I. § 123.

 

Rn 4

Die Vorschrift ist ggü § 138 vorrangig. Wer durch arglistige Täuschung oder widerrechtliche Drohung zur Abgabe einer Willenserklärung veranlasst wurde, kann grds allein nach § 123 anfechten. Ein Rechtsgeschäft ist nur anfechtbar, wenn seine Anstößigkeit ausschl auf einer unzulässigen Willensbeeinflussung durch widerrechtliche Drohung beruht (BGH NJW 08, 982 [BGH 17.01.2008 - III ZR 239/06] Rz 11; 21, 3179 Rz 46). Ausnahmsweise kann § 138 I neben § 123 I anwendbar sein (BGH NJW 88, 2601 [BGH 07.06.1988 - IX ZR 245/86]; 95, 3315 [BGH 26.09.1995 - XI ZR 159/94]; 02, 2775 [BGH 04.07.2002 - IX ZR 153/01]), etwa bei der Täuschung unerfahrener Personen durch Gewinnversprechen (BGH NJW 05, 2992 [BGH 29.06.2005 - VIII ZR 299/04]). Eine vertragliche Verpflichtung, durch die mit einer Täuschung bewusst das Recht eines Dritten aus einem anderen Vertrag vereitelt werden soll, ist sittenwidrig (BGH NJW 88, 903 [BGH 20.01.1988 - VIII ARZ 4/87]).

II. § 134.

 

Rn 5

Ggü § 138 I bildet § 134 die speziellere Norm (BGH NJW 83, 869 f [BGH 18.11.1982 - III ZR 61/81]; BAG NJW 93, 2703). Auf ein Rechtsgeschäft, das sowohl gegen ein Verbotsgesetz als auch die guten Sitten verstößt, ist § 134 anzuwenden (BAG NJW 93, 2703; BaRoth/Wendtland Rz 6; aber BGHZ 53, 160). Dies ist bedeutsam, weil der Verstoß gegen ein Verbotsgesetz nach § 134 – anders als der Verstoß gegen § 138 – nicht stets zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts führt (Erman/Arnold Rz 11; dazu § 134 Rn 16, 25). Lässt sich die Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts nicht aus § 134 ableiten, ist grds auf § 138 abzustellen. Diese Konkurrenz darf allerdings nicht dazu führen, dass die gesetzliche Wertung aus § 134 unterlaufen wird. Eine Gesetzeswidrigkeit allein begründet noch nicht die Sittenwidrigkeit des Rechtsgeschäfts. Dafür sind zusätzlich besondere Umstände erforderlich (BGHZ 138, 299; BAG NJW 93, 2703; Staud/Sack/Fischinger § 138 Rz 172). Eine Verletzung ausländischer Rechtsnormen, die zugleich gegen allg gültige sittliche Grundsätze verstößt, ist gem § 138 I zu beurteilen (BGHZ 94, 271). Der Vorrang gesetzlicher Verbote ggü der Sittenwidrigkeit besteht nicht zwischen § 138 II und § 134 iVm § 291 StGB (Rn 52).

III. § 157.

 

Rn 6

Zunächst ist durch Auslegung zu bestimmen, ob das Rechtsgeschäft einen sittenwidrigen Inhalt hat. IRd ergänzenden Vertragsauslegung ist zu berücksichtigen, was redliche Vertragspartner vereinbart hätten (BaRoth/Wendtland Rz 7).

IV. § 242.

 

Rn 7

Eine Verletzung von Treu und Glauben stellt einen geringeren Verstoß als ein sittlich vorwerfbares Verhalten dar (AnwK/Looschelders Rz 17; Staud/Sack/Fischinger § 138 Rz 31 aA Staud/Sack (2003) Rz 154 f). Einerseits ist die Sittenwidrigkeit vorrangig zu prüfen, andererseits begründet § 242 eine über § 138 hinausreichende Inhaltskontrolle (BaRoth/Wendtland Rz 8). Ausnahmsweise kann die Berufung auf die Sittenwidrigkeit als unzulässige Rechtsausübung treuwidrig sein (BGH NJW 81, 1439 [BGH 23.01.1981 - I ZR 40/79]). Zu denken ist an einen Wandel der Verhältnisse oder Wertvorstellungen (Staud/Sack/Fischinger § 138 Rz 33), bei einem einseitigen Sittenverstoß und in seltenen Fällen auch bei einem beidseitigen Sittenverstoß (BGH NJW 81, 1440).

V. §§ 307 ff.

 

Rn 8

Für die Inhaltskontrolle von AGB sind in den §§ 307 ff strengere Anforderungen aufgestellt (BGHZ 136, 355) und in § 306 besondere Rechtsfolgen bestimmt. Die §§ 307 ff sind deswegen ggü § 138 vorrangig (Erman/Schmidt/Ränsch § 138 Rz 8; differenzierend Staud/Sack/Fischinger § 138 Rz 37 ff). Die Verwendung unangemessener formularmäßiger Klauseln kann dann zur Sittenwidrigkeit des Rechtsgeschäfts führen, wenn der Vertrag aus sittlich verwerflicher Gesinnung so einseitig abgefasst ist, dass nur der eine Vertragsteil seine Rechte durchsetzt, während wesentliche, berechtigte Belange des anderen Teils missachtet werden (BGH NJW 01, 2468 [BGH 26.04.2001 - IX ZR 337/98]). Diese Gesamtprüfung muss sich auf alle Vertragsbestimmungen stützen, auch auf die nach §§ 307 ff unwirksamen (BGHZ 136, 355 f).

VI. § 312.

 

Rn 9

Die in einer Überrumpelungssituation als Haustürgeschäfte zustande gekommenen Verträge sind zwar nicht als solche sittenwidrig. Der durch eine vorangegangene Täuschung erreichte Abschluss eines Haustürgeschäfts kann aber zusammen mit anderen Umständen als Indiz für die Sittenwidrigkeit des Vertrags gewürdigt werden (BGH NJW 88, 1375 [BGH 15.01.1988 - V ZR 183/86]).

VII. § 826.

 

Rn 10

Während § 138 ein sittenwidriges Rechtsgeschäft für unwirksam erklärt, begründet § 826 im Fall eines vorsätzlichen sittenwidrigen Verhaltens einen Schadensersatzanspruch (BaRoth/Wendtland Rz 9). Die Anspruchsvoraussetzungen sind in wesentlichen Punkten verschieden, doch können bei einer einseitigen Sittenwidrigkeit beide Normen erfüllt sein (BGH NJW 70, 658 [BGH 09.12.1969 - VI ZR 50/68]; s.a. § 826 Rn 4). Infolgedessen ist es möglich, dass dem Geschädigten die Vorteile aus einem sittenwidrigen Rechtsgeschäft über § 826 verbleiben (Grüneberg/Ellenberger § 138 Rz 17). Unter einfacheren Voraussetzungen kann auch ein Anspruch aus einer vorvertraglichen Pflichtver...

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