Gesetzestext

 

Ein Veräußerungsverbot, das von einem Gericht oder von einer anderen Behörde innerhalb ihrer Zuständigkeit erlassen wird, steht einem gesetzlichen Veräußerungsverbot der in § 135 bezeichneten Art gleich.

A. Normzweck.

 

Rn 1

§ 135 regelt einen Sonderfall des gesetzlichen Verbots, der als lex specialis eine Anwendung von § 134 ausschließt (Staud/Kohler § 135 Rz 1). Da § 135 nur einen minimalen eigenen Anwendungsbereich besitzt, ist die Vorschrift allein wegen der in § 136 bestimmten entspr Anwendung auf die gerichtlichen und behördlichen Veräußerungsverbote bedeutsam.

B. Anwendungsbereich.

I. Grundlagen.

 

Rn 2

Anstelle der gesetzlichen Terminologie als Veräußerungsverbot hat sich die Bezeichnung als Verfügungsverbot eingebürgert. Nach Schutzbereich und Rechtsfolgen sind die in den §§ 135, 136 geregelten relativen Verfügungsverbote und die absoluten Verfügungsverbote zu unterscheiden. Relative Verfügungsverbote betreffen den Schutz bestimmter Personen und begründen eine relative Unwirksamkeit der Verfügung. Für Rechtsgeschäfte – auch für die in einem gerichtlichen Vergleich übernommene Verpflichtung, nicht über einen Gegenstand zu verfügen – gelten nicht die §§ 135, 136, sondern § 137.

II. Absolute Verfügungsverbote.

 

Rn 3

Sie dienen dem Schutz der Allgemeinheit und wirken ggü jedermann. Verstößt eine Verfügung gegen ein absolutes Verfügungsverbot, ist sie nach § 134 nichtig (BGHZ 19, 359; BGH NJW 83, 636). Absolute Verfügungsverbote enthalten §§ 8 LMBG, 43 ff ArzneimittelG, 29 BTMG, 55 II 3 BNotO (BGH NJW 06, 295 [BGH 11.10.2005 - XI ZR 85/04]). Ein gutgläubiger Erwerb ist bei ihnen – anders als nach § 135 II – ausgeschlossen (Soergel/Hefermehl § 135 Rz 5). Zeitlich aufgeschobene, sozusagen aufschiebend bedingte absolute Verfügungsverbote enthalten die §§ 2113 (BGHZ 52, 269, 270), 2115(BeckOGK BGB/Müller-Christmann § 2115 Rz 22).

III. Verfügungsbeschränkungen.

 

Rn 4

Während die §§ 134 bis 136 das rechtliche Dürfen betreffen, regeln Verfügungsbeschränkungen das rechtliche Können (BGHZ 13, 184). Sie dienen zwar dem Schutz individueller Interessen, führen aber zur absoluten Unwirksamkeit der Verfügung. Solche Verfügungsbeschränkungen enthalten die §§ 399 (auch bei vereinbarter Unabtretbarkeit BGHZ 56, 231), 717, 719 – beachte nF zum 1.1.24 (BGHZ 13, 283). Dazu gehören ebenso die Verfügungsbeschränkungen der Ehegatten gem §§ 1365, 1369 (MüKo/Armbrüster § 135 Rz 22; aA BGHZ 40, 219 f, absolutes Verfügungsverbot, doch sind die Unterschiede gering), der Eltern, §§ 1643 ff – nicht mehr ganz so streng nach nF zum 1.1.23, des Vormunds, §§ 1812 ff – beachte nF §§ 1799, 1849, des Erben bei Testamentsvollstreckung, § 2211. Verfügungen des Schuldners nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens sind gem § 81 InsO absolut unwirksam, ebenso Verfügungen, die gegen eine der im Insolvenzeröffnungsverfahren angeordneten Verfügungsbeschränkungen verstoßen, §§ 21 II Nr 2, 24 I, 81 InsO.

C. Relative Verfügungsverbote.

I. Voraussetzungen.

1. Gesetzliche Verfügungsverbote, § 135.

 

Rn 5

Mit relativer Wirkung ausgestattete gesetzliche Verfügungsverbote sind selten. Im BGB kommt allenfalls § 473 in Betracht (RGZ 148, 111; aA MüKo/Armbrüster § 135 Rz 17), außerhalb des BGB etwa §§ 15, 98, 156 I VVG aF bzw § 17 VVG (Medicus/Petersen AT Rz 671).

2. Gerichtliche und behördliche Verfügungsverbote, § 136.

 

Rn 6

Praktisches Gewicht besitzen va gerichtliche, aber auch behördliche Verfügungsverbote. Anwendungsfälle bilden die Pfändung von Forderungen und Rechten in der Zwangsvollstreckung, §§ 829, 857 ZPO (BGHZ 58, 26 f; 100, 45; BGH NJW 98, 748; NZI 07, 39 Tz 6), die einstweilige Verfügung, § 938 II ZPO (BGH NJW 90, 2459 [BGH 07.06.1990 - IX ZR 237/89]; NZI 07, 540 [BGH 14.06.2007 - IX ZR 219/05] Tz 7, Zwangssicherungshypothek), wobei dem Veräußerungsverbot das Erwerbsverbot gleichsteht (BayObLG MDR 97, 595 [BayObLG 31.01.1997 - 2 ZBR 7/97]), die Zahlungssperre, § 1019 ZPO, Beschlagnahmen gem §§ 20, 23 I 1, 146 ZVG (BGH NJW 97, 1582), strafprozessuale Beschlagnahmen gem §§ 111c V, 290 ff StPO sowie Anordnungen nach §§ 73, 73e II, 74, 74e III StGB.

II. Rechtsfolgen.

1. Relative Unwirksamkeit.

 

Rn 7

Verstößt eine Verfügung gegen ein relatives Verfügungsverbot, ist sie im Verhältnis zum Geschützten unwirksam, iÜ aber wirksam. Umstr ist die dogmatische Begründung. Nach der Ansicht des BGH wird der Erwerber zwar im Verhältnis zur Allgemeinheit Eigentümer der Sache bzw Inhaber des Rechts, doch bleibt dem Veräußerer im Verhältnis zum Geschützten die Rechtsmacht, zu dessen Gunsten zu verfügen (BGH NJW 90, 2460 [BGH 07.06.1990 - IX ZR 237/89]; Soergel/Hefermehl § 136 Rz 18; Staud/Kohler § 135 Rz 94 ff; Neuner AT, § 55 Rz 37; Larenz/Wolf AT, 9. Aufl, § 44 Rz 61; aA MüKo/Armbrüster § 135 Rz 32 ff, mwN). Im Insolvenzverfahren ist nach § 80 II 1 InsO ein relatives Verfügungsverbot wirkungslos. Die Abtretung einer zuvor gepfändeten Forderung auf künftige Bezüge aus einem Dienstverhältnis ist für die Dauer von zwei Jahren nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens wirksam (BGH NZI 07, 39).

2. Geltendmachung.

 

Rn 8

Der Geschützte kann bei Übereignung einer beweglichen Sache vom Veräußerer Übereignung nach den §§ 929, 931 und anschließend vom Erwerber Herausgabe verlangen (Staud/Kohler § 135 Rz 119; aA BGH NJW 90, 2460 [BGH 07.06.1990 - IX ZR 237/89], nur dingliche Einigung). Ein unmittelbarer Übereignungsans...

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