Rn 54

Eine Rangordnung der Kindeswohlkriterien besteht nicht. Alle Kriterien stehen über den Begriff des Kindeswohls in innerer Beziehung zueinander und können sich gegenseitig verstärken oder aufheben (BGH FamRZ 85, 169; 10, 1060, 1061; Brandbg FamRZ 15, 1304; vgl auch Saarbr FamRZ 11, 1153; München FamRZ 12, 1062, 1064). Wenn man den Kontinuitätsgrundsatz als Unterfall des Förderungsgrundsatzes begreift und sich vor Augen hält, dass die Bindungen des Kindes regelmäßig in dem von ihm geäußerten Willen zum Ausdruck kommen, so reduziert sich die Abwägung der Kindeswohlkriterien im Falle widersprüchlicher Einzelergebnisse auf die Frage, ob mehr dem verstandesmäßigen oder dem emotionalen Gesichtspunkt im Einzelfall der Vorzug zu geben ist. Hierzu lassen sich wiederum zwei Kernaussagen treffen: Ein Kind in seiner Entwicklung fördern kann nur ein Elternteil, der auch eine ausreichende emotionale Bindung zu dem Kind hat. Eine starke emotionale Bindung zum Kind kann die Fähigkeit es zu fördern nicht ersetzen. Zwischen diesen beiden widerstreitenden Thesen muss im Einzelfall die dem Wohl des Kindes am besten entspr Lösung gefunden werden. Dabei wird es entscheidend darauf ankommen, wie stark die Bindungen einerseits und wie schwach die Förderungsgeeignetheit andererseits und umgekehrt bei einem Elternteil vorhanden sind (vgl auch Bambg 98, 1462). Bsp für Gesamtabwägung bei entgegenstehendem Kindeswillen: Brandbg FamRZ 08, 1472).

 

Rn 55

Dem Förderungsgrundsatz kommt anerkanntermaßen jedoch dann der Vorrang zu, wenn ein Elternteil vollkommen erziehungsunfähig ist. Erzieherisches Versagen in Teilbereichen muss dagegen ebenso wie in intakten Familien als vielfach unvermeidlich notfalls in Kauf genommen werden, wenn die Sorgerechtsregelung nur so die am wenigsten schädliche Alternative ist (BGH FamRZ 85, 169, 171).

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