Rn 2

§ 154 I regelt nur den Fall, dass es mindestens einer Partei bewusst ist, dass sie sich noch nicht über mindestens einen Punkt geeinigt haben, über den nach Vorstellung jedenfalls einer Partei Einigkeit erzielt werden sollte. Insofern ist nur der Fall des offenen Dissenses im Sinne einer bewussten Teileinigung erfasst (bspw bei fehlender Einigung mit welcher Gegenforderung die Kaufpreisforderung zur Verrechnung gebracht werden sollte, BGH NJW-RR 99, 927 [BGH 26.02.1999 - V ZR 318/97]; oder hinsichtlich der Frage, ob eine Anzahlung zu leisten ist, BGH NJW 98, 3196 [BGH 24.07.1998 - V ZR 74/97]). Wenigstens eine der Parteien muss bei den Vertragsverhandlungen – sei es auch nur durch schlüssiges Verhalten – erkennbar gemacht haben, sie halte eine Einigung über den betreffenden, noch offenen Punkt für erforderlich (BGH NJW-RR 90, 1011 [BGH 15.03.1990 - I ZR 53/88]; Medicus/Petersen AT Rz 436, Staud/Bork Rz 2; Petersen Jura 09, 419). § 154 I ist nicht anzuwenden, wenn Einigkeit besteht, dass ein Vertrag ungeachtet der offenen Punkte zu Stande kommen soll (BGH NJW-RR 14, 1423 [BGH 27.06.2014 - V ZR 51/13]). Zum versteckten Dissens vgl § 155.

 

Rn 3

Sofern zu den offenen Punkten auch vertragswesentliche Fragen (essentialia negotii) gehören, die sich nicht durch dispositives Gesetzesrecht – beachte §§ 612, 632, 653 (BGH NJW 02, 817, 818 [BGH 06.12.2001 - III ZR 296/00]) –, durch ergänzende Vertragsauslegung (BGH NZV 06, 522 [BGH 04.04.2006 - X ZR 122/05] zur Honorarbestimmung für Kfz-Unfallschadensgutachter) klären lassen oder ggf über §§ 315 ff bestimmbar sind, ist § 154 unanwendbar. In diesem Fall des logischen Dissenses kann eine vertragliche Bindung nicht zustande kommen, da sonst der Vertrag Lücken aufwiese, die nicht nachträglich geschlossen werden könnten (BGH NJW-RR 06, 1139 [BGH 07.02.2006 - KZR 24/04] Tz 21; Jauernig/Mansel Rz 2; NK-BGB/Rademacher/G. Schulze Rz 4).

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