Rn 5

Sind ehebedingte Nachteile nicht gegeben oder durch einen Teil des geltend gemachten Unterhalts ausgeglichen, ist als nächstes zu prüfen, ob und welche Unterhaltsbegrenzung der Billigkeit entspricht.

 

Rn 6

Die einzigen Billigkeitskriterien, die der BGH zunächst berücksichtigt hat, sind Dauer der Ehe und Alter des Unterhaltsberechtigten. Dabei stand weder eine 22-jährige Ehe noch ein Alter der Ehefrau von 42 oder 60 Jahren einer Unterhaltsbegrenzung entgegen. Letztlich kam dieser Billigkeitsabwägung nach der BGH-Rechtsprechung zunächst nur eine ganz untergeordnete Bedeutung zu, so dass bei Nichtbestehen ehebedingter Nachteile im Regelfall eine Befristung des Unterhalts vorzunehmen war.

 

Rn 7

Seit der Entscheidung vom 30.6.10 (FamRZ 10, 1414) betont der BGH das Regel-Ausnahme-Verhältnis und verlangt eine umfassende Billigkeitsabwägung, bei der insbesondere die nacheheliche Solidarität zu berücksichtigen ist.

 

Rn 8

Kriterien für die Billigkeitsprüfung sind

  • das Alter des Unterhaltsberechtigten,
  • die Ehedauer, wobei dieser besonderes Gewicht für die Prüfung der nachehelichen Solidarität zukommt, wie sich schon aus dem Gesetzeswortlaut ergibt. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Ehedauer ihren Stellenwert bei der Billigkeitsabwägung erst durch die aufgrund der praktizierten Rollenverteilung eingetretenen wirtschaftlichen Verflechtung der Eheleute gewinnt (BGH FamRZ 13, 6161). Dies bedeutet, dass die Ehedauer kaum ins Gewicht schlägt, wenn die Eheleute während der Ehe durchgehend vollschichtig gearbeitet haben und deswegen eine wirtschaftliche Verflechtung nicht eingetreten ist. Die Änderung des § 1578b, die seit dem 1.3.13 in Kraft getreten ist, hat nur klarstellende Bedeutung und rechtfertigt nicht einmal einen Abänderungsgrund (BGH FamRZ 13, 616),
  • die finanziellen Verhältnisse, wobei auch die Chance für einen Neuanfang berücksichtigt werden muss (BGH FamRZ 11, 875). Dies bedeutet, dass allein die Berufung auf einen Neuanfang ausreicht. Konkrete Lebensplanungen müssen nicht einmal vorgetragen werden (!),
  • die Lebensleistung, die der bedürftige Ehegatte für die Ehe erbracht hat,
  • insb Unterstützung des berechtigten Ehegatten bei der beruflichen Qualifizierung des Pflichtigen (BGH FamRZ 12, 699),
  • Erwerbsunfähigkeit,
  • Dauer des bisherigen Unterhaltsbezuges unabhängig davon, ob auch solche Zeiträume einbezogen werden, in denen eine Unterhaltsbegrenzung nicht in Betracht kommt, zB Trennungsunterhalt BGH FamRZ 11, 875),
  • Die Dauer des Unterhaltsbezuges kann allerdings einer Begrenzung entgegenstehen, wenn der Berechtigte im Vertrauen auf den Fortbestand des Unterhalts Vermögensdispositionen getroffen hat, die er nicht sogleich rückgängig machen kann oder deren Rückgängigmachen ihm unzumutbar ist. (BGH FamRZ 11, 1381).
  • Die Zurechnung fiktiver Einkünfte spricht eher für eine Unterhaltsbegrenzung, die Hinnahme einer Teilerwerbstätigkeit durch den Pflichtigen dagegen (BGH FamRZ 11, 1381).
  • Gestaltung von Kindererziehung und Erwerbstätigkeit während der Ehe,
  • der Umstand, ob der Unterhalt durch Vereinbarung oder gerichtliche Entscheidung geregelt ist. Letzteres soll höheres Vertrauen auf den Fortbestand des Unterhalts begründen (BGH FamRZ 10, 1414) und
  • Betreuung gemeinsamer Kinder nach der Trennung oder Scheidung durch den berechtigten oder verpflichteten Ehegatten, auch wenn kein Anspruch auf Betreuungsunterhalt mehr besteht (BGH FamRZ 11, 713).
  • dauerhaftes intimes Verhältnis zu einem Dritten als Lösung von der nachehelichen Solidarität
  • Vertrauensschutz ist nur bei Vermögensdispositionen beachtlich, die rückgängig zu machen nicht oder nicht sogleich möglich oder zumutbar wären (BGH FamRZ 11, 1721).
  • Je länger die Scheidung zurückliegt, desto mehr nimmt die nacheheliche Solidarität ab (BGH FamRZ 11, 1721). Unterhaltseinbußen durch vorübergehende Arbeitslosigkeit des Pflichtigen (BGH FamRZ 11, 1851).

Bei der Billigkeitsprüfung unerheblich ist,

  • ob er Unterhaltsberechtigte durch die Begrenzung des Unterhalts sozialhilfebedürftig wird (BGH FamRZ 10, 1059),
  • dass der unterhaltsberechtigte Ehegatte auch ohne Begrenzung des Unterhalts Sozialleistungen bezieht, so dass ihn die Begrenzung nicht trifft (BGH FamRZ 11, 713) und
  • dass mit Begrenzung des Unterhalts auf null spätere Anschlussunterhaltstatbestände entfallen, weil entsprechende Einsatzzeitpunkte nicht mehr gegeben sind. Auch dies spielt bei der Unterhaltsbegrenzung keine Rolle (BGH FamRZ 08, 1511).
 

Rn 9

[nicht besetzt]

 

Rn 10

Nunmehr verlangt der BGH auch bei Vorliegen ehebedingter Nachteile eine Billigkeitsabwägung zur Feststellung, ob ausnahmsweise eine Befristung in Betracht kommt (BGH FamRZ 12, 1916). Insbesondere geht er davon aus, dass auch der Unterhalt, der zum Ausgleich ehebedingter Nachteile erforderlich ist, nach einer gewissen Zeit begrenzt werden darf (BGH FamRZ 16, 345). Eine Aufteilung ehebedingter Nachteile aus den Berechtigten und Verpflichteten kommt demgegenüber nicht in Betracht (BGH FamRZ 16, 1345).

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