Rn 35

Auch ein erziehungsgeeigneter Elternteil kann sein Kind nur dann entspr fördern, wenn er bereit und in der Lage ist es über einen ausreichenden Zeitraum selbst persönlich zu betreuen. Diesem Zeitmoment kommt ein nicht unbedeutendes Gewicht zu, aber kein allgemeiner Vorrang des nicht berufstätigen Elternteils (Brandbg FamRZ 16, 1945; 19, 1251 bei schwerstbehindertem Kind). Denn oftmals lassen sich bei der Erziehungseignung der Eltern keine wesentlichen Unterschiede feststellen, so dass die persönliche Betreuungsmöglichkeit den Ausschlag dafür gibt, welcher Elternteil das Kind besser fördern kann.

 

Rn 36

Aus der Notwendigkeit des Zusammenspiels von Erziehungseignung und tatsächlicher Erziehung folgt zwangsläufig, dass es darauf ankommt, in welchem Umfang ein Elternteil zur persönlichen Betreuung in der Lage ist. Dafür genügt nicht, dass der betr Elternteil die Betreuung durch Dritte organisiert, selbst wenn er ihnen Verhaltensanweisungen gibt und deren Einhaltung überprüft. Denn nach gesicherten psychologischen Erkenntnissen ist eine stabile und kontinuierliche Beziehung des Kindes zu einer bestimmten Person für eine gesunde Entwicklung notwendig und der häufige Wechsel der Bezugsperson dem Kindeswohl abträglich (vgl auch Frankf FamRZ 94, 9; Köln FamRZ 10, 139). Dies gilt in erster Linie für Kleinkinder. Je jünger ein Kind ist, umso wichtiger ist es für seine Entwicklung, dass es sich in der Obhut eines Menschen weiß, der Zeit hat auf seine Fragen, Wünsche und Nöte einzugehen (BverfG FamRZ 81, 124, 127). Aber auch bei größeren Kindern kann es wichtig sein, dass es eine Person – vornehmlich einen Elternteil – gibt, der auch zeitlich in der Lage ist die Entwicklung des Kindes, seine Verhaltensweisen und seine Befindlichkeit zu verfolgen, um im Bedarfsfall erzieherisch eingreifen zu können. Daneben bedarf auch ein größeres Kind noch der tatsächlichen Betreuung, etwa im schulischen Bereich.

 

Rn 37

Neben der objektiven Möglichkeit der Betreuung ist die subjektive Bereitschaft hierzu von Bedeutung (vgl Frankf FamRZ 94, 9). Es liegt auf der Hand, dass zur Betreuungsmöglichkeit auch die Betreuungsbereitschaft hinzukommen muss, um das Kind bestmöglichst zu fördern. Deshalb kann eine zeitlich geringere Betreuungsmöglichkeit dadurch wettgemacht werden, dass die persönliche Betreuung umso aufmerksamer und verantwortungsvoller wahrgenommen wird. Die Betreuung durch dritte Personen kann dabei eine wertvolle Ergänzung sein. Insgesamt muss deshalb die Betreuungssituation nicht schlechter sein als bei einem Elternteil, der in der Lage ist das Kind in vollem Umfang allein zu betreuen. Zumeist wird auch dem Elternteil eine intensivere und bessere Betreuung des Kindes möglich sein, zu dem das Kind die stärkere Bindung hat (s.u. Rn 43 ff).

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge