.1982 - I ZR 120/80] – Vertragsstrafeversprechen; BGH NJW-RR 06, 1477 [BGH 18.05.2006 - I ZR 32/03] Rz 20) vereinbart oder diese in das Ermessen des Gläubigers oder eines Dritten (vgl hierzu BGH NJW 94, 45, 46 [BGH 30.09.1993 - I ZR 54/91] – Vertragsstrafebemessung) gestellt wird (Teplitzky/Kessen Kap 8 Rz 36; D. Fischer FS Piper, 1996, 205, 216, 217). Der Zugang einer vom Schuldner abgegebenen notariellen Unterlassungserklärung beseitigt nicht das Rechtsschutzbedürfnis des Gläubigers für eine gerichtliche Verfolgung des Unterlassungsanspruchs (BGH WRP 16, 1494 [BGH 21.04.2016 - I ZR 100/15] Rz 16 – Notarielle Unterlassungserklärung; Teplitzky WRP 15, 527, 528).
III. Selbstwiderlegung.
Rn 10
Der Gläubiger kann die Dringlichkeitsvermutung durch sein eigenes Verhalten entkräften, in dem er zu erkennen gibt, dass es ›ihm nicht eilig ist‹ (Selbstwiderlegung, BGH GRUR 00, 151 [BGH 01.07.1999 - I ZB 7/99]; KG NJW-RR 01, 1201, 1202 [KG Berlin 09.02.2001 - 5 U 9667/00]; Hamm WRP 21, 1489). Dies ist va dann der Fall, wenn der Gläubiger die Antragstellung trotz Kenntnis von der Zuwiderhandlung und der Person des Schuldners unangemessen hinauszögert oder das Eilverfahren zögerlich betreibt (BGH GRUR 17, 1017 [BGH 11.07.2017 - X ZB 2/17] Rz 85). Grob fahrlässige Unkenntnis steht positiver Kenntnis gleich (Köhler/Bornkamm/Köhler § 12 Rz 2.15; Teplitzky FS Loschelder, 2010, 391, 393 f). Welcher Zeitraum bis zur Antragstellung angemessen ist, wird in der Rspr der Oberlan...