Rn 38

Mit jedem Rechtsgeschäft werden bestimmte Zwecke und Interessen verfolgt, die iRd teleologischen Auslegung zu berücksichtigen sind. In der Rechtsprechungspraxis gewinnt diese interessengerechte Auslegung zunehmend an Gewicht (Erman/Arnold § 133 Rz 27). Die Erklärung ist so auszulegen, wie es den jeweiligen Zwecken (BGHZ 2, 385; 20, 110; 195, 126 Tz 18; BGH NJW 98, 2140; 07, 2320 Tz 27) und der beiderseitigen Interessenlage am besten entspricht und zum erstrebten Erfolg führt (BGHZ 21, 328; 109, 22; BGH NJW 02, 748; 03, 2236). Ziel muss eine allseits interessengerechte Beurteilung sein, bei der keine wesentlichen Interessen übergangen werden dürfen (BGHZ 137, 72; 149, 353; 152, 156). Anhand der Interessenlage ist der objektive Erklärungswert der Äußerungen zu bestimmen. Maßgebend sind die Parteiinteressen bei Abgabe ihrer Erklärungen (BGH NJW 98, 3269 f [BGH 10.07.1998 - V ZR 360/96]). Motive des Erklärenden bleiben aber unbeachtlich, soweit sie keinen hinreichend deutlichen Niederschlag gefunden haben (BAG NJW 11, 1531 [BAG 17.11.2010 - 4 AZR 127/09] Tz 21).

 

Rn 39

Im Allg ist die teleologische Auslegung zwar nicht geeignet, eine Auslegung gegen den Wortlaut und erklärten Willen zu rechtfertigen (BGH NJW-RR 02, 646). Besondere Umstände können aber Ausnahmen rechtfertigen (BGH NJW 92, 1447). Selbst ein eindeutiger Wortlaut erfasst nicht notwendig völlig ungewöhnliche und von keiner Seite zu erwartende Sachlagen (BGHZ 124, 68).

 

Rn 40

Aus der interessengerechten Auslegung lassen sich mehrere Auslegungsgrundsätze ableiten (Staud/Singer § 133 Rz 55). Im Zweifel werden die Parteien eine vernünftige Regelung gewollt haben (BGHZ 79, 18; 98, 312; BGH NJW 93, 1978; 94, 1538, für Prozesshandlungen der Parteien), die widerspruchsfrei ist (BGH NJW 93, 1978; 03, 743). Nach dem Grundsatz der gesetzeskonformen Auslegung gebührt der Deutung der Vorzug, die eine Unwirksamkeit der Bestimmung vermeidet (BGHZ 152, 158). Ebenso ist eine Auslegung vorzuziehen, bei der eine Vertragsbestimmung eine tatsächliche Bedeutung besitzt, wenn sich die Regelung sonst als ganz oder teilw sinnlos erweisen würde (BGH NJW 98, 2966 [BGH 18.05.1998 - II ZR 19/97]; 05, 2619 [BGH 07.03.2005 - II ZR 194/03]). Außerdem ist grds davon auszugehen, dass die Parteien redlich sind (Larenz/Wolf AT, 9. Aufl, § 28 Rz 45) und eine gesetzeskonforme Regelung wollen (BGH NJW 04, 1240 [BGH 03.12.2003 - VIII ZR 86/03]).

 

Rn 41

Einzelfälle: Vertragsschluss mit Anwalt durch Anruf bei Anwaltshotline (BGHZ 152, 158); krasses Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung spricht gegen Rechtsbindungswillen (BGH NJW 01, 2324 [BGH 10.05.2001 - XII ZR 60/99], Erlassfalle; § 397 Rn 15); ein abzuwohnendes Darlehen ist entspr der angemessenen/üblichen Miete abzurechnen (BGH NJW 03, 1318); Abgrenzung zwischen Wohnraummiete und Mietverhältnis über andere Räume (BGH NJW-RR 32, 329); Spielsperre auf Wunsch des Gastes ist nach Möglichkeit und Zumutbarkeit zu überwachen (BGHZ 165, 276, 280; 174, 255 Tz 11, Automatenspiel), sie darf nur beim hinreichend sicherem Nachweis aufgehoben werden, dass der Schutz des Spielers vor sich selbst dem nicht entgegensteht (BGH NJW 12, 48 [BGH 20.10.2011 - III ZR 251/10] Tz 11); eine als Bürgschaft bezeichnete Erklärung kann nicht als Schuldbeitritt (BGH LM § 133 BGB B Nr 7), ein Schuldbeitritt nicht einfach als Bürgschaft ausgelegt werden (Grüneberg/Ellenberger § 133 Rz 18). Das eigene wirtschaftliche oder rechtliche Interesse des sich verpflichtenden Vertragspartners an einer Tilgung der Verbindlichkeit des Schuldners kann einen Anhaltspunkt für das Vorliegen eines Schuldbeitritts liefern (BGH ZIP 21, 245 Rz 19). Eine Mietgarantie ist eine Garantie wegen Unvermietbarkeit sowie Mietausfälle (BGH NJW 03, 2237 [BGH 13.03.2003 - IX ZR 199/00]); zur Reichweite der Erklärungen zum Schallschutz (BGHNJW 07, 2983 Tz 28; 09, 2439 Tz 14), Haftungsausschluss für Dritte (BGH NJW 10, 1592 [BGH 17.12.2009 - VII ZR 172/08] Tz 19).

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