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Im Einzelnen unterliegen Prozessrechtsnormen nach den klassischen Auslegungskriterien der grammatischen, historischen, systematischen und teleologischen Auslegung. Zunächst ist vom Wortlaut und Sprachgebrauch der Rechtsnorm auszugehen. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die ZPO älter ist als das BGB. Es ist daher nicht in jedem Falle möglich, äußerlich gleichlautende Begriffe in beiden Kodifikationen auch gleich auszulegen (Unterschiede beim Begriff des Anspruchs, des Pfandrechts, des Auftrags an den Gerichtsvollzieher, des Begriffs der Einwendungen und Einreden). Die historische und die systematische Auslegung greifen auf in jeder Hinsicht vergleichbare Erwägungen wie bei der Auslegung des materiellen Rechts zurück. Von zentraler Bedeutung ist schließlich die teleologische Auslegung. Sie fragt nach Sinn und Zweck der einzelnen Prozessrechtsnormen und steht daher in einer engen Verbindung zu den Zwecken des Zivilprozesses im Ganzen. In Einzelfällen können aber auch besondere Sachgesichtspunkte Bedeutung gewinnen wie die Effektivität des Rechtsschutzes, die Verfahrensbeschleunigung, die Prozessökonomie, die Formgebundenheit oder die Justizförmigkeit des Verfahrens. Anerkannt ist im Prozessrecht neben den genannten Auslegungskriterien auch die verfassungskonforme Auslegung.

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