Rn 30

Der Vertreter muss gem I 1 im Namen des Vertretenen handeln, wenn die Rechtsfolgen nicht bei ihm selbst, sondern in der Person des Vertretenen eintreten sollen. Die direkte Stellvertretung bedarf daher der Offenlegung. Das Offenkundigkeitsprinzip dient im Stellvertretungsrecht in erster Linie dem Schutz des Vertragspartners, daneben aber auch dem Bedürfnis des allg Rechtsverkehrs nach einer Klarstellung der Rechtsverhältnisse und einer eindeutigen Zuordnung von Rechten und Pflichten (MüKo/Schubert Rz 107). Eine Willenserklärung kann zugleich in eigenem und fremdem Namen abgegeben werden (BGH WM 13, 859 Rz 11; NJW 09, 3506 Rz 12). Zum Offenkundigkeitsprinzip bei der passiven Stellvertretung s Rn 83.

1. Abgrenzung zum Eigengeschäft des Vertreters.

a) Allg Auslegungsgrundsätze.

 

Rn 31

Ob der Erklärende in eigenem oder fremdem Namen handelt, ist in Zweifelfällen durch Auslegung vom Empfängerhorizont zu ermitteln (BGHZ 125, 175, 178). Für die Auslegung gelten die Grundsätze der §§ 133, 157 u I 2. Hiernach muss die Erklärung nicht ausdrücklich im Namen des Vertretenen erfolgen, es genügt vielmehr, wenn sich die Stellvertretung aus den Umständen ergibt (BGH NJW 14, 1803 [BGH 02.04.2014 - VIII ZR 231/13] Rz 14). Entscheidend ist die objektivierte Empfängersicht; ferner sind alle Umstände zu berücksichtigen, die zum Vertragsschluss geführt haben (BGH NJW-RR 21, 1223 [BGH 10.06.2021 - III ZR 38/20] Rz 14), wie etwa früheres Verhalten, Zeit und Ort der Erklärung, die soziale und berufliche Stellung der Beteiligten, die zugrunde liegenden Lebensverhältnisse, sowie die erkennbare Interessenlage und Verkehrssitte (MüKo/Schubert Rz 109). Auch nachträgliches Verhalten der Parteien ist in dem Sinne zu berücksichtigen, dass es Rückschlüsse auf den tatsächlichen Willen und das tatsächliche Verständnis der am Rechtsgeschäft Beteiligten zulassen kann (BGH ZfBR 12, 128 Rz 9). Tritt der Wille, in fremdem Namen zu handeln, nicht erkennbar hervor, wird der Erklärende nach II selbst berechtigt und verpflichtet. Stimmen Erklärender (Vertreter) und Vertragspartner jedoch darüber überein, dass der Erklärende in fremdem Namen auftritt, liegt ein Vertretungsfall vor, selbst wenn er für einen außen stehenden Dritten nicht erkennbar ist. Umgekehrt liegt ein Eigengeschäft vor, wenn Vertreter und Vertragspartner übereinstimmend ein solches abschließen wollen. In diesen Fällen hat die an dem wirklichen Willen orientierte natürliche Auslegung Vorrang vor dem objektiven Erklärungswert (Bork Rz 1383). Kommen mehrere Vertretene in Betracht, in deren Namen der Vertreter die Erklärung abgegeben haben kann, ist I 2 entspr heranzuziehen (BAG NZA-RR 07, 571, 573 f [BAG 19.04.2007 - 2 AZR 180/06]).

b) Einzelfälle.

 

Rn 32

Ein Vertretergeschäft wird bejaht bei dem Abschluss von Bauverträgen durch den Baubetreuer (BGHZ 67, 334, 335 ff), der Vermietung (KG WM 84, 254; 255) und Vergabe von Bauleistungen (BGH NJW-RR 04, 1017) durch einen Hausverwalter, der Benennung beider Ehegatten im Rubrum des Mietvertrages (Ddorf ZMR 00, 210), der Beauftragung eines externen Laborarztes durch den behandelnden Arzt (BGH NJW 10, 1203 Rz 6), der Buchung einer Gruppenreise (Frankf 04, 1285, 1286), Sammelbestellungen (Köln NJW-RR 91, 918, 919) und der Mandatsübernahme durch einen sozietätsangehörigen Rechtsanwaltes (BGH NJW 11, 2301 [BGH 09.12.2010 - IX ZR 44/10] Rz 15 ff). Das Gleiche gilt für die Beauftragung einer RA-Sozietät durch den Rechtsschutzversicherer (BGH NJW 78, 1003, 1004 [BGH 24.01.1978 - VI ZR 220/76]). Ein Vertretergeschäft liegt nicht ohne Weiteres vor beim Abschluss einer Gebäudeversicherung durch den anwaltlich vertretenen Gebäudeverwalter (BGH NJW-RR 09, 1038 f [BGH 29.04.2009 - IV ZR 201/06]) und eines Versorgungsvertrages durch den WEG-Verwalter (Saarbr NJW-RR 07, 521 f [OLG Saarbrücken 31.10.2006 - 4 U 612/05]), bei Auftragsvergaben durch einen Bauträger (BGH NJW 81, 757), der Benennung des Partners einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft im Text des Mietvertrages (Grüneberg/Ellenberger Rz 5), dem Schuldanerkenntnis eines Unfallbeteiligten (Grüneberg/Ellenberger Rz 7), dem Reisevertrag mit einem Reiseunternehmen, das selbst wie ein Reiseveranstalter auftritt (BGHZ 77, 310, 316 f; Köln NJW-RR 95, 314, 315) und dem Abschluss eines gespaltenen Krankenhausvertrages (BGHZ 121, 107, 110 ff). Bei der Eröffnung eines Spar- oder Girokontos ist unter besonderer Berücksichtigung des Einzelfalls zu prüfen, wer nach dem erkennbaren Willen des die Kontoeröffnung Beantragenden Gläubiger der Bank sein soll. Maßgeblich sind va die Bezeichnung des Kontoinhabers im Kontoeröffnungsantrag und der Besitz am Sparbuch. Unerheblich ist dagegen, aus wessen Mitteln die eingezahlten Gelder stammen (BGHZ 127, 229, 231 f; BGH NJW 05, 980). Zur Entgegennahme eines Schecks durch einen Mehrpersonenvertreter s BGH NJW 00, 3344 f. [BGH 12.07.2000 - VIII ZR 99/99] Ob ein Ehegatte beim Abschluss eines Arztvertrages, den der Ehegatte für sich und ein gemeinsames Kind abschließt, im Namen des anderen Ehegatten handelt, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles (BGH NJW 91, 2...

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