Prof. Dr. Christian Katzenmeier
Rn 14a
Der Umgang mit der Gefahr einer Ansteckung mit COVID-19 (Coronavirus SARS-CoV-2) hat auch das Sachverständigenrecht vor Herausforderungen gestellt. Zwar ist in diesem Bereich prinzipiell eine ausschließlich schriftliche Beweiserhebung möglich (§ 411 I, III 2). Häufig erfordert jedoch die Begutachtung selbst oder ihre anschließende Bewertung den – mehr oder weniger engen – persönlichen Kontakt des SV mit den Parteien und/oder dem Gericht. So ist jedenfalls auf Antrag eine mündliche Erläuterung des Gutachtens (§ 411 III 1; s § 411 Rn 17 ff) unerlässlich, um dem Fragerecht der Parteien gerecht zu werden (s.a. Rauscher COVuR 20, 2, 5 f). Gemäß § 128a II, III ist zu diesem Zwecke die Vernehmung des SV im Wege der Bild- und Tonübertragung möglich, stößt allerdings in der Praxis an technische Grenzen (Windau NJW 20, 2753 ff). Ortstermine sind durch den SV auch bei Kontaktbeschränkungen durchzuführen, selbst, wenn eine Partei nicht damit einverstanden ist (LG Saarbr NJW-RR 20, 712 [OLG Braunschweig 20.04.2020 - 3 W 37/20] m zust Bespr Metz DS 20, 211). Die Entscheidung über eine Terminsänderung hat sich unter strikter Beachtung von Art 103 I GG am Maßstab des § 227 zu orientieren (›erhebliche Gründe‹; s.a. Rauscher COVuR 20, 2, 10 f). Die Einhaltung der geltenden Infektionsschutzregeln hat der SV sicherzustellen. Das Gericht kann ihm entspr Weisungen erteilen, § 404a. Kommt der gerichtlich bestellte SV einem allg mit der bestehenden Gefährdungslage begründeten Antrag einer Partei auf Verlegung eines Untersuchungstermins nicht nach, so begründet dies nicht die Besorgnis der Befangenheit (AG Lünen IBR 20, 323 m Anm Ulrich). Erst wenn eine konkrete, individuelle Gefährdung besteht, ist eine angemessene Reaktion des SV auf die geäußerten Bedenken geboten (dann wiederum keine Befangenheit, München MDR 21, 1288) – bis hin zu einer Terminsverlegung. Zur Gutachtenverweigerung wegen Ansteckungsgefahr s.a. MüKoZPO/Zimmermann § 409 Rz 10.