1. Materiell-rechtliche Grundsätze.
Rn 9
Ein mitwirkendes Verschulden des Vollstreckungsschuldners ist zu berücksichtigen (BGHZ 122, 172, 179 = NJW 93, 2685; 90, 2689, 2690; 06, 2557 Rz 23; GRUR 16, 406 Rz 38 – Piadina-Rückruf; NJW 17, 1600 Rz 25). Ein Ausschluss oder eine Minderung des Schadensersatzanspruchs aus § 945 kommt namentlich dann in Betracht, wenn ein schuldhaftes Verhalten des Arrestbeklagten dem Arrestkläger Anlass zur Ausbringung des Arrestes gegeben hat (BGH 90, 2689, 2690; BGHZ 168, 352 Rz 31 = NJW 06, 2767; NJW 17, 1600 Rz 25; St/J/Grunsky Rz 9; MüKoZPO/Drescher Rz 26). Im Falle einer einstweiligen Verfügung gilt Entsprechendes (BGHZ 168, 352 Rz 31 = NJW 06, 2767; 06, 2557 Rz 27; GRUR 16, 406 Rz 38 – Piadina-Rückruf; NJW 17, 1600 Rz 25). Hierbei geht es um ein Verschulden in eigenen Angelegenheiten, welches in der Außerachtlassung derjenigen Sorgfalt besteht, die nach Auffassung der betroffenen Verkehrskreise hätte angewandt werden müssen, um sich vor Schaden zu bewahren (BGH NJW 17, 1600 Rz 25). Zu prüfen ist, ob dem Geschädigten ein eigenes Verhalten anzulasten ist, welches den später eingetretenen Schaden für ihn erkennbar begünstigt hat und ihm vor allem deshalb auch von dem Schädiger billigerweise entgegengehalten werden kann (BGH NJW 78, 2024, 2025; NJW 17, 1600 Rz 25). Insoweit gebietet es der Normzweck des § 945, welcher das Vollstreckungsrisiko aus dem vorläufigen Titel und die Gefahr der sachlich-rechtlichen Unbegründetheit seines Rechtsschutzbegehrens dem Gläubiger zuweist, dass erhöhte Anforderungen an die Annahme eines mitwirkenden Verschuldens des Schuldners gestellt werden (BGH NJW 90, 2689, 2690 [BGH 22.03.1990 - IX ZR 23/89]; NJW 17, 1600 Rz 25). Der Schadensersatzanspruch kann durch Mitverschulden des Verfügungsbeklagten gemindert sein oder ganz entfallen, wenn er dem Verfügungskläger schuldhaft Anlass gegeben hat, um einstweiligen Rechtsschutz nachzusuchen. Die Übertragung des letzten nennenswerten Vermögensteils eines illiquiden Schuldners auf einen nahen Angehörigen kann aus der Sicht eines Gläubigers einen solchen Anlass darstellen (BGH NJW 06, 2557 Rz 27). Auch das Unterlassen einer sich aufdrängenden Verteidigungsmöglichkeit (bspw Einrede der Verjährung) oder eines aussichtsreichen Rechtsbehelfs (BGH NJW 06, 2557 Rz 27 [Versäumnisurteil]; GRUR 16, 406 Rz 47 – Piadina-Rückruf; NJW 17, 1600 [BGH 13.10.2016 - IX ZR 149/15] Rz 25 f [Widerspruch]; München WRP 96, 784 [OLG München 07.03.1996 - 29 U 2314/95] [Widerspruch]) kann ein Mitverschulden begründen. Gleiches gilt, falls der Schuldner liquide Beweismittel zurückhält, aus denen sich das Fehlen des Verfügungsanspruchs ergibt (BGH GRUR 16, 406 Rz 47 – Piadina-Rückruf). Unter Umständen kommt ein Mitverschulden auch in Betracht, wenn der Anordnungsschuldner die Möglichkeit der Abwendung der Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung nicht wahrgenommen hat (BGHZ 120, 261, 271 = NJW 93, 593).
2. Verfahrensrechtliche Grundsätze.
a) Prüfung vAw.
Rn 10
Prozessual ist der Einwand des Mitverschuldens keine Einrede, die für ihre Wirksamkeit erst erhoben werden müsste, sondern nach einhelliger Ansicht eine vAw zu beachtende Einwendung (BGH NJW 00, 217, 219; WM 10, 993 Rz 13; Grüneberg/Grüneberg § 254 Rz 72; D. Fischer DB 10, 2600, 2605). Die Frage des mitwirkenden Verschuldens ist daher vAw auch noch in der Revisionsinstanz zu überprüfen (BGH WM 10, 993 Rz 13). Aus dem Charakter als Rechtsvorschrift (§ 254 BGB) ist ferner abzuleiten, dass es auch nicht erforderlich ist, hierzu Rechtsausführungen zu machen. Es genügt, dass Umstände tatsächlicher Art vorgetragen werden, die in rechtlicher Hinsicht das Mitverschulden begründen (vgl BGHZ 135, 140, 149 = NJW 97, 1857; D. Fischer DB 10, 2600, 2605).
b) Darlegungs- und Beweislast.
Die Darlegungs- und Beweislast für den Einwand des Mitverschuldens trägt nach allgemeinen Grundsätzen der Schädiger, der damit seine Ersatzpflicht mindern oder beseitigen will (BGHZ 168, 352 Rz 34 = NJW 06, 2767; D. Fischer DB 10, 2600, 2605). Indessen darf dem Schädiger nichts Unmögliches abverlangt werden. Er kann namentlich beanspruchen, dass der Geschädigte an der Beweisführung mitwirkt, soweit es sich um Umstände aus seiner Sphäre handelt (BGHZ 91, 243, 260 = NJW 84, 2216; 168, 352 Rz 34 = NJW 06, 2767; NJW 98, 3706, 3707). Insbesondere ist es bei einem Streit über die Frage, ob er eine andere zumutbare Arbeit hätte finden können, Sache des Geschädigten, darzulegen, welche Arbeitsmöglichkeiten für ihn zumutbar und durchführbar seien und was er bereits unternommen habe, um einen entsprechende Tätigkeit zu finden.