Gesetzestext

 

Ein von dem Minderjährigen ohne Zustimmung des gesetzlichen Vertreters geschlossener Vertrag gilt als von Anfang an wirksam, wenn der Minderjährige die vertragsmäßige Leistung mit Mitteln bewirkt, die ihm zu diesem Zweck oder zu freier Verfügung von dem Vertreter oder mit dessen Zustimmung von einem Dritten überlassen worden sind.

A. Normzweck und Bedeutung.

 

Rn 1

Die Vorschrift regelt nach hM einen Sonderfall des § 107 (Grüneberg/Ellenberger Rz 1; Götz JR 13, 289, 290; umf MüKo/Spickhoff Rz 5 mwN). Richtiger erscheint es, systematisch von einer gesetzlich angeordneten Ausnahme von der rechtlichen Vorteilhaftigkeit des Geschäfts auszugehen (Piras/Stieglmeier JA 14, 893, Leenen FamRZ 00, 863). Sie will dem gesetzlichen Vertreter einerseits die Möglichkeit eröffnen, dem Minderjährigen zu Erziehungszwecken eine gewisse wirtschaftliche Bewegungsfreiheit im Rechtsverkehr einzuräumen, ihn andererseits vor nachteiligen Willenserklärungen, deren Wirkung er nicht zu überschauen vermag, schützen. Die dogmatische Einordnung der Vorschrift ist umstr. Teilweise wird sie als Erweiterung der Geschäftsfähigkeit (entspr §§ 112, 113) verstanden, so dass es auf die Einwilligung des gesetzlichen Vertreters nicht mehr ankommen soll (Leenen FamRZ 00, 863; Safferling Rpfleger 72, 124). Die hM sieht hingegen in der Überlassung bestimmter Mittel eine konkludente Einwilligung des gesetzlichen Vertreters in die Vornahme von Bargeschäften, deren Umfang sich aus der mit der Überlassung der Mittel verbundenen Zweckbestimmung ergibt (RGZ 74, 235 dazu Kalscheuer Jura 11, 44; Grüneberg/Ellenberger Rz 1; Soergel/Hefermehl Rz 1). Die Formulierung ›ohne Zustimmung‹ stellt klar, dass keine ausdrückliche Zustimmung erforderlich ist (AG Waldshut VersR 85, 938 [AG Waldshut-Tiengen 07.12.1984 - 3 C 342/84]). Damit liegt keine Ausnahme vom Grundsatz des Zustimmungserfordernisses bei Minderjährigen nach § 107 vor. Die konkludente Einwilligung ist jedoch inhaltlich auf Rechtsgeschäfte beschränkt, die der Minderjährige mit den ihm überlassenen Mitteln bar erfüllt (MüKo/Spickhoff Rz 6; Medicus BürgR § 8 II 1 Rz 183). Der gesetzliche Vertreter kann seine Einwilligung inhaltlich dahin erweitern (Generaleinwilligung s § 107 Rn 3), dass der Vertrag nicht erst mit Erfüllung, sondern bereits mit Abschluss wirksam sein soll (Grüneberg/Ellenberger Rz 1). Für eine Generaleinwilligung müssen konkrete Anhaltspunkte vorliegen. Fehlt es hieran, führt erst die Bewirkung der Leistung zur Wirksamkeit (s Rn 2). Bei einem Rechtsgeschäft, das der Genehmigung des Familiengerichts bedarf, gilt § 107 Rn 4.

B. Voraussetzungen.

I. Bewirkung der vertragsgemäßen Leistung.

 

Rn 2

§ 110 gilt für alle Verträge, die ein Minderjähriger ohne die ausdrückliche Zustimmung seiner gesetzlichen Vertreter schließt und die für ihn rechtlich nachteilig sind. Um die Wirksamkeit des Rechtsgeschäftes herbeizuführen, muss der Minderjährige die vertragsgemäße Leitung vollständig bewirkt haben (dazu Lettl WM 13, 1249). Auf diese Weise wird er davor geschützt, dass aus gegen ihn bestehenden Forderungen geklagt und in sein Vermögen vollstreckt werden kann (Modrzyk JA 12, 407, 408). Unerheblich ist, ob er die vertragsgemäße Leistung bar oder durch Banküberweisung erbringt (MüKo/Spickhoff Rz 13). Bis zur Erfüllung ist der Vertrag gem § 108 schwebend unwirksam. Für die vollständige Leistungsbewirkung genügt neben der Erfüllung (§ 362) auch Leistung an Erfüllungs Statt (§ 364), Hinterlegung (§ 378) oder Aufrechnung (§ 389). Eine Teilleistung reicht grds nicht aus. Sie führt nur dann zur Teilwirksamkeit des Vertrages, wenn Leistung und Gegenleistung teilbar sind (RGZ 74, 235, 236; AG Bensberg MDR 63, 840; MüKo/Spickhoff Rz 15). Das richtet sich nach der im Einzelfall vorliegenden Gestaltung des Vertrages. Nicht teilbar ist der Lebensversicherungsvertrag auf den Todes- und Erlebensfall (Schilken FamRZ 78, 642). Bei Abzahlungs- und Kreditgeschäften führt die Zahlung einer Rate nicht zur Teilwirksamkeit (BRHP/Wendtland Rz 5; Staudinger/Steinrötter JuS 12, 97, 99). Leistet ein Minderjähriger mit den ihm überlassenen Mitteln Mietzinszahlungen, ist der Mietvertrag für diesen Zeitraum wirksam (Erman/Müller Rz 2). Sind Minderjährige außerhalb des elterlichen Wohnsitzes tätig, kann eine konkludente Einwilligung für Bargeldgeschäfte angenommen werden (BGH WM 76, 1350).

II. Überlassene Mittel.

 

Rn 3

Als Mittel, die dem Minderjährigen zu einem bestimmten Zweck oder zur freien Verfügung überlassen worden sind, kommen Geld und andere Vermögensgegenstände in Betracht (Hagemeister JuS 92, 840; Vortmann WM 94, 967). Die Überlassung zur freien Verfügung umfasst im Zweifel nur solche Rechtsgeschäfte, die sich noch iRd Vernünftigen halten (RGZ 74, 235; Derleder/Thielbar NJW 06, 3233, 3234). Hierzu gehört die Verwendung eines Prepaid-Handys, dessen Guthaben der Minderjährige mit ihm überlassenen Mitteln aufgeladen hat. Die Überlassung dient jedoch vorrangig der Kommunikation, Ein Klingeltonerwerb ist hiervon regelmäßig nicht gedeckt; erst recht nicht bei Vertrags-Handys (AG Ddorf MMR 07, 404 [AG Düsseldorf 02.08.2006 - 52 C 17756/05]; Mankowski...

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