Gesetzestext

 

(1) Wird der Eintritt der Bedingung von der Partei, zu deren Nachteil er gereichen würde, wider Treu und Glauben verhindert, so gilt die Bedingung als eingetreten.

(2) Wird der Eintritt der Bedingung von der Partei, zu deren Vorteil er gereicht, wider Treu und Glauben herbeigeführt, so gilt der Eintritt als nicht erfolgt.

A. Allgemeines und Normzweck.

 

Rn 1

Die Vorschrift ist Ausprägung des allg Gedankens, dass derjenige, der treuwidrig eine bestimmte, ihm günstige Sachlage herbeiführt, nicht aus diesem Zustand Nutzen ziehen soll (Soergel/Wolf Rz 16). Auch wenn die Bedingung nicht zur Vornahme eines bestimmten Verhaltens zwingt (§ 158 Rn 12), ist doch die treuwidrige Beeinflussung des Bedingungseintritts unzulässig.

B. Voraussetzungen.

I. Vorliegen einer echten Bedingung.

 

Rn 2

§ 162 ist nur bei Vorliegen einer echten Bedingung (Zufalls- oder Potestativbedingung, § 158 Rn 2 ff) anwendbar. Er greift nicht, sofern eine Wollensbedingung vereinbart wurde (BGH NJW 96, 3340 [BGH 25.09.1996 - VIII ZR 172/95]; Grüneberg/Ellenberger Rz 1; NK-BGB/Wackerbarth Rz 4), da hier der Bedingungseintritt in die Willkür einer Partei gestellt wurde, so dass deren Verhalten nicht treuwidrig sein kann (aA München NJW-RR 88, 58, allerdings handelte es sich wohl um eine Potestativbedingung). Auch bei Rechtsbedingungen, wie etwa der Erteilung einer öffentlich-rechtlichen Genehmigung, kann die Norm nicht unmittelbar angewendet werden. Allerdings sind die Parteien nach § 242 verpflichtet, bei der Erteilung der Genehmigung mitzuwirken (BGH BB 56, 869; Soergel/Wolf Rz 5). § 162 gilt auch im Prozessrecht (Soergel/Wolf Rz 4). So findet § 162 für die unter eine Bedingung gestellte Verpflichtung zur Rechtsmittelrücknahme Anwendung (BGH NJW-RR 89, 802 [BGH 13.02.1989 - II ZR 110/88]).

II. Handeln der interessierten Partei.

 

Rn 3

Erfasst ist jedes Verhalten der interessierten Partei. Ob bei einem Unterlassen eine Rechtspflicht zum Handeln bestand, ist iRd Treuwidrigkeit zu erörtern (vgl LG Gießen NJW-RR 97, 1081 [LG Gießen 18.09.1996 - 1 S 146/96]). Welche Partei durch Bedingungseintritt oder -ausfall einen Vorteil erlangt, ist nur bei Verfügungen eindeutig. Bei gegenseitigen Verträgen ist die Beurteilung unter Berücksichtigung der Gesamtumstände vorzunehmen. Für die Beurteilung der Vorteilhaftigkeit kommt es auf den Zeitpunkt des Eingriffs an (NK-BGB/Wackerbarth Rz 6).

 

Rn 4

Das Verhalten eines Dritten genügt grds nicht, allerdings ist auch das Bestimmen eines Dritten, die Bedingung zu vereiteln, als mittelbarer Eingriff tatbestandsmäßig (BGH NJW 05, 3417 [BGH 16.09.2005 - V ZR 244/04]). Wie iRv § 123 II ist aber derjenige kein Dritter, der als gesetzlicher oder rechtsgeschäftlicher Vertreter der Partei handelt oder sonstiger Gehilfe ist (§ 123 Rn 29).

III. Kausale Herbeiführung oder Vereitelung des Bedingungseintritts.

 

Rn 5

Die Bedingung muss durch das Verhalten der interessierten Partei nicht eingetreten (Kausalität) (I) bzw eingetreten (II) sein. Mitursächlichkeit oder mittelbare Kausalität genügt (BGH BB 65, 1052), nicht aber der bloße Versuch der Vereitelung. Im Falle des § 162 I genügt auch die kausale Verzögerung.

IV. Treuwidrigkeit.

 

Rn 6

Bei der Beurteilung der Treuwidrigkeit ist das Gesamtverhalten nach Anlass, Zweck und Beweggrund unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu würdigen (Soergel/Wolf Rz 7). An der Treuwidrigkeit fehlt es regelmäßig bei wirtschaftlichen Gründen für das Verhalten, allerdings ist auch hier eine Würdigung des Einzelfalls geboten (BGH NJW 05, 3417 [BGH 16.09.2005 - V ZR 244/04] zur Frage der Treuwidrigkeit der Einflussnahme auf die Entscheidung eines Dritten). Bei der Gesamtwürdigung kann auch der Verschuldensgrad des Eingreifers berücksichtigt werden. Vorsatz ist hinsichtlich des Verstoßes gegen Treu und Glauben nicht erforderlich. Die Rspr verlangt jedenfalls fahrlässiges Verhalten (BGH NJW-RR 89, 802 [BGH 13.02.1989 - II ZR 110/88]; BB 65, 1052), die hM in der Literatur lässt dagegen einen objektiven Verstoß genügen (Staud/Bork Rz 10; Grüneberg/Ellenberger Rz 3). Derjenige, der sich auf die Treuwidrigkeit einer Handlung beruft, hat deren tatsächliche Voraussetzungen zu beweisen (BGH NJW-RR 97, 304, 305 [BGH 16.10.1996 - VIII ZR 54/96]).

 

Rn 7

Einzelfälle: Treuwidrig: Nichteinhaltung der Zahlungsfrist infolge des unrichtigen Bestreitens des Eingangs des Schecks beim Gläubiger (BGH NJW 02, 1788 [BGH 07.03.2002 - IX ZR 293/00]); Verzögerung der Zahlung der Grunderwerbssteuer als Voraussetzung für Erteilung der Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamts, die aufschiebende Bedingung des Grundstückskaufvertrags ist (Karlsr NJW-RR 96, 80 [OLG Karlsruhe 06.07.1995 - 4 U 269/94]); Nichtannahme der angebotenen Restzahlung durch Vorbehaltsverkäufer, einer Hinterlegung nach §§ 372, 378 bedarf es nicht (BeckOK/Rövekamp Rz 5.1); Versuch des Vermieters, durch Stellung unzumutbarer Bedingungen ggü vom Mieter benannten potentiellen Nachmieter, das Ausscheiden des Mieters aus dem Mietvertrag zu vereiteln (München NJW-RR 95, 393 [OLG München 18.11.1994 - 21 U 3072/94]); Erfüllung einer Verbindlichkeit als Bedingung der Rechtsmittelrücknahme, wenn der Schuldner schon bei Vertragsschluss von seinem Unvermögen wusste (BGH NJW-RR 89, ...

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